Kapitel 3

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Wenn ich es dir doch sage, es kam Rauch aus seinen Händen", wiederholte ich meine Ausführungen.
„Claire, so leid es mir tut, aber das ist unmöglich. Es muss irgendwo hinter ihm gewesen sein."
„War es aber nicht", jammerte ich in mein Telefon.
„Dann wird er etwas in der Hand gehabt haben", versuchte Lina es erneut.
Er hatte nichts in der Hand. Ich war nicht verrückt. Es kamen wirklich schwarze Rauchschwaden aus seinen Händen.
„Lina ich zweifle langsam aber sicher an meinem Verstand."
Die Träume, die Männer, der Angriff. Das war doch alles nicht mehr normal. Verzweifelt vergrub ich meinem Kopf in meinem Kissen.
„Nein, es gibt bestimmt eine Erklärung", versuchte sie mich nun zu beruhigen, aber ich hörte diesen Ton in ihrer Stimme, den sie auch hatte, wenn sie ihren kleinen Neffen beruhigte.
„Am Ende ist es alles nur Zufall", sprach sie weiter.
„Ich glaube langsam echt nicht mehr an Zufall."
Das Klopfen an meiner Tür ließ mich ruckartig hochfahren.
„Claire?", ertönte kurz darauf bereits die Stimme meiner Schwester.
„Was ist?"
Meine Schwester stand einen Moment unschlüssig im Raum.
„Hast du kurz Zeit?", wollte sie schließlich wissen. Dieser Satz wirkte zu unsicher, zu ungeplant, zu unperfekt.
Unauffällig schob ich mein Telefon hinter mich. Lina wusste, dass sie jetzt nichts sagen sollte. Wenn wir telefonierten und uns jemand unterbrach, lief das immer so.
„Ja klar. Was gibt es denn?"
Ich rückte ein Stück, damit Theresa sich neben mich auf mein Bett setzen konnte.
Nach kurzem Zögern tat sie das dann auch. Unsicher knete sie ihre Hände, bevor sie mich schließlich anschaute.
„Es ist wegen deinem Geburtstag", setzte sie an.
„Ich kann es nicht mehr hören", begehrte ich auf und unterbrach sie somit. Sie sah mich mit einem undefinierbaren Blick an. „Tut mir leid Theresa, aber ich möchte wirklich nicht darüber reden, du weißt doch, dass ich das Thema hasse", versuchte ich es etwas sanfter.
„Das liegt daran, dass du die Wichtigkeit eines solchen Ereignisses nicht verstehst", sagte sie kühl.
„Jedes Jahr verhältst du dich wie ein kleines Kind. Das geht nicht mehr Claire."
Ich schluckte. Das war hart. Ja, ich benahm mich nicht so, wie meine Eltern es von mir erwarteten, aber das lag ... Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung warum ich das tat, wahrscheinlich einfach nur aus Protest.
„Ich war in deinem Alter doch auch nicht so selbstbezogen." Kopfschüttelnd sah meine Schwester mich an. Mit diesem tadelnden Blick, denn meine Mutter genauso hatte.
Ich erwiderte nichts. Trotzig wie ich war verschränkt ich nur die Arme vor der Brust.
Theresa seufzte, bevor sie aufstand und aus meinem Zimmer lief.
„Eigentlich dachte ich, dass man mit dir Mittlerweile reden kann."
Tja, anscheinend nicht. Als sie die Tür sanft hinter sich zuzog, atmete ich erleichtert auf.
„Lina?", fragte ich in die Stille. Sie hatte alles gehört, war die ganze Zeit anwesend.
„Kommt das nur mir verdächtig vor?", wollte sie wissen. Ich konnte mir vorstellen, wie sie am anderen Ende der Leitung grüblerisch an ihrem Schreibtisch saß und dabei durch ihr Dachfenster in den Himmel starrt.
„Wieso verdächtig?", in meinem Kopf rekapitulierte ich das Gespräch, konnte aber beim besten Willen nichts Verdächtiges finden.
„Nur so ein Gefühl, ich kann es nicht begründen", erklärte sie.
„Irgendwie ist alles komisch in letzter Zeit", warf ich ein.
Die Männer in unserem Wohnzimmer, der Typ, der mich beobachtet hatte und dann auch noch der mit den Rauchschwaden.
„Erzähl deinen Eltern davon oder wenigstens deiner Schwester", drängte Lina mich.
„Nein, du hast meine Schwester doch gehört", widersprach ich und ließ mich nach hinten auf mein Bett fallen.
„Aber so kann es nicht weiter gehen." Sie hatte gut Reden, ihre Familie war nicht so wie Meine. Viel lockerer und mit weniger Regeln. Sie strebten nicht nach dieser Perfektion.
„Ich glaube, ich warte noch morgen ab", versuchte ich sie abzuwimmeln. Eine unangenehme Stille breitete sich aus, in der niemand von uns etwas sagte.
„Wir sollten auflegen", ergriff ich das Wort und konnte mir Linas erleichterten Gesichtsausdruck praktisch vorstellen.
„Ja", stimmte sie mir zu, „Hab dich lieb."
„Ich dich auch", antwortete ich, bevor ich auf den roten Knopf drückte und das Gespräch beendete.
Wie ein Seestern lag ich auf meinem Bett, rollte mich jedoch zu einer Kugel zusammen. Erst jetzt brach die Wucht der Ereignisse über mir zusammen.
Ich hatte einen Stalker und wurde angegriffen.
Nicht darüber nachdenken, du bist stark, redete ich mir immer wieder ein.
Mit diesen Worten im Kopf schlief ich irgendwann tatsächlich ein.

Hüter der HimmelsrichtungenOnde as histórias ganham vida. Descobre agora