Kapitel 12 - Teil 3

758 105 66
                                    

Ich wechselte den Ort, sodass ich direkt hinter Azriel auftauchte. Bevor dieser begriff was passierte, hatte ich bereits ein Messer in seinen Rücken gerammt.
Ich erschrack selbst über mich und taumelte einen Schritt zurück.
Es ging so leicht, wie als würde ich Butter schneiden.
Azriel drehte sich jedoch nur um, ohne überhaupt Notiz von dem Messer zu nehmen.
Mir schwante übles.
Azriel weilte seit Jahrtausenden auf dieser Erde. Das bedeutete... er war unsterblich.
Ich konnte ihn nicht verletzen.
Aber wie hatten die Anderen es dann geschafft ihn zu vertreiben?
Es musste eine Möglichkeit geben.
Meinen pochenden Arm ignorierend, schuf ich ein Schwert.
Einen Schwertkampf konnte ich gegen ihn nicht gewinnen. Allerdings schien es die einzige Möglichkeit, um gegen ihn anzukommen.
Azriel musterte mich mit einer Mischung aus Abneigung und Verwunderung. Ganz so, als hätte er nicht damit gerechnet, dass ich mich wehren würde.
Ich war selbst von mir überrascht, wie mutig ich war, als ich einen Schritt nach vorne trat und meine Klinge erhob.
„Genauso wie deine Vorfahrinnen", murmelte er zu sich selbst, doch ich hörte es trotzdem.
„Du kanntest sie oder? Morighan?", wollte ich wissen.
Mein Gegner schaute mich überrascht an. Seine Schultern sackten kaum merklich ein und sein sonst so junges Gesicht, war nun deutlich von der Zeit gezeichnet.
Von der Zeit. Und von unendlicher Trauer, ganz so, als hätte er mehr Leid erfahren, als eine einzelne Person ertragen konnte. In diesem Moment erschien er menschlicher, als ich es je für möglich gehalten hätte.
„Ja", brachte er mit kratziger Stimme heraus.
Ich wollte eine weitere Frage stellen, doch er hob sein Schwert erneut und straffte seine Haltung. Schneller als ich es für möglich gehalten hätte, war dieser Moment der Schwäche also vorbei.
Unsicher hob auch ich meine Klinge und hielt sie vor mich.
Keiner von uns machte den ersten Schritt.
Mit einer geschmeidigen Bewegung, fing Azriel allerdings an meine Verteidigung durchbrechen zu wollen.
Unter dem Aufbringen all meiner Kraft schaffte ich es tatsächlich den Schlag abzubrechen.
Sofort schoss der Schmerz in meinen rechten Arm und ich bereute es, dass ich diesen verwendet hatte.
Nur leider war das notwendig, denn allein mit meinem linken Arm schaffte ich es nichtmal die Waffe aufrecht zu halten. Noch nie zuvor hatte ich mich so schwach gefühlt, wie in dem Augenblick, als Azriel anfing richtig zu kämpfen.
Nur mit großer Mühe schaffte ich es zwei seiner Schläge auszuweichen. Er wurde immer schneller und schließlich blieb mir nichts anderes übrig, als den Ort zu wechseln. Schneller als der Schall wich ich nun den Angriffen aus. Es war wirklich ein Wunder, dass mir nicht schwindelig wurde.
In meinem Kopf legte ich mir einen Plan zurecht. Ich würde Azriel erstarren lassen und dann entwaffnen. Bei dieser Idee hatte ich nur leider nicht bedacht, dass ich meine gesamte Kraft für das Ausweichen brauchte.
„Claire!", erklang die wütende Stimme von Jace erneut in meinem Kopf.
Abgelenkt achtete ich nicht auf meinen Gegner, der seine Chance sofort nutzte und mit seinem Schwert mein Bein traf. Mir entwich ein schmerzerfülltes Stöhnen. Tränen stiegen in meine Augen und ich ließ meine Waffe fallen. Meine eine Hand presste ich auf die Wunde.
In der Anderen ließ ich ein Messer erscheinen, welches ich auf Azriel schleuderte. Doch dieser schaffte es auszuweichen.
Mit einem weiteren Schlag traf er auch mein anderes Bein und ich ging in die Knie.
Schmerz erfüllte mein gesamtes Denken.
Ich wusste nicht wie ich die Blutung stoppen sollte. Über mir spürte ich die Gestalt von Azriel.
Er würde mich töten. Ich wusste es.
Ängstlich schloss ich meine Augen, unsicher, was als nächstes passieren würde.
Innerlich gab ich auf.
Würde es wehtun zu sterben?
Würde er mich schnell töten? Und mich von den Schmerzen befreien?
Doch Azriel tat nichts. Er stand einfach nur da. Jeden Moment würde die Klinge seines Schwertes in mich eindringen.
Wieso zögerte er?
Ich traute mich nicht meine Augen zu öffnen oder mich zu bewegen.
Erneut roch ich den Geruch der Narzissen. Lina. Wenn ich jetzt starb, würde er ihr nichts tun, denn dann wäre sie niemanden mehr ein Druckmittel.
Ich spürte eine Klinge an meinem Hals und schluckte.
Für Lina würde ich sterben. Vorsichtig öffnete ich meine Augen.
Ich würde keine Angst zeigen.
Mein Blick wanderte auf meine Beine. Meine Oberschenkel zierten je eine tiefe Wunde. Blut strömte noch immer aus ihnen heraus, aber ich spürte den Schmerz kaum noch. Ich war wie in Watte gepackt, bekam nichts von meiner Außenwelt mit.
„Ich werde dich nicht töten Claire", versprach Azriel. Langsam zog er die Klinge ein Stück von meinem Hals weg.
„Du wirst mitkommen und ich werde dich zum Chaos bringen, denn du bist die Einzige die diesen Fluch brechen kann."
Nein. Alles, nur das nicht.
Dann würde ich lieber tot sein, als zu seinem Meister gehen zu müssen.
Schritte ertönten im Gang. Ein Hotelgast trat um die Ecke.
Im Bruchteil einer Sekunde war er tot.
Ich beobachtete schockiert, wie er röchelnd zusammenbrach. Das Messer, das Azriel geworfen hatte, steckte in seiner Halsschlagader.
Mein Blick huschte zwischen ihm und Azriel hin und her. Er hatte ihn ohne zu zögern umgebracht. Warum? Dieser Mensch hatte ihm nichts getan und doch..
Lässig ließ er sein Schwert sinken und schaut auf mich herab. „Ich will, dass du mir hilfst die Hüter zu vernichten, so wie es all deine Vorfahrinnen vor dir versucht haben."

Hüter der HimmelsrichtungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt