#59 Libanese als Engländer

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Haut mal bitte in die Kommentare, ob es euch lieber wäre, wenn ich samstags hochlade. Oder weiterhin Mittwoch.

Perspektive Felix Manuel Lobrecht

"Wir müssen unbedingt mal wieder 'was zusammen machen. So im Reallife." schlage ich vor, als wir nach der Aufnahme noch über Facetime reden.
"Gerne." erwidert er und lächelt.
"Hast du schon was im Plan?"
"Irgendwas charity-mäßiges."
Mit einer Konkretisierung warte ich noch einige Sekunden auf seine Reaktion, obwohl ich etwas genaues im Kopf habe. Er schaut mich nur erwartungsvoll an.
"Hättest du Bock auf Blutspenden?"
"Du kleine Wohltätigkeitsmaus." lacht er, nickt aber.
"Ja. Bin dabei."
"Sehr schön."
Es freut mich wirklich.

"Du bist doch eh bald in Berlin, oder? Da such' ich was raus und dann könnten wir das machen."
Er nickt wieder und ich erinnere mich daran, dass er vor der Aufnahme meinte, dass er nicht viel Zeit hat.
Wir verabschieden uns kurz, ich lege auf und muss unweigerlich an Nadeln denken, die ich bei einer Blutspende wohl nicht umgehen kann.
Aber Tommi wird ja dabei sein.

-

Flüchtig und mit zittrigen Fingern schließe ich den Tab "Ihre erste Blutspende? - Über die Blutspende beim DRK", als ich Tommi aus dem Augenwinkel auf mich zukommen sehe.

"Hi, wie geht's? Gut siehst du aus." begrüßt er mich und wir umarmen uns. Für einen kurzen Moment verspüre ich das Gefühl des Genusses.
Wir treffen uns vor meiner Wohnung, ich habe in Friedrichshain-Kreuzberg einen Ort ausfindig gemacht, der ungefähr drei Kilometer entfernt liegt.
Von meinem Plan, dass wir das erste Stück fahren und das Auto dann am May-Ayim-Ufer abstellen, weiß Tommi bereits.
Gemeinsam laufen wir zu meinem AMG, steigen ein und ich fahre los.
Die restlichen ungefähr zehn Minuten laufen wir über die Oberbaumbrücke und an der Spree entlang zur Mercedes-Benz-Arena.
Wie aufgeregt ich tatsächlich bin, merkt er mir wohl nicht an.

Die Wege zu den einzelnen Stationen sind ziemlich idiotensicher ausgeschildert, was meinen Puls senkt.
Manchmal habe ich zwischendurch das starke Bedürfnis, nach Tommis Hand zu greifen und darin Halt zu suchen. Aber ich schaffe es auch so. Ich will in der Öffentlichkeit nicht dieses Bild abgeben, um ehrlich zu sein.

Tommi kommt die ganze Zeit sehr souverän rüber, als habe er in seinem Leben nichts anderes getan, als sich dafür anzumelden, dass ihm gleich ein halber Liter Blut aus der Armbeuge abgezapft wird, der später einen anderen Körper durchströmt.
Nur eines fällt mir dazu ein: tiefster Respekt.
Ich folge ihm eher wie ein schüchterner Hund an der Leine seines Herrchens.

Zum Ausfüllen der Spenderfragebögen werden wir in getrennte Räume geführt.
Bereits Frage 16 lässt mich schlucken und verfrachtet mich gedanklich in einen nie dagewesenen Zwiespalt:
"Hatten Sie schon einmal Sexualverkehr mit einem anderen Mann? □ ja □ nein
Wenn ja, fand dieser Kontakt innerhalb der letzten 12 Monate statt? □ ja □ nein"
Was kreuzt Tommi an?
Wie ehrlich ist er?
Wir beide wissen, dass zwei Mal "Ja" ein absolutes Ausschlusskriterium für eine Blutspende ist.
Wir wissen auch, dass es total bescheuert und rückschrittlich ist. Aber wir können es in diesem Moment nicht ändern.

Ich bin allein in dieser Situation gefangen.
Einerseits will ich Blut spenden, wirklich. Ich will nicht den Schwanz einziehen müssen, jetzt, wo ich einmal hier bin, nur, weil ich ihn vorher in einen anderen Mann gesteckt habe.
Es ärgert mich zutiefst, dass gewillte Menschen wegen so einer Sache nicht für eine Blutspende zugelassen werden. Dass Homosexualität immernoch bei einer öffentlichen Institution so klischeebehaftet sind, halte ich für unmöglich. Denn Eines ist klar; Männer, die mit anderen Männern sexuellen Kontakt haben, sind weniger umsichtig, verhüten weniger und gehen öfter fremd. So ist natürlich ihr Risiko für Geschlechtskrankheit weitaus höher.
Innerlich schlage ich mir mit der flachen Hand auf die Stirn, als ich daran denke, dass das das Bild ist, das in vielen Köpfen vorherrscht.
Es ist einfach nur unfair und diskriminierend.
Noch nie habe ich mich vom Nachteil einer gesellschaftlichen Gruppe so aggressiv angegriffen gefühlt, was mich erst seit Kurzem betrifft.

Platzierte, verkopfte, elegalante Gemischtes Hack Story Where stories live. Discover now