Kapitel 10 - Teil 3

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„Tut doch etwas! Sie verletzt sich sonst noch selbst, wenn sie so weiter macht", rief eine Stimme, die ich sofort als Milan identifizierte. „Aber was hat sie denn?"
Jace. Ich glaubte Panik in seiner Stimme zu hören, ebenso wie bei Milan.
Verwirrt schlug ich die Augen auf.

Das Bett in dem ich lag, wenn man es überhaupt noch Bett nennen konnte, war vollkommen zerstört. So als hätte ich wild um mich geschlagen.
„Was ist passiert?", wollte ich wissen und registrierte, dass meine Stimme nur noch ein leises krächzen war.

„Du hast geschrien und um dich geschlagen", bestätigte Jace meine Vermutung.
„Es war ein Albtraum", klärte ich sie auf.
„Von Azriel."
Ich würde sein Bild nicht mehr aus dem Kopf bekommen.

Er. Mit seinen Augen. Diesen Augen, die mir Schauer über den Rücken jagten.
„Worum ging es?", wollte Jace von mir wissen.
Ich schluckte.

Drei Augenpaare starrten mich erwartungsvoll an. War das der Moment, in dem ich von meinen Träumen erzählen sollte? Ob sich nochmal so eine Möglichkeit bieten würde war fraglich.
Unsicher, ob sie mich nicht für verrückt erklären würden, begann ich zu erzählen.

Und während ich das tat, wurde ihre Augen immer größer und ihre Blicke immer verwirrter.
„Denkst du, dass es sein könnte?", wandte sich Jace, nachdem ich geendet hatte, an Milan und dieser schien sich aus seiner Starre zu lösen.

„Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es so ist", mischte sich Kyle ein.
Verwirrt schaute ich zwischen den dreien hin und her.
„Was meint ihr?"

Jace holte tief Luft, bevor er anfing zu Reden.
„Es kann sein, dass du die Gabe des Sehens hast", eröffnete er mir und ich blickte ihn ungläubig an. Hilfesuchend suchte ich in Milan's Blick nach einer Bestätigung.
„Wie, wie meinst du das?", brachte ich stotternd hervor.

Jace schaute nun selbst unsicher abwechselnd zwischen Kyle und Milan hin und her. Langsam aber sicher fing ich an zu zweifeln. Was meinten sie denn?
Plötzlich begann ich zu realisieren, was das alles zu bedeuten hatte.

Erinnerungsfetzen stürzten auf mich ein.
Eurus, wie er auf mich zeigte und „Sie weiß es" sagte.
Notus, wie er mir unterstellte, dass ich es ihnen sagen konnte.

Mein Traum.
Er war die Vergangenheit. Wieso war mir das nie aufgefallen?
Ich hatte es verdrängt. Unterbewusst wusste ich es. Die ganze Zeit.

Eine unbeschreibliche Wut stieg in mir auf. Wut auf mich.
Ich hätte es erkennen können. Es wäre einfacher gewesen.

Meine Begleiter schienen die Gefühlsregungen in meinem Gesicht aufmerksam zu studieren.
Und in ihrer Mimik erkannte ich, dass sie gerade zum selben Schluss gekommen waren wie ich.
Ich schluckte.

Sie alle starrten mich mehr oder weniger entgeistert an.
„Wir suchen Camelot", brachte Jace in diesem Moment heraus.
Anscheinend war er zu anderen Erkenntnissen gekommen.

„Wieso Camelot?", wollte Milan wissen und stellte so die Frage, die mir unweigerlich auf der Seele brannte.
„Nunja", setzte Jace an, „Das Schloss von König Arthur war Camelot und da ich annehme, dass wir dort weitere Hinweise finden, wäre es sinnvoll nach Camelot zu reisen."

„Dir ist aber schon klar, dass bisher niemand das sagenumwobene Schloss von König Arthur gefunden hat oder?", wandte Milan ein und ich stimmte ihm zu, da Jace diesen Punkt anscheinend nicht beachtet hatte.
Doch wider Erwarten, hatte er auch dafür eine Lösung.

