Kapitel 21 Claire - Teil 1

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„Wir brechen jetzt noch auf", motzte Jace mich an, nachdem ich gegen fünf Uhr morgens im Zimmer erschienen war.
„Habe ich irgendetwas verpasste?", fragte ich irritiert.
„Du tauchst hier auf, nach dem du stundenlang verschwunden warst und fragst mich, ob du irgendetwas verpasst hast?", wollte er entgeistert wissen.
Ich war nicht verschwunden. Zumindest nicht wirklich. Genau genommen saß ich stundenlang auf dem Dach und hatte mit Azriel einen Plan geschmiedet.
„Ist doch nichts passiert." Ich tat es mit einem Schulterzucken ab und wollte mich in mein Bett verkriechen, um wenigstens noch eine Stunde Schlaf abzubekommen, doch Jace hielt mich zurück.
„Wo warst du?", verlangte er zu wissen.
„Auf dem Dach", antwortete ich emotionslos. Ich war müde. Im Gegensatz zu Jace brauchte ich Schlaf.
„Es hätte sonst etwas passieren können. Azriel hätte auftauchen können." Jace kochte vor Wut.
„Ist es aber nicht", erwiderte ich schnippisch und wandte mich ab. Es konnte ihm verdammt nochmal egal sein, was ich machte.
Kyle hielt sich während unserer Auseinandersetzung im Hintergrund. Jedoch beobachtete er mich unverwandt, sodass ich mich gleich unwohl fühlte.
„Was zur Hölle hast du sechs Stunden lang auf dem Dach gemacht?", wollte Jace wissen.
Ich ignorierte ihn einfach und drückte mich an ihm vorbei. Ohne mich um seine Reaktion zu kümmern, ließ ich mich in mein Bett fallen.
Schlafen. Nur noch schlafen.
Eine vielleicht zwei Stunden.
„Claire", begann Jace drohend doch ich bekam das Ende seines Satzes nicht mit.
Sobald mein Kopf das Kissen berührte war ich auch schon eingeschlafen und es war mir herzlich egal, was Jace jetzt von mir dachte.

*

„Morighan, hör mir doch zu", bat Morgause ihre Schwester, die jedoch nichts davon wissen wollte und über den Schlosshof stürmte.
„Es ist wichtig. Du musst es doch bemerken", versuchte die blonde Frau es erneut.
„Morgause, es ist mir egal, welche Argumente du bringst. Es ist nicht Arthurs Schuld."
„Sieh doch hin. Es werden immer mehr Chaosmagier verbrannt. Das muss ein Ende haben." Morgause holte ihre Schwester ein, die nun stockte.
„Es ist richtig. Chaosmagie ist böse", widersprach sie und zog eine Augenbraue hoch. Immerhin war sie stehen geblieben und hörte Morgause überhaupt zu.
„Ist es nicht", erklärte Morgause ihrer Schwester flüsternd, „Chaosmagie an sich ist nicht schlecht, sie kann sowohl für Gute als auch für schlechte Sachen eingesetzt werden."
„Wenn das so wäre, dann wüsste Arthur das", verteidigte Morighan ihren Geliebten.
„Er weiß es nicht. Deswegen bin ich auf dich zugegangen. Du musst es ihm sagen", bat Morgause.
„Arthur wird denken, dass ich mich mit dem Chaos eingelassen habe." Skeptisch schaute Morighan in das engelsgleiche Gesicht ihrer Schwester.
„Du bist seine wahre Liebe. Wenn er dir nicht zuhört, dann niemandem, große Schwester."

*

Ich schreckte aus dem Schlaf hoch.
„Steh auf", motze Jace mich an, der mir meine Decke weggezogen hatte. Wortlos drehte ich mich auf die andere Seite. Ich wollte, nein, ich musste weiter träumen. Gerade jetzt, wo Morgause und Morighan sich unterhielten. Gerade jetzt, wo Morgause ihre Schwester um Hilfe bat.
„Lass mich", verlangte ich und griff nach meinem Kissen, damit es etwas wärmer werden würde.
„Wir fahren jetzt", erklärte Jace ungerührt und deutete auf seine Uhr.
Es war gerade mal sieben Uhr. Ich hatte knapp zwei Stunden geschlafen. Mehr nicht und dieser Mistkerl weckte mich.
„Ich bin müde."
„Das ist mir egal, dann wärst du eben früher ins Bett gegangen." Jace stand abwartend vor meinem Bett.
Moderne Folter. Das war es, was er hier abzog. Nichts anderes.
„Lass mich in Ruhe", wiederholte ich, doch der Hüter des Ostens nahm mir auch noch mein Kissen weg.
„Claire, steh auf", wies er mich erneut an.
Genervt stand ich auf uns stapfte an ihm vorbei ins Bad.
Während ich unter der Dusche stand und endlich kalt duschte, dachte ich über den Plan nach, den ich mit Azriel ausgearbeitet hatte.
„Claire", rief Jace durch die geschlossene Badtür.
„Was ist denn jetzt schon wieder?", wollte ich wissen.
„Beeil dich."
Das hätte ich so oder so gemacht. Was war denn heute sein Problem?
Ich stellte die Dusche aus und erschuf ein weiches Handtuch, dass ich um mich schlang.
Ein Weiteres wickelte ich auf meinem Kopf zu einem Turban.
Während ich aus der Dusche trat, materialisierte ich mir eine Zahnbürste und neue Sachen.
Es fiel mir mittlerweile leicht. So, wie das Sprechen gehörte diese Annehmlichkeit einfach alles immer zu haben mittlerweile zu meinem Leben.
Einen Moment überlegte ich, ob ich extra langsam machen sollte nur, um Jace zu ärgern. Entschied mich jedoch dagegen.

Eine halbe Stunde später stand ich vollkommen fertig im Hotelzimmer.
Meine alten Sachen hatte ich verbrannt. Sie waren nur zusätzliche Last.
„Was hast du da an?", fragte Jace skeptisch.
Ich schaute an mir herunter. Anstelle der üblichen Männerhosen hatte ich mich für eine schwarze, einfache Jeans entschieden, dir mir jedoch ausnahmsweise passte. Dazu trug ich einen dunkelgrauen Kapuzenpullover. So einen, wie ihn die Jungs auch immer trugen.
„Kleidung?", fragte ich spöttisch.
„Ja aber, aber, es..", er sprach nicht zu Ende, denn in diesem Moment betrat Kyle das Hotelzimmer.
Auch er stockte einen Augenblick und musterte mich einmal komplett.
Ich verdrehte die Augen. Nur weil mir die Sachen ausnahmsweise mal passten, machten die Beiden direkt einen Aufstand, das war ja eine schöne Truppe.
Ich ignorierte die beiden und drängte mich an Kyle vorbei aus der Tür.
„Kommt ihr jetzt?", rief ich, als die beiden keine Anstalten machten mir zu folgen.
Keiner antwortete. Wortlos folgten sie mir und Jace schloss die Tür zu.
Als er sich umdreht, schaute er uns ernst an.
„Seid ihr bereit die Welt zu retten?"
Ja. Ich war bereit die Welt zu retten. Ich. Ohne die Hüter.

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Ich weiß, ich bin gemein, weil ich euch mit dem Plan im Dunkeln tappen lasse. 😁
But who cares?

By the way. Claires Charakter bildet sich langsam. ^^

Hüter der HimmelsrichtungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt