Kapitel 20 Theresa Teil 3

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Ich würde sterben. Wegen einem Fluch, den meine Vorfahrin gesprochen hatte. Ich schluckte hart. Mein Leben hing davon ab, ob wir diesen Fluch brachen.
Mein Leben und die ganze Welt.
Claire würde versagen. Sie war dieser Aufgabe nicht gewachsen. Alles lastete auf ihren Schultern. Zu viel.
„Wenn wir diesen Fluch nicht brechen", setzte ich an, brach jedoch ab.
„Dann wird das Chaos siegen und du wirst sterben", vollendete Julien den Satz für mich.
Ich konnte mich gerade so aufrappeln und zum Eingang der Höhle rennen, bevor ich mich wieder und wieder übergab.
Julien stand die ganze Zeit bei mir. Auch wenn er keine Hilfe war, beruhigt mich seine bloße Anwesenheit. Als sich schließlich mein gesamter Mageninhalt, die sowieso unappetitliche Pasta, die ich im Flugzeug gegessen hatte, nicht mehr in meinem Magen befand, reichte er mir wortlos eine Flasche Wasser, mit der ich wieder und wieder meinen Mund ausspült um dem mehr als ekelhaften Geschmack zu entfliehen.
Meine Hormone spielten verrückt. Man nannte es Liebe.
Vielleicht lag es auch daran, dass mir wahrscheinlich nur wenige Tage mit meiner wahren Liebe blieben. Wenige Tage, die ich nutzen musste.
„Wir müssen diesen Fluch brechen."
Ich nickte nur zustimmend. Doch dafür brauchten wir Claire und ich hatte keine Ahnung wo genau die sich gerade herumtrieb.
„Lass uns wieder in die Höhle gehen", schlug Julien vor und zog mich hoch.
Auf wackeligen Beinen lief ich an seiner Seite wieder zurück. Er stütze mich, so gut es ging.
„Was ist das überhaupt für eine Höhle?", wollte ich wissen und schaute mich genauer um.
„Man nennt sie Merlins Höhle", erklärte er mir.
Ich fischte mein Smartphone aus der Tasche meines Trenchcoats und schaltete die Taschenlampe ein.
Wenn das hier Merlins Höhle war, dann musste das etwas bedeuten. Der Rat hatte mich schließlich nicht umsonst nach Camelot geschickt, wo angeblich die Tafelrunde entstand.
Mithilfe der Taschenlampe strahlte ich die Wände an.
„Wenn Merlin hier tatsächlich etwas hatte, dann hätten die Wissenschaft es schon längst gefunden", wandte Julien ein, der mich noch immer stützte.
„Ich weiß", gab ich kleinlaut zu und ließ die Hand, in der ich die Lampe hielt, sinken.
Doch Julien tat etwas, das ich nicht erwartet hatte. Normalerweise musste ich die Menschen erst dazu bringen das zu tun, was ich von ihnen wollte.
Julien jedoch holte einfach sein eigenes Handy hervor und half mir beim Ausleuchten der Höhle, ohne das ich auch nur ein einziges Wort gesagt habe.
„Kannst du allein stehen?", wollte er wissen und schaute mich an, „dann könnten wir uns aufteilen und wären schneller fertig."
Ich nickte. Vorsichtig ließ Julien mich los. Sobald ich seinen Arm nicht mehr um meine Taille spürte, fühlte ich mich wieder allein. Doch er war da, direkt vor mir und schaute mich besorgt an.
„Bist du sicher, dass du allein laufen kannst?", fragte er erneut.
„Ja, ich schaffe das", versicherte ich ihm und trat demonstrativ einen Schritt nach vorn.
Julien streckte schon die Hände aus, bereit, mich jederzeit aufzufangen. Doch ich hielt mich auf beiden Beinen und lächelte ihn an.
Irgendetwas in seinen Augen begann zu funkeln und er schaute mich verschmitzt an, bevor er einen Schritt nach hinten trat. Ich folgte ihm. Mit dieser Methode lief er zur Wand am Ende der Höhle und ich spürte, wie ich mit jedem Schritt sicherer wurde. Als wir die Wand erreicht hatten, lächelte er leicht, bevor er anfing die Wand abzusuchen.
„Ich geh nach rechts, du nach links, okay?", schlug er vor und deutete in die jeweiligen Richtungen.
„Was sollte ich dagegen haben, es ist doch egal, wer in welche Richtung geht", erwiderte ich schmunzelnd.
„Ich wollte dir nichts aufzwingen, was du eigentlich gar nicht willst", erklärte er und kratzte sich unsicher am Hinterkopf.
Er war nicht wie der Rat, der mir einfach sagte, was ich zu machen hatte, oder wie meine Ballettlehrerin, die mir nur Anweisungen gab.
Julien fragte nach meiner Meinung. Ihn interessiert es wirklich, wie es mir ging. Klar, meine Familie interessierte es auch, aber Claire war sowieso zu naiv und meine Eltern auf ihren Job fixiert. Ich war immer die Hüterin. Ich wurde nicht gefragt, ob ich eine sein wollte. Ich musste meine Schule verlassen, ohne dass ich gefragt wurde.
Auch wenn ich augenscheinlich das bessere Leben führte, auch wenn alles perfekt war, hatte ich meine kleine Schwester immer beneidet. Um die Freiheit, die sie hatte.
Die ich nicht hatte und wahrscheinlich auch nie mehr haben würde.
„Theresa? Ist alles okay?" Juliens Stimme drang in mein Ohr. Er stand dich neben mir und musterte mich schon wieder besorgt.
„Ja, klar." Ich tappte in die Richtung, in der ich suchen sollte und schaltete bereits im Gehen die Taschenlampe meines Smartphones ein.
„Wenn irgendetwas ist, ruf einfach, ich bin direkt auf der anderen Seite", teilte Julien mir mit. Ich drehte mich zu ihm um und lächelte dankbar, was er in der Dunkelheit wahrscheinlich nicht sehen würde. Genauso wenig wie meine verdreckten Schuhe und meinen Pullover.
„Danke, werde ich machen." Mit der Taschenlampe leuchtete ich in seine Richtung. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, doch in seinen Augen glomm immer noch ein Funken Besorgnis.
„Ich komme klar, wirklich", versicherte ich ihm.
Einen Augenblick standen wir einfach nur gegenüber. Obwohl wir nicht direkt beieinander standen, fühlte sich dieser Austausch intensiver an, als alles, was ich je erlebt hatte.
Bis ich den Blick abwandte und mich wortlos daran machte die Wand nach geheimen Nischen oder Mechanismen abzusuchen.

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Wie sympathisch ist euch Theresa?
Wie sympathisch ist euch Julien?

Ich wüsste gern wie die beiden Figuren bei euch ankommen und ob sie den gewünschten Eindruck erzielen. :D

Hüter der HimmelsrichtungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt