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Nemesis
Die Welt war ein Lichtemeer an Laternen, die um mich herum empor stiegen. Sie erhellten die Nacht und hüllten sie in ein warmes Orange, das jegliche Schatten vertrieb.
Die Musik hallte noch nach, mischte sich zu dem Gelächter, als Drystan vor mir mir seine Hand anbot.
„Freunde?"

Ich starrte erst auf die Hand, dann auf sein Gesicht. Ruhig und aufrichtig sah er mich aus seinen eisblauen Augen an.

Vor meinem geistigen Auge blitzte die Bibliothekarin auf. Andere Menschen, denen Allstairs mich bewusst näher gebrachte hatte, nur um sie zu töten oder damit sie mich verrieten.

Aber ich war nicht in Leymalien. Ich war hier.

„Ich werde dich nicht verraten Nemesis. Niemals."
Ich glaubte ihm.
„Freunde", bekräftigte ich und nahm seine Hand.

Eine Sekunde lang währte die Ruhe des Moments, dann ertönte ein hämisches Lachen, das immer lauter wurde. Rechts und links von mir zerplatzten die Laternen und ich sah mich alarmiert um.

Da packte Drystan meine Hand fester, sodass mein Kopf wieder zu ihm schoss. Ruckartig zog er mich an sich und da spürte ich einen scharfen Schmerz im Bauch.

Mit wachsenden Grauen sah ich an mir runter.
Ein Messer steckte in meinem Bauch, geführt von Drystans Hand.

Langsam sah ich auf. Drystan erwiderte meinem Blick mit einer Eiseskälte. Es war, als hätte er mir ins Gesicht geschlagen.
„Du bist zu gefährlich", zischte er, „Du bist eine Waffe. Eine gefährliche Waffe, die nur zerstört."
Genauso gut hätte er das Messer in der Wunde drehen können.

„Du bist nichts", flüsterte er, „Liebe macht schwach. Du brauchst niemanden."

Der Prinz ließ mich los und ich sacke zusammen. Der Dorfplatz um uns herum war dunkel und verlassen. Kein Licht brannte, als sich seine Stiefel aus meinem Sichtfeld entfernten, ohne, dass er sich dazu herabließ sich nochmal umzudrehen.

Ich umklammerte mit zitternder Hand die Waffe, wie um zu bestätigen, dass er es wirklich getan hatte. Meine Brust wurde eng.
Drystan hatte mich verraten.
Ich spürte mein eigenes Blut an der Hand, denn Handschuhe trug ich plötzlich keine, aber ich blieb einfach liegen und starrte seinen Stiefeln hinterher, bis sie um die Ecke verschwanden und mit ihnen sich die ganze Umgebung auflöste.

Doch beim nächsten Blinzeln spürte ich einen kalten Steinboden unter meinen Füßen und es durchfuhr mich heiß und kalt.
Das Messer war verschwunden, als ich mich im Thronsaal der Burg aufrappelte.

Zusätzlich zu dem bitteren Geschmack des Verrats kam jetzt noch ein rasender Herzschlag dazu. Ich hatte noch nicht mal eine Gelegenheit gehabt, nach einem Fluchtweg zu schauen, da ertönte das leise Lachen des leymalischen Königs.

Jahrelanges Training ließen meine Miene erstarren. Meine Gesichtszüge wurden leer und ich drehte mich zu Allstair um. Die Schultern gestrafft. Die perfekte Soldatin - eine Waffe.

Er kam gerade gemessenen Schrittes in den Thronsaal. Die Arme locker hinterm Rücken verschränkt. Den Fellmantel hatte er gegen einen einfachen schwarzen getauscht, der von einer roten Brosche zusammen gehalten wurde. Abgesehen davon trug er seine Montur.

Nemesis - Kronen und GötterWhere stories live. Discover now