Kapitel 18 Theresa - Teil 1

648 71 88
                                    

„Wir sind in wenigen Minuten da", teilte ich Milan mit, der sich demonstrativ zwischen Lina und mich gesetzt hatte, so als würde er sie so schützen können.
Er konnte das zwar selbst sehen, aber ich hoffte, dass ich so die drückende Stille unterbrechen konnte. Seit wir, auf mein Drängen hin, das Haus verlassen hatten und zum Flughafen gefahren waren, schwieg er.
„Das ist eine ganz beschissene Idee", antwortete er nun, ohne auf meine Aussage zu reagieren und verschränkte die Arme. Nein, ist es nicht. Diese Idee ist nämlich von mir. Meine Ideen sind brillant.
Es war schlau, dass wir zum Rat fuhren und mit ihm zusammenarbeiten würden.
Selbst wenn es einen Verräter geben sollte, war es immer noch die beste Möglichkeit. Anders würden wir Claire und die anderen Hüter niemals finden.
„Nein ist es nicht", widersprach ich, als die schwarze Limousine gerade zum Stehen kam. Ich schaute durch die getönten Scheiben und unterdrückte einen genervten Seufzer.
Stau. Mal wieder. Typisch New York.
Wenn wir Glück hatten, war er in ein paar Minuten vorbei, wenn nicht, ja dann würde es uns unnötige Zeit kosten.
Hätte ich meine Kräfte noch, dann könnte ich gemeinsam mit Milan den Ort wechseln, aber selbst dann wäre das noch die beste Freundin meiner kleinen Schwester.
Ich verstand die Pläne des Rates nicht, was daran lag, dass sie mich nicht mit einbezogen. Wie ich es hasste, wenn man mich nicht aufklärte.
Was wollten sie denn mit Lina? Die beste Freundin meiner kleinen Schwester gehörte nicht zu den kreisen, in denen wir uns normalerweise aufhielten. Wenn wir ehrlich waren, hatte sie sogar einen schlechten Einfluss auf Claire. Wenn man sich nur einmal ansah, wie sie herumlief. In Secondhandhosen und T-shirts von Umweltschutzorganisation.
Sie hatte keinen Nutzen für uns. Ich verstand nicht, was Milan an ihr fand. Genauso wenig verstand ich, warum sie mit zum Rat kommen sollte.
Völlig in Gedanken versunken bemerkte ich nicht, wie Milan Lina ein Zeichen gab. Erst als die Beiden synchron aus dem Auto stürmten reagierte ich.
Doch zu spät, während ich mich noch abschnallte, rollte der Wagen bereits immer schneller.
„Halten sie an", befahl ich dem Chauffeur und rutschte hektisch zur Tür auf der Seite, auf der die Beiden die Limousine verlassen hatten. Ich sah die Beiden. Milan zog Lina an einer Hand hinter sich her, während er sich einen Weg durch die Autos und Menschen bahnte.
„Das ist leider nicht möglich, Miss", antwortete er und deutete hinter sich. Tatsächlich fuhren hinter uns Autos, die uns sicher auffahren würden, wenn wir hielten.
Milan hatte genau den richtigen Moment abgepasst und ich kam mit leeren Händen zum Rat.
Wie hatte er es geschafft mich zu überlisten?
Enttäuscht ließ ich mich in den Sitz zurückfallen. Selbst wenn der Fahrer bei der nächsten Ecke hielt, waren Milan und Lina über alle Bergen.
Ruhe bewahren Theresa. Ich wiederholte diesen Satz. Mein persönliches Mantra. Immer und Immer wieder, bis zum Gebäude des Rates.
Während ich im Fahrstuhl bis ganz nach oben fuhr, legte ich mir eine passende Rede zurecht. Das, was ich gleich sagen würde, bestimmte über das weitere Vorgehen des Rates. Ich durfte meine Position nicht verlieren und musste ihnen einige brauchbare Informationen präsentieren. Davon hatte ich glücklicherweise Einige.
Nur welche waren die Richtigen?
Ich beruhigte mich ein wenig, als sich die Türen des Fahrstuhles öffneten und ich den vertrauten Gang sah, der zum Beratungszimmer, das dem Tagungsort der Tafelrunde nachempfunden war, führte.
Der Teppich unter meinen Füßen vermittelte mir ein Gefühl von Geborgenheit, während ich den Flur entlang lief, mit federnden Schritten, auf alles vorbereitet, was nun folgen würde. Nun ja, auf fast alles.
Als ich die schwere Holztür mit Hilfe der üblichen Mechanismen öffnete, hörte ich bereits die vertrauten Stimmen von Mr. Reeker und Mr.Young.
Die Tür schwang auf und ein Lufthauch wirbelte meine Haare auf. Perfekt, genau diesen Effekt wollte ich erzielen.
„Sie sind weggelaufen", erklärte ich, ohne sie zu begrüßen. Weggelaufen, nicht geflüchtet, obwohl Letzteres besser gepasst hätte.
„Ich konnte nichts machen, ich dachte sie vertrauen mir", fuhr ich fort und stellte mich genau vor Mr. Reeker, der mich durch sine runden Brillengläser mit einer Mischung aus Überraschung und Misstrauen.
„Jetzt hol erst einmal tief Luft", wies Mr. Reeker mich an und führte mich zu einem der weinroten Sessel, die vor dem Kamin standen.
„Also, was ist passiert?"
Hastig erzählte ich, wie Milan und Lina bei mir aufgetaucht und wir zum Rat aufgebrochen waren.
„Ich dachte wirklich, dass sie mir vertrauen, aber sie haben mich, den gesamten Flug ignoriert", gab ich das geschehen wieder und ließ dabei aus, dass Milan sich zwischen mich und Lina gestellt hatte.
„Hatten sie einen Grund dafür?", wollte nun Mr. Young wissen der die ganze Zeit alles auf sein Klemmbrett gekritzelt hatte. Beim Rat nichts ungewöhnliches. Sie machten zu allem Aufzeichnungen. Wahrscheinlich, weil die komplette Chronik in Flammen aufgegangen war. Irgendwie versuchten sie es anscheinend zu kompensieren.
„Mich zu ignorieren? Ja, sie wollten nicht zum Rat. Deshalb haben sie auch die Limousine verlassen."
Ich musterte jede Regung in dem faltigen Gesicht von Mr. Reeker. Wenn er überrascht war, dann verbarg er es gut.
„Wieso bist du ihnen nicht gefolgt?", mischte sich der untersetzte Mann ein und bedachte mich mit einem tadelnden Blick, den ich geflissentlich ignorierte. Er war nur der Handlanger von Mr. Reeker, ich hingegen war eine Hüterin. Zugegeben eine Ehemalige, doch trotzdem war meine Meinung wichtiger als die eines einfachen Assistenten.
„Weil sie den richtigen Moment abgepasst hatten, sodass ich das Auto nicht verlassen konnte."
Nach dem ich geendet hatte herrschte eine Weile Schweigen.
„Weißt du, welchen Grund sie hatten zu verschwinden?", wollte Mr. Young nun wissen und zog wieder die Vokale am Ende gefährlich in die Höhe.
Einen Moment überlegte ich, was ich antworten sollte.
„Sie glauben, dass es einen Verräter gibt", brachte ich heraus.

___________________
Ja, es wurde nicht kontrolliert. Das tut mir leid, aber ich werde dafür immerhin den Uploadplan wieder einhalten können. ^^
Ist euch Theresa sympathisch??


Hüter der HimmelsrichtungenWhere stories live. Discover now