Kapitel 11 - Teil 2

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„War's das?", fragte ich leicht verunsichert, da ich nicht wusste, wie ich mich nun zu verhalten hatte. „Theoretisch schon. Allerdings habt ihr noch einen anderen Grund, weshalb ihr hier seid."
Die Jungs kamen mittlerweile auf uns zu. Denn sie hatten mitbekommen, dass die Verbindung nun bestand.

„Woher weißt du das?", verlangte ich zu erfahren und auch die Anderen schauten Zephyr fragend an.
„Ich habe Seherkräfte", erklärte sie knapp.
„Dann weißt du, ob wir es schaffen werden?", wollte Jace direkt wissen.

Ich wunderte mich immer noch, dass alle so offen mit den Wächtern umgingen, auch wenn meine erste Begegnung mit Boreas so ganz anders abgelaufen war. Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen. Doch bevor ich mir weiter Gedanken darum machen konnte, setzte Zephyr bereits wieder zum Sprechen an.

„Nein, kann ich nicht. Denn ihr müsst euer Schicksal selbst bestimmen."
„Aber es gibt doch eine Prophezeiung", erwiderte Milan stutzig.
Was hatte ich denn jetzt wieder vergessen? Was für eine Prophezeiung?

Ich konnte mich dunkel an ein Gespräch erinnern, welches gefühlt schon Jahre zurück lag. Mr. Reeker hatte davon gesprochen, dass ich die Auserwählte bin. Irgendwie musste ich es vollkommen vergessen haben, über den ganzen Ereignissen.

„Ja, die gibt es und sie wurde von Morgause persönlich niedergeschrieben."
Wir alle starrten Zephyr nun verwundert an.
„Wer ist Morgause?", fragte ich als Erste, noch bevor meine Begleiter überhaupt den Mund aufmachten. „Und wie lautet die Prophezeiung überhaupt?"

„Morgause ist die Schwester von Morighan."
Wir hatten also Recht. Jace hatte Recht. Wir suchen tatsächlich Camelot.
Die Recherchen hatten wenig ergeben. Es gab einfach unglaublich viele Vermutungen, wo Camelot liegen könnte und ich hatte das Schloss auch in meinen Träumen nie von außen gesehen.

„Die Hüter haben nur einen Teil der alten Prophezeiung", fuhr Zephyr in diesem Moment fort.
„Eines Tages wird die Zeit sein, das Eine ist, die nicht sein sollte. Dann ist die Zeit gekommen den Fluch zu brechen", ratterte Jace herunter, so als hätte er es auswendig gelernt.

„Das ist der Teil, den wir kennen", bestätigte Milan meine Vermutungen, dass es der Teil war, den sie kannten, mir jedoch vorenthalten hatten. Die Frage war nur: Warum? Hatten sie es schlichtweg vergessen?
Während ich fieberhaft darüber nachdachte, was die Worte bedeuten sollte.

Das Eine ist, die nicht sein sollte. War ich diese Eine? Aber ich war doch... gewollt oder?
Der Rat meinte, uns würde die Zeit davon laufen, also gingen sie anscheinend davon aus, dass ich gemeint war. Ich fragte mich, warum mir bisher niemand die Prophezeiung verraten hatte.

„Aber der Rest ist seit Jahunderten verschollen", unterbrach Kyle meine Gedanken und seine Stimme klang dabei so abweisend, dass ich mich wieder einmal fragte, was er erlebt hatte, das er so verändert war.
„Und bekanntlich sind wir Wächter unsterblich", erklärte Zephyr leicht belustigt.

Musste ja eigentlich nicht heißen, dass sie sich an alles erinnern konnten. Ich sollte mir weniger über solche Nichtigkeiten Gedanken machen.
„Die Würfel werden fallen und das Geschehene wird wieder geboren. Sie wird sich entscheiden müssen. Aufgang oder Untergang. Ordnung oder Chaos."

War mit Sie ich gemeint? Bezog sich die gesamte Prophezeiung auf mich? Ein Schauer jagte über meinen Rücken und ich glaubte einen kalten Lufthauch zu spüren. Es ergab nur wenig Sinn. Wieso sollte ich mich entscheiden? Für mich war das Chaos ganz klar falsch und es gab keinen Grund sich auf dessen Seite zu stellen.

