Kapitel 6 - Teil 2

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„Was machst du hier?" fragt Merlin mit einem genervten Unterton an Morighan gewandt. „Ich bin hier, weil mich der Rat der Hüter gerufen hat." antwortete Morighan, ebenfalls mit einem Unterton, der nichts Gutes versprach. „Versuch dich von Arthur fernzuhalten." rief Merlin ihr mit gepresster Stimme über seine Schulter zu, während er sich daran machte, den Raum zu verlassen.

Doch kurz vor der Tür stellte sich ihm Morighan in den Weg. „Du, du warst doch gerade noch dahinten, und jetzt bist du hier." brachte er überrascht hervor. „Nun ja" erwiderte Morighan nur mit einem überlegenen Schmunzeln, zu dem sich ihre Lippen verzogen. „Ich habe nunmal ein paar Talente, die weit über die Rituelle Magie hinausgehen."

„Also, warum soll ich mich von Arthur fern halten?" fuhr Morighan fort und holte Merlin somit aus seinem Staunen.
„Du hast ihn so angesehen, als würdest du ihn lieben." erwiderte Merlin nüchtern. „Er ist mein Gefährte" antwortete Morighan, in dem selben Tonfall wie Merlin.

*

Ich erwachte, ließ die Augen jedoch noch geschlossen. Ich saß, hatte allerdings meinen Kopf auf eine Schulter gelegt. Schlagartig kehrten meine Erinnerungen zurück. Ich saß im Flugzeug. Rechts von mir das Fenster. Links von mir.... Jace. O Nein, da würde ich mir etwas anhören können.

Ich öffnete vorsichtig meine Augen, in der Hoffnung, das Jace schlief und es somit gar nicht bemerken würde, aber diese Hoffnung wurde ganz schnell zerschlagen. Ich blickte geradewegs in Jace's braune Augen. Mist, jetzt würde ich mir ganz schön was anhören dürfen.

Innerlich wappnete ich mich schon. Doch Jace sagte nichts, sondern schaute mich nur weiterhin an. „Willst du nicht endlich mal von meiner Schulter verschwinden?" blaffte Jace mich durch unsere Verbindung an und zerstörte damit den Moment. Ich wendete meinen Blick ab und schaute aus dem Fenster.

Wieso konnte er mich nicht leiden? Das war so unbegründet. Er kannte mich doch gar nicht und urteile trotzdem. Was war nur passiert? Stumm saßen wir nebeneinander. Ich fing an, auf meinem Handy zu spielen. Am liebsten würde ich jetzt Lina anrufen, aber das ging im Flugzeug schlecht.

Meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Ich sah nicht mehr wirklich durch. Vielleicht sollte ich einfach alles aufschreiben was ich wusste. Ich suchte also in meinem Rucksack nach Stift und Papier. Natürlich fand ich nichts. Aber wozu hatte ich denn Kräfte, oder besser gesagt, wozu hatte Jace Kräfte....

„Jace? Ich hätte gern ein Notizbuch." Ok, eventuell war er genervt von mir, aber er hatte ja sowieso nichts Besseres zu tun. „Ja dann besorg dir eins." war nur seine genervte Antwort. Na Danke. Große Hilfe. „Bitte, kannst du das nicht machen?" fragte ich erneut. „Wenn Ich das mache lernst du es doch nicht." antwortete er.

„Dann sag mir doch, wie es geht." bat ich weiter. Stille. Er antwortete eine Weile nicht. „Du musst es visualisieren und dann entstehen lassen." Ich versuchte, mir ein Notizbuch vorzustellen, ähnlich wie damals meine Jogginghose, aber das war ja eigentlich nur Zufall.

„Und jetzt das Ganze materialisieren." Woher wusste er, dass ich es visualisiert hatte? „Greif danach!" Ich versuchte wirklich, seinen Anweisungen zu folgen, aber ich schaffte es nicht. „Versuche dir die Beschaffenheit des Einbandes vorzustellen, wie schwer es ist und wie es sich anfühlt. Du musst dir alles bis ins kleinste Detail vorstellen." leitet er mich weiter an.

Ich stelle mir alles vor, wie ich es haben wollte und versuchte in der Luft danach zu greifen. Es musste ziemlich dämlich aussehen, wie ich nach unsichtbaren, nicht vorhandenen Gegenständen in der Luft griff, aber Jace lachte mich nicht aus, sondern trieb mich nur weiter an.

Er hielt mir seine geöffnete Handfläche hin und materialisierte einen Kugelschreiber direkt vor meinen Augen. Ich lächelte ihn dankbar an und er reichte mir den Stift. Er lächelte kaum merklich zurück. Ich versuchte erneut mir das Notizbuch vorzustellen und griff wieder in die Luft.

Meine Handflächen öffnete ich nach oben und dachte an das Gewicht, dass meine Arme nach unten drückte und tatsächlich. Ich schaffte es. In meinen Händen hielt ich nun ein kleines, braunes Notizuch, in dessen weiches Leder eine Windrose eingraviert war.

Jace schaute mich mit einem erstaunten, ja fast erfreuten Gesichtsaudruck an. Ich grinste ihn einfach nur stolz an. „Danke" murmelte ich und ich könnte schwören, dass seine Augen mich schelmisch anfunkelten, aber einen Wimpernschlag später, war dieser Ausdruck schon wieder verschwunden und Jace schaute mich ausdruckslos an, was mich an der Echtheit dieses Augenblickes zweifeln lies.

Den Rest des Fluges sprachen wir kein Wort, weder über die Gedankenverbindung, noch direkt. Vielleicht lag es daran, dass ich zu beschäftigt war, oder ihm war wieder eingefallen, dass er mich ja hassen wollte. Ich redete mir ein, dass mir das egal war und konzentrierte mich mehr auf meine Notizen.

Ich schrieb den Inhalt meiner Träume auf, alles was ich bisher über den 'Rat der Hüter' wusste, und was ich über die Magie herausgefunden hatte. Doch egal wie oft ich es probierte, ich schaffte es nicht, die Puzzleteile zusammenzusetzen, so als würden noch zu viele fehlen.

Als wir zwei Stunden später landeten, kam es mir so vor, als würde die Unterhaltung mit Jace Tage zurückliegen, ja fast so, als hätte es sie nie gegeben. „Mr. Young meint, dass alle Flüge für diese Woche ausgebucht sind." teilte mir meine Schwester mit. Das war beinah unmöglich, man konnte meist kurzfristig einen Flug bekommen.

„Wir sollen alleine weiterreisen, der 'Rat der Hüter' hat Geld auf ein Konto überwiesen, auf das wir jederzeit umgreifen können." erklärte Theresa uns. „Ich würde sagen das heißt fünf Sterne Hotel und Urlaub." erwiderte Milan nur grinsend, was ihm einen genervten Blick von uns anderen einbrachte, was ihn aber nicht davon abbrachte, uns weiter anzugrinsen.

Der Typ hatte Nerven, wir mussten die Welt retten, und er wollte Party machen. Welt retten klang gerade irgendwie ziemlich übertrieben, aber egal. Ich musste trotzdem darüber schmunzeln, wie unbeschwert, ja beinah naiv er an die Sache heran ging, Beinahe so, als wäre alles nur ein Spiel.

Was würde ich dafür geben, genau so denken zu können. Genauso unbeschwert. Aber das ging nicht, denn ich war die, die diesen Fluch brechen musste. Ich konnte nicht davor wegrennen. Ich musste dableiben und kämpfen.

Hüter der HimmelsrichtungenWhere stories live. Discover now