Kapitel 14 - Teil 1

846 114 19
                                    

Nachdem wir aus dem Hotel ausgecheckt waren, wechselten wir den Ort und nutzten dazu wieder die Toilette des Flughafens.
„Warum können wir eigentlich nicht direkt zu Lina?", wollte ich wissen.

Es wäre doch viel einfacher wenn wir uns das Ganze sparten und stattdessen einfach direkt abkürzten.

„Weil wir sonst Gefahr laufen unsere Kräfte aufzubrauchen", erklärte Jace, so als wäre es selbstverständlich.

Für ihn war es das vielleicht, aber mich stellte es vor weitere Fragen.
„Wieso können wir unsere Kräfte aufbrauchen?", fragte ich unsicher.

„Die psychischen Kräfte können genauso aufgebraucht werden, wie die physischen", erläuterte Milan und gestikulierte dabei wild mit den Händen. So als würde er irgendwelche Fliegen vertreiben wollen.

Bei dieser Vorstellung musste ich schmunzeln und der Hüter warf mir einen irritierten Blick zu, während Jace anscheinend meine Gedanken erraten hatte. Oder direkt gelesen, das würde ich ihm auch zutrauen.

„Was passiert, wenn wir sie aufbrauchen?", verlangte ich zu erfahren und wich einem kleinen Kind aus, das mitten im Weg stand und Gefahr lief umgerannt zu werden.

Wenn nicht von mir, dann von jemand anderem.
„Im besten Fall fallen wir nur in einen tiefen Schlaf, der einige Tage dauern kann, so wie bei deiner Umstellung. Im Schlimmsten könnten wir sterben", offenbarte Milan mir.

Ein Schauer kroch über meinen Rücken. „Bei welcher Gelegenheit könnte es denn passieren, dass ich meine Kräfte aufbrauche und wie bemerke ich das?"

Der Hüter schien einen Moment über seine Antwort nachzudenken.

,,Eigentlich ist es nur möglich, wenn wir uns nicht mit den Wächtern verbinden", stellte er fest und sowohl Jace als auch Kyle nickten bestätigend.
„Woran du es merkst kann ich dir leider nicht sagen, da ich glücklicherweise noch nicht in die Lage gekommen bin."

„Es ist wie, wenn du merkst, dass du keine Kraft zum Weiterrennen hast. Wenn du genau weißt, dass du gleich eine Grenze ohne Wiederkehr überschreitest", warf Jace ein und ich fragte mich unwillkürlich, bei welcher Gelegenheit er diese Erfahrung gemacht hatte.

Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, schob mich Jace bereits vor sich durch die Sicherheitsschleuse.
Erleichtert registrierte ich, dass nicht das Signal ertönte, welches immer auf Metall hinwies. Kyle hatte mir zwar versichert, dass sein Schleier ganz sicher funktionierte.

Aber es erschien mir immer noch komisch, dass ich einfach mit einem Schwert durch einen Flughafen spazieren konnte. Ohne, dass jemand auch nur das Geringste bemerkte.
Erst als wir uns im Wartebereich befanden, traute ich mich auszuatmen.

Zusätzlich zu meinem Schwert, hatten mir die Jungs noch zwei Dolche zugesteckt, die ich ebenfalls in den Waffengürtel gesteckt hatte.
Ehrlich gesagt wusste ich nicht, wie dieses Ding hieß, dass ich mir um die Hüften geschnallt hatte.

Ziemlich sicher hatte es einen anderen Namen, aber ich hatte mich nicht getraut zu fragen.
Doch nicht nur ich war bis an die Zähne bewaffnet, nein.
Auch die Anderen trugen überall am Körper Waffen.

Jace hatte sich zwei Schwerter auf den Rücken geschnallt. Kyle trug mehrere Messer bei sich und Milan hatte einen Säbel, oder wie auch immer dieses Ding hieß an der Seite hängen.

