Platzierte, verkopfte, elegalante Gemischtes Hack Story

#88 Optimismus

24. November, 4:05 Uhr

In Berlin kann man trotz der vielen Einwohner ziemlich allein sein.
Auch, oder vielleicht vor allem in der eigenen Wohnung.
Es ist einer dieser Tage, an denen er die lange Seite der Bettdecke nicht von der kurzen unterscheiden kann. Vor allem nicht im Dunkeln.
Einer dieser Tage, an denen er sein Kissen noch so oft und akribisch aufschütteln und richten kann, es wird einfach nicht besser, nicht angenehmer.
Einer dieser Tage, an denen er auch um vier Uhr noch wach liegt und ohne jemandem neben sich einfach nicht einschlafen kann.
An denen er zu diesen Uhrzeiten immer und immer wieder nach dem Handy greift, um seinem Freund zu schreiben, der ihm so unsäglich fehlt.
Und wie immer, wenn es so ist, stellt sich heraus, dass auch Tommi wach liegt und seine Nachricht sofort ließt.
Tommi, der in Köln in seiner Wohnung ist, für Felix' Geschmack viel zu weit weg von ihm.
Es ist einer dieser Tage, an denen auch die Bauchschmerzen den Berliner plagen und wach halten.

<<Ich hab so todes Bauchschmerzen😞 Kommst du streicheln?>>

<<Fuck. Geht leider nicht. :( Ist Julian oder so da?>>

<<Nee, hilft da auch nicht.>>
<<Ich brauch dich>>
<<Ich lieg hier nur mit ner leblosen Wärmflasche aber ich will meinen Tommi:(>>

<<Hey bisschen Optimismus bitte. Wir sehen uns doch bald wieder. >>

<<Ja, aber erst in 4 Tagen. Das viel zu lang. Und die Bauchschmerzen überleb ich bis dahin nicht>>
<<So groß kann ich „ICH VERMISSE DICH“ gar nicht schreiben. :(>>

<<ich vermiss dich auch total. aber die vier Tage sind schneller vorbei als du denkst. glaub mir :)>>

<<alter gleichzeitig bin ich horny>>
<<deine löckchen fehlen mir>>
<<Wenn du wieder da bist haben wir den ganzen Tag, den ganzen Abend und die ganze Nacht Sex ok?>>
<<der orgasmus beim wichsen is einfach nicht der gleiche. auch wenn ich an dich denke...>>

<<JA! Geht mir genauso. Ich vermiss deine Lippen so unfassbar sehr>>

<<ich deine auch.>>
<<und deine augen>>
<<dein oberlippenbart, wenn du zu faul bist zum rasieren.>>
<<deine nase>>
<<man, alles einfach an dir..>>

Ab dieser Sekunde kann Felix nicht anders und beginnt eine Sprachnachricht aufzunehmen. Ihm ist es egal, ob sein Freund die gerade hören kann.
"Weißt du, manchmal mach' ich mir einfach 'ne Wärmflasche voll und leg' sie auf meinen Oberkörper. Das fühlt sich so ähnlich an wie wenn du auf mir liegst und wir kuscheln."
Er fährt sich mit dem Daumen über die Brust.
"Ich hab' zwar Micha hier, aber das is' nicht das Gleiche."
Zwölf Sekunden. Die Zeit wird er wohl haben.
Felix muss schmunzeln, weil er sofort hört.
<<Das ist mega süß. und es tut mir leid. aber wir machen alles, worauf wir bock haben, wenn wir uns wiedersehen. versprochen.>>

<<dann kann ich morgens endlich wieder in dein verschlafenes gesicht gucken😂>>
<<apropos schlafen. ich gehe jetzt schlafen. zumindest versuche ich es wieder. das solltest du übrigens auch tun.>>
<<je mehr wir schlafen, desto schneller sehen wir uns wieder>>

