Hüter der Himmelsrichtungen

Jace

Im Inneren der Pyramide befand sich, ähnlich wie bei Kyle eine Art Kessel. Ich erinnerte mich noch gut an das erste Mal, als ich, gemeinsam mit Milan, Kyle und Theresa, Eurus, den Hüter des Ostens besucht hatte. Wie verwundert ich war, als mir nur ein kleiner Junge mit braunen Augen gegenüber stand.

Er war der erste Hüter, den wir alle gesehen hatten und war nicht mehr als ein Kind. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte, da er nicht mehr als ein Kind war. Vielleicht sollten wir Claire vorwarnen, überlegte ich, verwarf den Gedanken allerdings gleich wieder. Konnte Milan das doch machen.

Als hätte er meine Gedanken gehört, fing Milan auch schon an, leise mit Claire zu reden. „Eurus ist... wie soll ich es ausdrücken. Er ist ein Kind." erklärte Milan und erntete dafür einen skeptischen Blick von Claire. Sie stand manchmal echt dermaßen auf dem Schlauch, das ging gar nicht.

„Du weißt schon. Im Osten geht die Sonne auf. Im Süden nimmt sie ihren Lauf. Im Westen wird sie untergehen den Norden wir sie niemals sehen." mischte ich mich nun in das Gespräch ein und wunderte mich selbst über meinen harten Tonfall. Sie schaute mich aus großen Augen an und einen Moment blitzte ... Bedauern in ihnen auf.

„Die Himmelsrichtungen verkörpern auch die Phasen des Alterns." erklärte Milan. Und deswegen fängt man normalerweise im Osten an, fügte ich in Gedanken hinzu. „Wieso haben wir dann mit dem Norden angefangen?" fragte Claire, als hätte sie meine Gedanken erraten.

Aber das war unmöglich. Wir konnten keine Gedanken lesen. Naja, außer bei Claire und mir, wir konnten uns in Gedanken unterhalten und ich zerbrach mir seit Wochen den Kopf, warum wir das konnten. Denn Normalerweise kann man KEINE Gedanken lesen.

Wir hatten es aus irgendeinem Grund nicht verraten. Warum wussten wir wahrscheinlich beide nicht so richtig. Aber das war mir egal. Würde ich eben alleine nach einer Lösung finden, diese dämliche Verbindung zu lösen. Sie ging mir nämlich in letzter Zeit, also eigentlich seit ich sie kenne, gehörig auf die Nerven.

„Weil Boreas der Lehrer ist und wir uns eigentlich mehr als einen Satz erhofft hatten." klärte ich sie leicht mürrisch auf, was mir wiederum einen irritierten Blick von allen einbrachte

Ich versuchte die Blicke aus zu blenden und widmete mich wieder dem Ritual. Ich nahm mir die Kräuter die ich braucht und bedauerte einen kurzen Moment, dass sie nur getrocknet waren, aber im Herbst war es nunmal schwer frische Frühlingskräuter zu beschaffen.

Von Gezüchteten wollte ich gar nicht erst anfangen, denn die waren echt grauenhaft. Zu viel Chemie, die meine Magie behinderte. Mit einem Puff verbrannten sie über meinem Feuer und ich zog die Energie aus dieser Reaktion, sodass ich sie nutzen konnte um einen Weg zum Tor der Himmelsrichtungen zu beschaffen.

Sowohl Kyle als auch Milan lieferten mir eine Menge Energie, zumindest im Vergleich zu Claire, aber ganz ehrlich, auf ihr Kraft konnte ich verzichten. Doch ich merkte ihr Bemühen mir ihre Kraft bereitzustellen, also griff ich danach und was ich sah schockierte mich, schockierte mich wirklich.

Ich spürte sie, spürte ihr Kraft, die nicht wenig war, sondern locker mit uns mithalten konnte.  Erschrocken griff ich einen Teil und zog mich zurück um meine Kraft mit der von Eurus zu verbinden, um einen Weg zu ihm zu öffnen. Nach wenigen Minuten schaffte ich es tatsächlich die gesammelte Kraft zu bündeln.

