Kapitel 13 - Teil 1

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,,Nein", keuchte ich.
Das konnte nicht sein. Schließlich hatten die Hüter gegen das Chaos gekämpft.
„Claire, ich werde dir nichts tun. Ich möchte dich nur zu meinem Meister bringen", versprach er ein weiteres Mal.

Doch ich wich zurück, in dem Wissen, dass ich sowieso nichts tun konnte. Denn er überragte mich immer noch.
Den Schmerz, der von den Schnitten in meinen Oberschenkeln und meinen Armen ausging, versuchte ich so gut wie es ging zu ignorieren.

„Wieso greifst du mich dann an und bedrohst mich?"
Es ergab keinen Sinn. Er hätte einfach mit mir reden können, doch stattdessen griff er mich an. Für mich war er der Feind und würde es auch bleiben.

„Weil du schon viel zu sehr vom Rat beeinflusst bist und in mir immer noch den Feind siehst."
„Was heißt hier immer noch? Du hast noch nichts getan um mich vom Gegenteil zu überzeugen", zischte ich ihn an und kniff meine Augen zusammen.

„Deswegen habe ich nach anderen Mitteln gesucht, denn du hörst mir nichtmal richtig zu."

„Das gestaltet sich leicht schwierig, wenn man auf die Klinge am eigenen Hals konzentriert ist", erwiderte ich sarkastisch und machte Anstalten aufzustehen, da Azriel ganz offensichtlich mit etwas Anderem beschäftigt war.

Claire?", meldete sich Jace zu Wort und erinnert mich somit daran, dass ich eine Möglichkeit finden musste zu entfliehen, egal wie. Auf Jace konnte ich mich anscheinend nicht verlassen, da dieser nicht zu mir kommen konnte.

Wenn Azriel es schaffte ihn von hier weg zu halten, dann musste seine Macht wirklich gewaltig sein.
Unruhig schaute ich mich im Raum um, in der Hoffnung eine Fluchtmöglichkeit zu finden, denn eins war mir jetzt klar. Ich könnte niemals im Kampf gegen ihn gewinnen.

„Ich werde dich zu meinem Meister bringen und dann wirst du bald freiwillig auf unserer Seite stehen", sagte Azriel mit voller Inbrunst, doch mir jagte es Schauer der Angst über den ganzen Körper.

„Und was machst du, wenn ich nicht mitkomme?", wollte ich wissen und beobachtete, wie sich seine Muskeln anspannten.
Nun, alarmbereit war er.

Der Überraschungsmoment war also weg.
Ich befand mich mittlerweile in Startposition, so wie ein Sprinter kurz bevor er losrennt.

Auch Azriel ging in eine Art Kampfhaltung und hob sein Schwert erneut.
„Dann müsste ich auf Plan B zurückgreifen und deine beste Freundin mit hineinziehen."

So viel zum Thema er ist nicht der Feind. Das sah ich ganz anders, denn ein Freund würde mir nicht drohen.
Lauernd schien er meine Reaktion zu beobachten und es kam mir so vor, als würde ein Greifvogel seine Beute beobachten.

Jederzeit bereit sich auf sie zu stürzen, sollte sie aus ihrem Versteck kommen.
Und ich war die Beute.

Schweiß bildete sich an meiner Schläfe und ich spürte genau, wie eine einzelne Schweißperle an meiner Wange entlang floss.
Vorsichtig verlagerte ich mein Gewicht und sofort spürte ich wieder den brennenden Schmerz, der von der Wunde ausging.

Glücklicherweise war die Blutung schon etwas zurückgegangen, doch der Stoff um den Schlitz herum war trotzdem blutgetränkt.
Ganz so, wie ein Tintenfleck auf einem Blatt Papier.

Suchend glitten meine Augen weiter durch den Raum. Doch ich fand kaum eine Chance, bis mein Blick an dem Spiegel hängen blieb.
Ja, das könnte funktionieren. Diesmal, hoffentlich.

Mit all meiner verfügbaren Kraft wechselte ich den Ort und tauchte hinter dem Spiegel wieder auf. Erfreut stellte ich fest, dass es mir mittlerweile so leicht viel wie Atmen. Azriel wirbelte herum und legte seine Stirn in Falten während er mit einer unglaublichen Geschwindigkeit näher kam.

Ungefähr einen Meter vor mir hielt er an und stand nun mit dem Rücken zum Spiegel. Ich konnte nur hoffen, dass es so funktionierte, wie ich es mir vorstellte.
Mit einer einzigen Bewegung veränderte ich die Teilchen des Spiegels und brachte ihn dazu zu zerspringen.

Tausende Splitter, die scharf wie Klingen waren, flogen in alle Richtungen und ich duckte mich instinktiv nach unten, da ich nicht wusste, wie ich ein Schild erschaffen konnte.

Azriel, der offensichtlich nicht damit gerechnet hatte, stand einfach nur regungslos da, während tausende Bruchstücke in seine Haut eindrangen. Doch obwohl sie nichts gegen ihn ausrichten konnten, schien er für einen Moment abgelenkt und ich nutzte die Chance, um ihn zu entwaffnen.

Blitzschnell wechselte ich den Ort und entriss ihm sein Schwert.
Sofort wechselte ich weiter, sodass ich nun hinter ihm stand und mit der Spitze der Waffe in seinen Rücken stach.

Nur leicht, doch es fing sofort an zu bluten. Verwundert musterte ich erst meine Hände und dann die Klinge.@Wie konnte das sein? Weder meine Waffen noch die Splitter hatten ihm etwas angetan, aber sein eigenes Schwert?

Ohne dass ich es bemerkte, trat er einen Schritt vor, sodass die Klinge sich nicht mehr in seine Haut bohrte. Geschockt stand ich da und musterte das Schwert.
Es kam mir so unwahrscheinlich vor, dass ich etwas gegen ihn in der Hand hatte.

Instinktiv hob ich es an und richtetet es auf Azriel.
Nur Zentimeter von seinem Brustkorb entfernt, jederzeit bereit ihn zu durchbohren, wenn er einen falschen Schritt wagen sollte.

Mein linker Arm war komplett ausgestreckt und ich klammerte mich regelrecht am Griff fest, so als würde dieser mir Halt geben. Meinen anderen Arm hatte ich einfach an der Seite herunterhängen, da die kleinste Anstrengung zu viel war und den Schmerz zur Wunde trieb.

„Ich würde vorschlagen, dass du jetzt gehst", brachte ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und drückte die Spitze des Schwertes ein bisschen in das Leder, das seine Brust eigentlich schützen sollte.

Doch gegen das Schwert war es machtlos.
Azriel schaute mich schockiert an, so als könnte er nicht glauben, dass ich nun die Oberhand hatte.

„Verschwinde", presste ich hervor und hob mein Schwert noch ein Stück. Mein Gegenüber schien langsam zu begreifen, was vor sich ging und schneller als ich sehen konnte, rannte er an mir vorbei und stürzte aus dem Fenster.

Glas splitterte und ich sah noch, wie Azriel sich auf seinen mächtigen Schwingen in die Lüfte erhob.Einen Moment stand ich einfach nur da, bis ich das Schwert sinken ließ und mich an die Wand lehnte.

Einen Herzschlag später sank ich bereits in mich zusammen.

Hüter der HimmelsrichtungenWhere stories live. Discover now