Ich musste mich unbedingt über die Bezeichnung der Waffen informieren. Allerdings stand das ganz sicher nicht an erster Stelle, schließlich gab es momentan Wichtigeres zu tun.
Einen Fluch zu brechen beispielsweise, oder Lina vor den Schergen des Chaos in Sicherheit zu bringen.

Mein Handy hatte ich zuletzt bei Azriel gesehen und so hatte ich nicht einmal die Möglichkeit Lina zu informieren. Viel mehr als hier zu sitzen und zu warten blieb mir also nicht übrig.
Unruhig trommelte ich mit den Fingern auf meinen Oberschenkel. Zumindest so lange, bis eine Hand nach meiner Griff und sie festhielt.

Als ich aufschaute blickte ich geradewegs in das Gesicht von Kyle.
„Mach dir nicht allzu viele Gedanken. Wir werden rechtzeitig sein", versprach er mir und ich schaute ihn dankbar an.

Es tat gut zu wissen, dass Kyle auf meiner Seite stand, dass er für mich da war.
Eine Weile saßen wir einfach so da. Meine Hand in seiner, und warteten darauf, dass wir ins Flugzeug konnten.

Meine Gedanken glitten wieder zurück zu seiner Geschichte, dass sein Bruder für ihn gestorben war, ermordet vom Chaos. Unwillkürlich fragte ich mich, was passierte, wenn ein Hüter starb. Bekam dann einfach der Nächste der Reihenfolge die Kräfte?

Wahrscheinlich, schließlich konnte die Stelle nicht einfach „unbesetzt" bleiben. Allerdings erklärte das noch lange nicht, wieso ich nun die Hüterin des Westens war, obwohl Theresa noch.. am Leben war.

Mir kam ein schrecklicher Gedanke. Konnte es sein, dass meine Schwester tot war? Meine Hand verkrampfte sich und Kyle musterte mich besorgt.
„Was ist los?", wollte er wissen.

„Ich habe gerade nachgedacht, was passiert, wenn ein Hüter stirbt", eröffnete ich und beobachtete genau die Regungen seines Gesichts, die nicht vorhanden war. Nicht einmal der Anflug von Trauer.

Plötzlich wurde mir klar, dass er sich mir letzte Nacht auf dem Dach wirklich geöffnet hatte.

Letzte Nacht, als wir uns beinahe geküsst hatten.
„Wenn ein Hüter stirbt, dann wird der nächste Erbe sein Nachfolger", erklärte er ganz nüchtern, vollkommen sachlich, so als wäre es eine Tatsache.

Keine Frage, es war eine Tatsache. Aber ich dachte, dass er da emotionaler herangehen würde, nachdem, was seinem Bruder widerfahren war.

„Aber wie funktioniert es dann, dass ihr alle das gleiche Alter habt?", wollte ich wissen, da dies widersprüchlich war. „Generationen von Hütern werden immer am selben Tag geboren. An dem Tag, an dem die Ordnung zum ersten Mal über das Chaos siegte.

Dieser Tag ist nicht veränderbar, jeder Erstgeborene wird an diesem Tag geboren."
Wie war das möglich? Es kam mir so unwirklich vor, es würde bedeuten, dass alle Frauen immer gleichzeitig Schwanger waren.

Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, forderte die Stimme aus dem Lautsprecher uns auf uns in die Maschine zu begeben.
Ohne Kyles Hand loszulassen schnappte ich mir meinen Rucksack und schwang in mir über die Schulter.

Milan war bereits vorgegangen und Jace folgte uns mit grimmiger Miene. Ich verstand nicht, was jetzt schon wieder sein Problem war. Weder ich hatte ihn angesprochen, noch irgendjemand anderes.

Der Hüter würde wahrscheinlich für immer ein Rätsel bleiben.

Ich komme immer noch nicht drauf klar. Diese Woche war ich #8 in Fantasy. Dankeschön an alle, die immer voten und kommentieren.
Das macht mich wirklich glücklich.

Hüter der HimmelsrichtungenWhere stories live. Discover now