Sofort erschien ein Tornado, ähnlich dem von Kyle. Ich beobachtet unauffällig Claire, deren Pupillen sich weiteten. Ein Blick zu Kyle ließ mich kurz stocken. Er beobachtete unverwandt Claire. Doch Zeit um weiter darüber nach zu denken hatte ich nicht, denn Milan war bereits aufgesprungen.

Nach dem wir alle in den Tornado gesprungen waren fanden wir uns auf einer Lichtung voller Frühlingsblumen wieder. Eurus hatte mir einmal erzählt, dass das Tor bei jedem Hüter anders aussah. Ich wusste nicht wie das meines Vorgängers aussah, da ich nie danach gefragt hatte, doch ich wusste, dass diese Lichtung der perfekte Ort für mich war.

Vögel zwitscherten und es roch nach Frühlingsregen, so als wäre die Erde gerade erst rein gewaschen wurden. Ein kleiner Bach plätscherte fröhlich vor sich hin und bahnte sich einen Weg durch die Lichtung. Ein kleiner Junge kam sogleich angerannt und blieb vor uns stehen.

Man durfte Eurus nicht unterschätzen, denn obwohl er so jung schien, war er älter als die Welt. „Wir sind hier, weil wir wissen wollen,was hinter dem Fluch steckt." brachte ich direkt heraus. „Ich weiß." sagte Eurus mit seiner kindlichen Stimme. Ich hatte nichts anderes erwartet.

„Es ist regnerisch kalt. Das war unser erstes Hinweis." erklärte ich. „Interessant, interessant." murmelte Eurus und setzte gleich darauf erneut an zu sprechen: „Aber auf den Regen folgt immer die Sonne." „War das unser Hinweis?" fragte mich Claire in Gedanken. „Ja." sagte ich knapp.

„Wir danken dir für deinen Hinweis. Eurus, Hüter des Ostens." bedankte ich mich. Eurus und ich hatten eine andere Beziehung als Kyle und Boreas. Jede Beziehung zwischen den Hütern und den Trägern war anders. Wir waren zwar Hüter, aber die eigentlichen Hüter waren Boreas, Eurus, Notus und Zephyr.

„Warum kann uns niemand das gesamte Rätsel sagen?" fragte ich. „Wir können nicht von unseren Toren weg, das wisst ihr doch." erklärte der kleine, braunhaarige Junge vor mir. „Könnt ihr euch denn nicht anders unterhalten?" forschte ich nach. „Nein. Das ist einer der Gründe warum Teile von uns in euch wohnen. Warum ihr auch Hüter seid." erklärte er.

Es war sonderbar. Trotzdem er mein „Vorgesetzter" war, verstanden wir uns besser als alle Anderen.
„Könnt ihr uns nicht verraten, was wir suchen?" brachte ich das Thema noch einmal auf das Rätsel. „Sie weiß es." sagte Eurus und deutete auf Claire. Wir sahen sie alle einen Moment an.

Was verschwieg sie uns? Doch ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken.
„Ihr dürft gehen." verkündete er und schenkte uns ein Lächeln. Milan verschwand sofort durch den Tornado zurück, gefolgt von Kyle und Claire, die einen Moment zögerte, jedoch trotzdem ging, als ich ihr bedeutetet zu gehen.

„Du hast Fragen." Das war keine Frage von Eurus. Das war eine Feststellung. „Ja." antwortete ich daher nur. „Ich kann dir nicht sagen warum ihr verbunden seid. Oder warum du sie hasst." stellte er klar. Wie immer war ich überrascht, was er alles wusste.

„Weißt du wie ich diese Verbindung lösen kann?" fragte ich deshalb. „Du kannst sie nicht lösen. Es ist unmöglich." antwortete er nur. „Kannst du mir nicht sagen warum wir verbunden sind? Oder weißt du es nicht." forschte ich daher weiter."

„Ich kann es nicht. Du musst es selber herausfinden."