<<das stimmt. Gute Nacht ;)>>

Eigentlich freut sich Felix. Dann spürt er wieder dieses Ziehen im Bauch, das ihn aus dem siebten Himmel wieder in sein Bett holt. Eine neue Matratze bräuchte er eigentlich auch mal. Seufzend lässt er den Kopf in das Kissen fallen und schließt die Augen. Tommi ist offline gegangen, Felix weiß nicht mehr, was er schreiben soll. Ob er noch etwas schreiben soll. Er wird jetzt eh noch nicht schlafen. Nicht schlafen können. Und wenn, träumt er von Tommi. Er will nur, dass sein Freund genug Schlaf bekommt. Seine eigenen Gedanken sind viel zu laut. Wie Poltergeister.
Ist ihre Beziehung gescheitert? Haben sie sich nichts mehr zu sagen? Sind sie zu distanziert? Isst er auch genug? Kommt er zurecht? Wie ist der Kontakt zu Selina? Vermisst er mich genauso? Was ist, wenn...?
Felix zweifelt. Weil er nicht weiß, was bei seinem Freund gerade los ist. Sie haben sonst immer alles zusammen gemacht. Nur per Internet mitzubekommen, dass Tommi jetzt etwas bestimmtes tut, macht ihn nervös. Es ist komisch. In diesem Moment, allein in seinem dunklen Schlafzimmer, realisiert Felix, wie wichtig ihm der Kölner wirklich geworden ist.
Seit Längerem spürt er wieder so richtig, was es bedeutet, jemanden zu vermissen. So sehr zu vermissen, dass es wirklich wehtut und ihn einschränkt.
Er fühlt sich ausgelaugt und energielos, wenn sein Freund nicht da ist, hat keine Motivation zum Sport zu gehen und liegt den ganzen Tag nur irgendwo herum. Zu den Meetings, die er hat, kann er sich gerade so aufraffen, um danach wieder in sein Bett zu fallen.
Und dann sind da wieder die Gedanken, die kreisen, die so schnell sind, dass er sie nicht stoppen kann, dass er davon Kopfschmerzen bekommt.

Der Neuköllner schlägt sich mit der Hand mehrmals gegen den Kopf und kneift die Augen zusammen. Die Dämonen sollen verschwinden, am liebsten würde er sie erschlagen, für immer auslöschen. Nur ist das leider nicht so einfach. Diese Erfahrung musste er bereits mehrmals machen. Felix seufzt, öffnet die Augen wieder und entsperrt sein Handy. Das Display kommt ihm auf einmal viel zu hell vor.
Tommi ist online, er selbst an der Reihe zu schreiben. Ein rotes Herz ist was er noch digital schreibt. Es schlägt mindestens genauso stark wie das in seiner Brust.
Unüberlegt pfeffert er das Gerät durch den Raum und greift dann nach seinem Notizbuch, das sich immer in Reichweite befindet.
Nachdem er die Nachttischlampe angeknipst hat blättert Felix bis zu den letzten Seiten und öffnet den blauen Billo-Kugelschreiber.

"Lieber Tommi"
fängt er an zu schreiben und setzt dann ab. Die Abwesenheit seines Freundes fördert seine Kreativtät nicht wirklich.
"Ich vermisse dich. Es ist fünf Uhr morgens und ich kann nicht schlafen. In vier Stunden muss ich aufstehen. Und es sind immernoch mehr als drei Tage bis wir uns sehen. Das ist noch schlimmer als beim Comedypreis. Da saßen wir zwar zwei Stunden dumm rum, haben uns aber zumindest gesehen. Ist auch schon wieder einen Monat her..."

Samma, ist euch das eigentlich zu viel Felix-Fokus? Ich versuche, die Verteilung ungefähr gleich zu halten, aber Felix zieht mich einfach vom Schreiben her mehr an. Schreibt mal.
Info: Dieses Kapitel dient nur als Vorlauf für einen Flashback zum Comedypreis- den kann ich ja nicht unkommentiert lassen. Kleiner Spoiler: danach gibt's TZEX!
LG