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Drystan
Die Lichtkugel flog in Nemesis' Brust, die immer noch neben dem leblosen Naevan kniete. In ihrem Gesicht stand ein Ausdruck der kalten Entschlossenheit, wie ich ihn bei ihr noch nie gesehen hatte.

Kaum war die Kugel in ihr verschwunden, färbten sich ihre grauen Augen silberweiß und ein kaum spürbares Beben ging durch die Ebene.

Reflexartig zog ich meine Hand zurück, mit der ich sie hatte trösten wollen, da ging auch schon eine Druckwelle von ihr aus, die mich zurück taumeln ließ.

Nemesks' silbernen Augen richteten sich auf den Hüter vor ihr und ihre Züge wurden ein Stück weicher.

Dadurch, dass ich zurückgestolpert war, musste Aramis nur einen Schritt vor machen, um neben mir zu stehen.
„Seit wann läuft das zwischen denen?"
Mein Kiefer verhärtete sich und ich dachte an das Gespräch von Nemesis und mir auf dem Baum zurück.
An dem Steg vor Kreel.
Wie sie sich für ihn entschieden hatte.
„Weiß ich nicht. Vielleicht schon länger."

Martell stellte sich an meine andere Seite.
„Was macht Nemesis da?"

Wortlos schüttelte ich den Kopf. Denn jetzt begannen schwarze Blitze um sie herum zu zucken, die immer wilder wurden und immer weiter ausholten.

Wir wichen weitere Schritte zurück und als ich zu Riniah und Xenos sah, wirkten sie blasser als zuvor.

Das Beben des Bodens wurde jetzt stärker und kleine Risse bildeten sich von Nemesis ausgehend im Stein, die sich langsam audehnten.

„Kann sie...", fragte Xenos an Riniah gewandt, ohne den Kopf von der ehemaligen rechten Hand des Königs zu nehmen.
Riniah presste die Lippen aufeinander.
„Mit ihrer Verbindung wäre es möglich."

Chara sah stirnrunzelnd zu den Göttern, die Nemesis und Naevan fixierten, als wären sie eine neu einzuschätzende Bedrohung.
„Das gefällt mir nicht", murmelte die Prinzessin, „Was passiert hier?"

Keiner antworte, denn in diesem Moment begann Nemesis' Hand, die sie flach auf Naevans Herz glelegt hatte, silber zu leuchten. Ihr mittlerweile zerzauster Zopf wehte schwerelos um ihren Kopf.
Wir alle spürten die Macht, die von ihr ausging.

„Sie versucht doch nicht etwa ihn wiederzubeleben, oder?"
Virginia hielt sich die Hand vors Gesicht, als auch noch Wind aufkam, der uns den feinen, roten Sand in die Augen blies.

Wir alle drehten uns mit fragenden Blick zu den Göttern, die von dem Wind unbeeindruckt schienen. Ihre Togas zerrten an ihnen, aber sie wichen nicht zurück.

„Wir müssen abwarten", antworte Xenos nur.
Was keine wirklich beruhigende Antwort war.

Nach einer Weile wurde das leuchten um Naevan herum schwächer. Die elektrisierende Energie in der Luft wurde weniger intensiv, der Wind legte sich, der Boden war wieder still.
Meine Freunde atmeten kaum merklich auf, trotzdem wagte keiner zu sprechen, als Nemesis langsam die Augen öffnete. Sie waren immer noch die Farbe von flüssigen Silber, während sie blinzelnd ins Leere blickte.

Eine Sekunde später zuckte ihr Gesicht zu Naevan. Uns nahm sie dabei gar nicht wahr, als sie sich mit aufeinandergepressten Lippen zu ihm beugte. Die Hand auf seinem Brustkorb zitterte kaum merklich.

Ich sah die Verzweiflung in ihrem Blick. Die nackte Panik.
Und ich wusste, ich hatte sie endgültig verloren.

Ich hab dich gewarnt, Drystan.
Riniah sah mich von der Seite an. Sprach aber nur in meinem Kopf. Damit nur ich es hörte.
Naevan würde Nemesis manipulieren und überzeugen. Sie ist nicht mehr auf deiner Seite. Sie ist auf seiner.
Und das ist nicht weit von Arnicus.

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt