Kapitel 9 - Teil 2

932 114 56
                                    

Während Azriel das nächsten Messer warf, fiel es mir endlich wie Schuppen von den Augen. Durch meine Erkenntnis, dass Ich Jace über meine Gedanken erreichen konnte, war ich zu unaufmerksam und so traf mich das Messer am Oberarm.

Ich konnte gerade so einen Schmerzensschrei unterdrücken, als dieser sich einen Weg nach oben bahnte. Fast sofort strömte Blut aus der Wunde. Mit einem Ruck zog ich das Messer heraus.
Jace." schrie ich panisch, da ich jetzt schnell handeln musste. „Was ist?" ertönte es fast sofort, da er anscheinend die Dringlichkeit in meiner Stimme gehört hatte.

Hilfe." brachte ich heraus, bevor ich dem nächsten Messer ausweichen musste, welches sich beinah erneut in meinen Arm gebohrt hätte. Meine Kräfte reichten kaum aus um die Geschosse zu verlangsamen, geschweige denn anzuhalten.

Glücklicherweise stand Jace schon einen Moment später in meinem Zimmer.

Milan und Kyle erschienen kurz darauf.
Sie erfassten die Situation mit einem Blick und während Jace und Kyle sich um Azriel kümmerten, kam Milan zu mir und begann vorsichtig meine Wunde zu untersuchen und anschließend die Zellen des Gewebes wieder zu verbinden.

Gemeinsam waren Kyle und Jace Azriel überlegen. Als dieser jedoch bemerkte, dass er unterlegen war, flüchtetet er aus dem Fenster.
Doch anstelle, dass er auf dem Boden aufschlug, wie ich es vermutetet hatte, spannte er fledermausartige, mit Schuppen besetzte Flügel aus, die ich zuvor nicht gesehen hatte und flog damit gen Himmel.

„Danke." sagte ich mit kratziger Stimme, an niemand Bestimmten gewandt. „Theresa hatte Recht. es war eine Weile lang zu ruhig." brachte Jace schließlich heraus. „Wir hätten vorbereitet sein müssen." meinte Milan, während er immer noch meinen Arm heilte.

„Ich kannte Azriel, das war der Typ, vor dem Kyle mich gerettet hat." erklärte ich. „Er ist ein Scherge des Chaos oder?" hakte ich nach, als Niemand etwas sagte. „Ja" stimmte Kyle zu, „wahrscheinlich der Mächtigste von allen, denn er ist ein jahrhundertealter Inordinati, keiner weiß wie alt er wirklich ist, oder wie mächtig."

„Was ist ein Inordinati?" wollte ich wissen und bekam tatsächlich sofort eine Antwort. „Inordinati sind halb Mensch, halb Vogel und beinah unsterblich, zumindest können sie ziemlich alt werden." erläuterte Milan, der meine Wunde mittlerweile vollständig geschlossen hatte.

„Und je älter sie werden, desto mächtiger." fügte Jace hinzu. Ich schluckte. Wenn er Jahrhunderte alt war, wie mächtig musste er dann wohl sein?

„Wie hat er uns gefunden?" verlangte ich zu erfahren. „Ich weiß es nicht." meinte Kyle niedergeschlagen, „Eigentlich habe ich eine Art Schutzzauber um uns gelegt um unsere Magie zu verschleiern. Es ist beinah unmöglich uns anhand dieser zu finden, selbst für einen so mächtigen Inordinati wie Azriel."

Ich dachte zurück an die Animaren die mich, nachdem ich das Gebäude verlassen hatte, auch gefunden hatten. Da hatte Jace mich gerettet. Wie Heute.
„Was machen wir jetzt?" fragte ich.

„Theoretisch könnte es Zufall gewesen sein." meinte Milan, doch auch er schaute skeptisch. „Kyle? Hatt dein Schutzzauber die ganze Zeit gehalten?" wollte Jace wissen. „Ja" antwortete der Angesprochene nur knapp. „Das bringt uns nicht weiter, wir müssen das Tor des Südens öffnen." wandte Milan ein.

„Was wäre wenn wir unseren Zeitplan ändern, damit uns niemand verfolgen kann, wenn das Chaos unseren Plan kennen sollte?" versuchte ich einen Vorschlag zu bringen. „Das könnte tatsächlich funktionieren." erwiderte Jace nachdenklich.

