Julien

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Ich ließ meinen Finger über den Einband des Buches gleiten. Champagner und ihre Aromen, Chachcha - der moderne Gesellschaftstanz. Ich fluchte innerlich.

Irgendwo in dieser Bibliothek musste es doch ein Buch über das Chaos geben. Verzweifelt suchte ich weiter. Da. Chaos und die Suche nach der Existenz.

Mein erster Anhaltspunkt. Die Recherchen im Internet waren mehr als dürftig.
Kleine Staubkörner wurden aufgewirbelt, als ich das bereits ziemlich mitgenommene Buch aus dem Regal zog.

Bevor ich das Buch auf den Stapel neben mir legte, warf ich zunächst einen Blick hinein.
Vorsichtig blätterte ich eine der vergilbten Seiten um.

Cha̱·os
Substantiv [das]
/ˈkaːɔs/
heilloses Durcheinander, gänzlich fehlende Ordnung.

Das erschien mir wissenschaftlich genug und so wanderte es auf den Turm aus Büchern neben mir. Zugegeben, es war ein sehr kleiner Turm, aber ich war noch nie der große Leser und für meine Recherche würde es hoffentlich ausreichen.

Innerlich stöhnte ich. Ich würde wahrscheinlich öfter hier vorbeischauen müssen.
Mit der freien Hand strich ich mir eine meiner roten Locken aus dem Gesicht. Anscheinend musste ich echt mal wieder zu einem Friseur.

Ich musterte meine Ausbeute.
Fünf Bücher. Eins über alte Sagen und Mythen, eins über Himmelsrichtungen, zwei über Flüche und Verwünschungen und das Letze über Chaos.

Brauchte ich sonst noch irgendetwas? In Gedanken ging ich die Themen durch, zu denen ich mir Bücher ausleihen wollte. Ich hatte alles. Gut. Zufrieden mit der Auswahl lief ich durch die Gänge voller Bücher bis zum Ausgang um dort am Tresen die Bücher auszuleihen.

Während ich mich durch die Gänge schlängelte, dachte ich nach, wo genau ich die Bücher verstauen würde.
Mein Vater war sowieso nie in meinem Zimmer, also konnte ich sie dort liegen lassen ohne dass er Verdacht schöpfte.

Es war mir egal, dass er nicht wollte, dass ich zu viel davon mitbekam, ich würde trotzdem versuchen so viel wie möglich herauszufinden.
Das Verbot, das er mir bei unserem letzten Gespräch erteilt hatte, ignorierte ich schlichtweg.

Entschlossen legte ich den Stapel vor der grimmig aussehenden Bibliothekarin ab. Sie würdigte mich kaum eines Blickes als sie argwöhnisch den Stapel begutachtete.

„Wofür brauchst du das?", wollte sie skeptisch wissen und schaute sich die von mir ausgewählten Bücher genauer an.
Ich wusste nicht, was genau sie das anging, aber ich antwortete trotzdem. „Wir haben ein Schulprojekt." Eine Lüge, aber die Wahrheit hätte sie mir erst recht nicht geglaubt.

Sie zog eine ihrer buschigen und bereits von einzelnen grauen Strähnen durchzogenen Augenbrauen hoch.
Überzeugt von meiner Antwort schien sie nicht zu sein, aber mir war das herzlich egal und so zuckte ich nur mit den Schultern.

„Name?", bellte sie. „Julien. Julien Pendragon."
Der Drache von einer Frau kniff die Augen zusammen und musterte mich einmal von oben bis unten.

Es gab nichts an mir auszusetzen. Mein weißes Hemd war faltenfrei und der graue Pullover passte farblich zu meiner, ebenfalls grauen und vor allem faltenfreien, Hose. Bis auf die weißen Turnschuhe hätte mein Vater nichts auszusetzen.

Meine Kleidung entsprach dem Bild, das er vermitteln wollte. Der Sohn eines erfolgreichen Geschäftsmann, der durch Aktien ein Vermögen angehäuft hatte. Das Bild, das ich schon immer vermitteln sollte.

„Du bist hier nicht registriert", erklärte die Frau die etwas in ihren Computer tippte.
„Nein bin ich nicht", antwortete ich mit fester Stimme.

„Aber das ist doch sicher möglich", fügte ich so freundlich wie möglich hinzu und setzte eins von diesen gewinnbringend Lächeln auf, die ich von meinem Vater gelernt hatte.

Claire hatte sie immer gehasst. Diese falschen Lächeln. Ich sollte jetzt nicht zu viel darüber nachdenken. Mein Ziel war jetzt diese Bücher mitzunehmen und irgendetwas über den Fluch herauszufinden.

Die Bibliothekarin seufzet resigniert und zog schließlich einen Zettel hervor, auf dem ich alles eintragen musste. Name, Alter, Anschrift. Nicht allzu schwer bereits eine Minute später hatte ich alles ausgefüllt.

Mit einem freundlichen Lächeln schob ich es der Frau zu, die es mit einer beinah unerträglich langsamen Geschwindigkeit zu sich nahm.
Wenn das so weiterging, würde ich morgen noch hier stehen und keinen Schritt weitergekommen sein.

Mit einem prüfenden Blick schaute sie meine Daten an, bevor sie diese in den Computer abtippte. Ich musste mich wirklich beherrschen nicht die Geduld zu verlieren und stattdessen weiterhin freundlich zu lächeln.

Es war so, als würde sie das absichtlich herauszögern.
Ich ließ meinen Blick durch die Biblithek schweifen auf der Suchen nach einer potentiellen Gefahr.

Doch nichts war da, außer den sonnendurchfluteten Gängen in denen sich die Bücher meterhoch stapelten.
„Sie bekommen noch eine Rechung für ihren Mitgliedsbeitrag", teilte sie mir mit und ich wunderte mich, dass sie den Anfang des Satzes nicht vergaß so langsam wie sie sprach.

Mich beschlich ein ungutes Gefühl, was wäre wenn..
Meine Gedanken wurden jedoch von einem ungeheuer lauten Knall unterbrochen.

Ich wirbelte herum. Hinter mir stand niemand geringerer als Azriel.
Zwischen den Bücherregalen wirkte er richtiggehend fehl am Platz.
„Was machst du hier, Azriel?" zischte ich und ließ mich in Verteidigungshaltung fallen.

Nur hatte ich vergessen meine Rückseite zu sichern. Erst als ich eine Bewegung wahrnahm sah ich die Biblothekarin, die sich plötzlich mit einer beeindruckenden Schnelligkeit bewegte.

Ehe ich mich versah stand sie neben mir, in den Händen jeweils einen Dolch.
„Ich muss mit dir reden", eröffnete er mir und steckte seine Waffen weg. Ich blieb jedoch misstrauisch und trat einige Schritte zu Seite, so, dass ich sowohl ihn als auch die Bibliothekarin beobachten konnte.

„Es gibt nichts worüber ich mit dir reden würde", presste ich heraus.
Er lehnte sich lässig gegen eines der Bücherregale.

„Komisch, dabei dachte ich doch das wir auf der selben Seite stehen."

Wilkommen im Selbsthilfegruppetafelrundenstuhlkreis. Als Leser meines Buches seid ihr automatisch Mitglieder. Toll oder? Leider gibt es dadurch keine Vorteile, aber dafür ist der Name doch echt cool oder? xD

Dieses Kapitel ist übrigens noch nicht Korrektur gelesen, also tut mir leid wegen den Rechtschreibfehlern.

Hüter der HimmelsrichtungenWhere stories live. Discover now