„Das Rätsel. Es führt uns nach Camelot", rief er erfreut und steckte uns mit seiner Euphorie an. Allerdings gab es auch da einen Schwachpunkt. Wir hatten das Rätsel noch nicht gelöst und ich bezweifelte, dass wir es jetzt schneller würden Lösen können.

„Milan, du googelst. Kyle, du gibst im Rat Bescheid, dass wir sofort nach Kairo aufbrechen. Claire, du... äh du packst dein Zeug zusammen", wies Jace an und ich schaute ihn stirnrunzelnd an. „Warum sagt eigentlich immer Jace was wir machen müssen?", fragte ich an die anderen beiden gewandt, die bereits mit ihren Aufgaben begonnen hatten und mich nun verwirrt anschauten.

„Ich bin der Osten. Der Anfang. Der Aufgang", erklärte Jace selbstverständlich und widmetet sich wieder was auch immer. Damit war das Thema erledigt und auch Milan und Kyle wandten sich wieder ihren Aufgaben zu. Ich starrte ihn jedoch nur verständnislos an.

Als Jace meinen Blick schließlich bemerkte, verdrehte er nur die Augen.
„Hör zu Claire, ich kann es weder ändern, noch habe ich mich dafür entschieden. Es ist eben so", erklärte er und drehte sich direkt wieder weg. Ganz klar. Für ihn war das Thema erledigt.

Ich überlegte kurz, ob ich weiter diskutieren sollte. Allerdings sah ich darin keinen Sinn, weshalb ich meine Sachen zusammenpackte und mich umzog.
Erst jetzt registrierte ich, dass es eigentlich noch mitten in der Nacht war.

Zumindest war es draußen noch dunkel.
Doch trotzdem war ich nicht müde und auch meine Begleiter zeigten nicht einen Anflug von Müdigkeit.
Irgendwie hatte ich jedoch die Ahnung, dass wir es noch bereuen würden, so wenig geschlafen zu haben.

*

Oha. Die Pyramiden. Ich hatte sie mir nie so eindrucksvoll vorgestellt. Völlig überwältigt stand ich nun vor ihnen in der heißen Mittagssonne. Überall waren Touristen, aber dank Kyle begannen sie ebenso wie in Kapstadt langsam zu verschwinden.

Nicht mehr lange und wir würden mit dem Ritual beginnen. Mir war seit der Ankunft in Kairo schlecht. Nein, Schlecht traf es nicht im geringsten. Mir war Kotzübel. Vor Aufregung.
Jace hatte mir unzählige Male eingeschärft, was ich nun zu tun hatte. Doch ich war trotzdem verunsichert.

Ich kannte den Spruch, wusste wie das Ritual ablaufen würde.
Wovor ich soviel Angst hatte konnte ich selbst nicht einmal sagen. Wahrscheinlich vor der Möglichkeit zu versagen.
„Du schaffst, das schon. Denk immer dran, wenn du versagst könnte die Welt untergehen."

Erschrocken schaute ich Jace an. „Das macht mir nicht gerade Mut, weißt du das?" fuhr ich ihn an. Zu spät erkannte ich, dass er mir wirklich nur helfen wollte, denn sein Blick wurde direkt wieder finster.
„Lasst uns beginnen", versuchte Milan die Situation zu entspannen.

Stumm stimmte ich zu. Als auch der letzte Besucher verschwunden war, begaben wir uns zu den Pyramiden. „Ich dachte man darf nicht in die Pyramiden?"
„Darf man auch nicht", bestätigte Milan und ein schelmisches Grinsen umspielte seine Lippen.

„Also machen wir gerade etwas Illegales?", fragte ich ehrlich schockiert.
„Ich würde es nicht direkt illegal nennen wollen", meinte Milan und zwinkerte mir zu.
Ich seufzte, bevor ich ihm antwortete.

„Na dann lasst uns Verbrecher werden."

Hüter der HimmelsrichtungenWhere stories live. Discover now