Das Geschehen wird wieder geboren. Diese Worte ließen mich erneut frösteln. Auch die Anderen schienen beunruhigt über die Worte. Doch sie hatten nicht die Last zu tragen, die mir auferlegt worden war. Denn ich war die, über die die Prophezeiung sprach.

Ich musste entscheiden, was aus der Welt wurde und wenn ich versagte, würde die ganze Welt mein Schicksal teilen und untergehen. Diese Vorstellung ängstigte mich mehr, als ich jemals zugeben würde.
„Was ist mit Camelot? Wo können wir es finden?", brachte Jace die Sprache auf ein anderes Thema.

„Euch fehlt das letzte Puzzleteil", stellte Zephyr amüsiert fest und blickte uns dabei abwartend an, so als hoffte sie auf eine Antwort. Als jedoch niemand von uns etwas erwiderte, begann sie erneut zu Reden.
„In der Höhle des Zauberers ruht, was verborgen scheint."

Also suchten wir noch etwas anderes, außer Camelot? Wir suchten etwas, was in Camelot versteckt lag.
„Und wie hilft uns das jetzt Camelot zu finden?", wollte ich wissen. „Nunja, ihr wisst bereits die anderen Teile, also fehlt euch nur noch das um die Burg zu lokalisieren."

Die Höhle des Zauberers. Es gab mindestens drei Zauberer in Camelot. Die anderen Himmelsrichtungen. Ich kannte nur einen von ihnen. Merlin.
„Wir suchen Merlins Höhle, richtig?", vermutete ich und Zephyr nickte zustimmend. In ihren Augen blitzte so etwas wie Freude, vielleicht auch Stolz, auf.

„Danke für deine Hilfe, Zephyr, Wächterin des Westens", verabschiedete ich mich und sie beugte ihren Kopf leicht zum Zeichen ihres Einverständnisses. Gemeinsam wandte ich mich mit den Jungs zum gehen, als diese plötzlich wie festgefroren vor mir standen.

War ich das? Erschrocken schaute ich zwischen ihnen und meinen Händen hin und her. Ich kam zu dem Schluss, dass es nicht meine Schuld war und so drehte ich mich verwundert zu Zephyr, die mich beinahe mütterlich anlächelte.
„Was, was ist los?", fragte ich stockend und musterte meine Begleiter erneut misstrauisch.

„Wir sollten uns ungestört unterhalten, Claire. Denn vor dir liegen schwere Zeiten", erklärte Zephyr mir und kam einen Schritt auf mich zu.
„Und ich glaube du hast einige Fragen", fuhr sie fort und musterte mich. Ja, ich hatte tatsächlich einige Fragen. Allerdings waren es zu viele, um sie zu stellen.

„Was hat es mit den Kräften des Sehens auf sich?", verlangte ich zu erfahren.
„Ich habe bereits geahnt, dass du das fragst. Diese Kräfte sind nicht wie die Anderen, nicht so elementar. In diesem Fall manipulierst du nicht einfach die Teilchen um dich herum, nein. Du nutzt eine ganz andere Art von Magie, die mit nichts vergleichbar ist."

Ich schluckte.
„Wie kann ich sie gezielt nutzen?"
„Gar nicht. Du kannst es nur geschehen lassen", erklärte die Wächterin.
„Also habe ich keine Möglichkeit herauszufinden, was damals passiert ist?", fragte ich verzweifelt, obwohl ich die Antwort bereits kannte.
„Nein."

„Was besagt der Fluch?"
Zephyr lachte kurz auf.
„Wenn ich dir das nur so leicht sagen könnte", meinte sie seufzend, „dann hätten wir einige Probleme weniger."
Morighan musste einiges an Macht besessen haben, wenn sie dafür sorgen konnte, dass die Wächter nicht darüber sprechen durften.

„Ich glaube, wir sollten uns langsam auf den Weg zurück machen", erklärte ich und deutete dabei auf meine Begleiter.
„Tut das. Ich denke, ich kann dir deine Frage sowieso nicht richtig beantworten."
Das konnte keiner. Weder die Wächter, noch die Hüter, mal ganz abgesehen vom Rat, dessen Funktion mir noch nicht wirklich klar war.

Ich wandte mich zum Gehen und wartete darauf, dass Zephyr die Jungs wieder freigab. Diese richtete allerdings noch einmal das Wort an mich.
„Du bist mit Chaosmagie hierher gekommen, Claire."

Hüter der HimmelsrichtungenWhere stories live. Discover now