„Wir packen jetzt sofort und treffen uns in fünf Minuten hier." legte dieser fest und verschwand schon im selben Moment, ohne eine Antwort abzuwarten. Mir war nicht besonders wohl bei dem Gedanken allein hier zu bleiben, doch ich schien keine wirklich große Wahl zu haben, denn auch Milan und Kyle ließen mich nach einem kurzen Zögern allein.

Hektisch suchte ich meine Sachen zusammen, die nicht weit verstreut waren, sodass es mich kaum Zeit kostetet. Eine Minute später, als ich gerade aus dem Bad kam, saß Jace bereits in einem der beiden Sessel und beobachtete mich aufmerksam.

„Du bist schon fertig?" fragte ich verwundert. „Ich habe mich beeilt." beantwortete er kurz angebunden und wandte sich dem Fenster zu.

Wie abgesprochen waren fünf Minuten später auch die anderen Jungs bei mir im Zimmer und wir machten uns bereit zum Auschecken.

Eine weitere halbe Stunde später saßen wir bereits in einem Taxi und waren auf dem Weg zu einem Berg, namens Signal Hill, den man schon aus einigen Metern Entfernung sehen konnte. „Wenn das mit den Himmelsrichtungen etwas mit dem Lauf der Sonne zu tun hat, warum machen wir dann die Rituale nicht zum passenden Sonnenstand?" wollte ich wissen, da mir der Sonnenuntergang auffiel, der eigentlich für den Westen stand.

„Es ist tatsächlich einfacher, wenn man das Ritual zum jeweiligen Sonnenstand durchführt, da man zu diesem Zeitpunkt die Kraft besser bündeln kann, allerdings sind wir drei mittlerweile in der Lage diese Kräfte zu jeder Zeit zu bündeln." erklärte Jace.

Also zu Deutsch: Ich war noch zu blöd dazu. Allerdings sagte ich das nicht laut, da ich keinen neuen Konflikt herauf beschwören wollte. „Werden wir das Tor des Westens im Sonnenuntergang öffnen?" forschte ich nach und Jace bestätigte meinen Verdacht mit einem einfachen Nicken.

„Aber mit ein bisschen Übung wirst du es auch bald ohne können." versuchte Milan mich aufzumuntern, was allerdings nicht viel brachte, da meine Motivation gerade sank und ich bezweifelte, dass ich es jemals schaffen würde.
Den Rest der Fahrt schwiegen wir alle und ich starrte weiterhin aus dem Fenster, während wir dem Berg immer näher kamen.

Als wir schließlich ausstiegen und anfingen den Berg hinaufzulaufen, schwiegen wir immer noch, doch da ich diese Stille nicht mehr aushielt, holte ich mein Handy hervor um Musik zu holen. Allerdings hatte ich ein Problem, da ich keine Kopfhörer dabei hatte, auch nicht in meinem Rucksack.

Ich wollte mein Handy also direkt wieder wegstecken, bis mir einfiel, dass Jace mir gezeigt hatte, wie man ein Notizbuch materialisiert. Vielleicht schafft ich es ja auch mit Kopfhörern. Einen Versuch war es jedenfalls wert.
In meinen Gedanken stellte ich mir normale Kopfhörer vor. Ihre glatte Oberfläche, die Kanten und Rundungen.

Und auch wenn es ca fünf Minuten brauchte, in denen ich beinah verzweifelt wäre, hielt ich schlussendlich tatsächlich Kopfhörer in meinen Händen. Stolz, dass ich es mittlerweile schaffte Magie anzuwenden, steckte ich sie ein. Doch bevor ich Musik anschalten konnte, bemerkte ich, dass Jace mich beobachtete und die Augen verengt hatte.

„Was ist?" fragte ich erschrocken, da ich nicht wusste, wie ich diesen Ausdruck deuten sollte. „Das kann doch nicht dein Ernst sein. Was wäre wenn du deine Kräfte brauchen würdest, um dich zu verteidigen?" schnauzte er mich an, doch bevor ich etwas erwidern konnte, meckerte er schon weiter. „Unser aller Kräfte sind durch Azriel geschwächt. Wir können es uns nicht leisten, dass du sie für so etwas Sinnloses nutzt."

Ich schluckte. Daran hatte ich nicht gedacht. Innerlich verfluchte ich mich für mein unüberlegtes Handeln. Jace musterte mich finster, bevor er sich umdrehte und weiter den Berg hochstapfte.
Niedergeschlagen trottete ich ihm hinterher.

Hüter der HimmelsrichtungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt