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Nemesis
Naevan vor mir knickte bei meinem eindringlichen Blick nicht ein. Das tat er nie und das frustrierte mich. Ich war es - zugegeben- gewohnt andere einzuschüchtern und dann das zu bekommen, auf was ich abzielte. Seien es Informationen oder Taten.

Er jedoch nicht. Er stierte mich mit aufeinandergepressten Lippen an, die noch blutende Wunde vergessen. In seinen bersteinernen Augen loderten regelrechte Flammen, die mir verrieten, dass er nichts sagen würde.
Aber ich würde genauso wenig klein beigeben wie er.

"Was weißt du über die Infizierte?", wiederholte ich, "Hör mal, ich habe uns beiden da draußen den Arsch gerettet. Denkst du nicht, du schuldest mir zumindest eine Antwort?"
Seine Miene veränderte sich nicht. Nicht mal ein Blinzeln.
"Ich bin genauso wenig bereit meine Vergangenheit zu teilen, wie du", sagte er langsam, als müsse er die Worte genau abwägen, "Und du würdest mir nicht glauben."
"Wieso sagst du es mir nicht und wir finden raus, ob das stimmt?"
Seine Mundwinkel hoben sich kaum merklich. "Netter Versuch."

Innerlich schrie ich auf, aber anscheinend brauchte ich ihm mit Moralvorsätzen nicht dumm zu kommen.

Ich musterte seine Hände, wie er die Wunde säuberte und wir verfielen in unser üblichens Schweigen. Bis er nach dem Verband neben mir auf dem Boden griff.
"Das muss genäht werden", hielt ich ihn auf und er hielt in der Bewegung inne, dann zog er seinen Arm zurück und musterte den tiefen Schnitt knapp unterhalb der Rippen mit einem kaum merklichen Runzeln der Stirn.
Da verstand ich: "Du weißt nicht wie es geht."

Seine übliche Maske zeigte keine Anzeichen von Verägerung und er stritt es auch nicht ab.
"Stimmt. Ich weiß nicht wei man schlimme Wunden verarztet."

Überrascht, wenn auch mit neutraler Miene sah ich ihn an. Wie hatte er denn beim Kämpfen ein dermaßen hohes Niveau erreichen können, wenn er sich nie ernsthaft verletzt hatte?
Er hatte gesagt, dass er im Tempel viel Zeit hatte um zu trainieren, aber ich hatte angenommen, dass er einfach bereits vorhandene Fertigkeiten zur Perfektion verfeinert hatte und er in seinem vorherigen Leben mit Kämpfen konfrontiert worden war. In Dajinn zum Beispiel, falls er da gelebt hatte, bevor er den Deal mit dem Gott eingegangen war.

Aber wenn dies anscheinend nicht der Fall war und er es nicht mal von der Beobachtung her hatte lernen können, wie früh war er dann in den isolierenden Mauern des Tempels gewesen?

"Wie lange hütest du die Magie schon?", fragte ich unvermittelt und die direkte Frage schien ihn etwas zu überrumpeln. Aber augenblicklich wirkte er wieder unnahbar.
Verdammt. Seine Mauern waren so gut, hoch und dicht wie meine.

"Lange."
"Das ist keine Antwort."
Ein Seufzen und wieder schien er es als eine nervige Konversation mit einem dummen Kind zu empfinden.
"Es ist die einzige Antwort, die ich dir geben kann."
Vielleicht hätte der Inifzierte ihn härter Treffen sollen, dann hätte ich das Verarzten seiner Wunden mit Informatonen tauschen können.

"Schön", knurrte ich, packte Nadel und Faden und rückte näher an ihn ran. Seine Hand schoss vor, um meine ruckartige Bewegung aufzuhalten. Jedoch kurz bevor er mich am Arm berühren konnte, stoppte er. Meine eindeutigen Grenze im Kopf.
"Komm runter", schnaubte ich, "Ich werde dich nicht mit dieser Nadel erstechen."
Langsam senkte er seinen Arm wieder und murmelte: "Zuzutrauen wäre es dir."
Das hätte mich fast zum lächeln gebracht.

Doch ich vertrieb das amüsierte Gefühl und richtete meine Aufmerksamkeit auf den Schnitt. Er war vieleicht so lang wie meine Hand.

Ich setzte den ersten Stich, aber er zuckte nicht mal zusammen. Stattdessen fiel sein Blick auf meine Handschuhe, die ich immer noch trug.
"Ist es nicht einfacher, wenn du sie ausziehst? Mehr Gefühl und so, während du mich zusammenflickst?"
Ich zog den Pfaden etwas fester, als unbedingt nötig und er verzog kaum merklich das Gesicht.
Vielleicht war dieses Verhalten kindisch und irrational, aber in seiner Gegenwart konnte ich nicht anders.
"Der Stoff ist nicht sonderlich dick."
"Wenn sie nicht etwa deine besonders empfindliche Huat wärmen sollen. Warum trägst du sie dann?", er zog eine Augenbraue hoch, doch ich sah nicht von meiner Tätigkeit auf, „Ist es etwa wegen deiner Berührungsangst?"
Mein Kopf ruckt hoch: "Es ist keine-"
"Oh doch", fiel er mir ins Wort, "Du trägst diese Dinger sogar im Schlaf"

Nemesis - Kronen und GötterWhere stories live. Discover now