#13 Danke. Vielen Dank. Danke.

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Perspektive Thomas "Tommi" Schmitt

Felix zieht sein Oberteil aus und zeigt mir seine Narben unter den Armen von seiner Abszeß-OP Anfang 2018.
"Dit war 'ne Überwindung. Da hab' ich vorher aber noch 'ne spezielle Maske für bekommen, bei den Polypen und der Nase auch...Aber dit hier...".
Er spricht leise und schaut nach unten, seine Arme hängen wieder schlaff herunter und er knibbelt an seinen Fingernägeln. "...Dit hier is' wat anderes."

Ich betrachte seinen krank trainierten Oberkörper, sein Rücken ist rund und gebeugt, nicht so gerade und angespannt wie sonst. Ich greife nach seinem Oberteil. "Willst du das wieder anziehen?" frage ich und streichle vorsichtig mit dem Daumen von seiner linken Schulter seinen Arm herunter, fahre seine Muskeln nach, weil ich gerade das Bedürfnis danach habe.
An jedem neuen Zentimeter, an dem ich vorbeikomme, fängt ein neuer, ausgeprägter Muskel an, den man auch ohne Anspannen spürt. Es fasziniert mich.

Auf meine Frage hin schüttelt er den Kopf und erklärt, dass jegliche Bewegung weh tue, er sich aber schon gerne wieder hinlegen würde. Ich schlage vor, dass er erst die Infusion bekommt und verspreche ihm, dass das nicht so schlimm wird, während ich gleichzeitig langsam meine Hand zum Schwesternrufknopf bewege.
Langsam nickt er,seine Augen verfolgen in der gleichen Geschwindigkeit meine Hand und strahlen eine gewisse Unruhe aus, doch er interveniert nicht. Mein Daumen betätigt wie in Zeitlupe den Knopf und ich beobachte seine Reaktion:
Er macht wieder Anstalten, sich auf die Lippe zu beißen, unterlässt es aber und schaut mir in die Augen. Ich lächle ihn ermutigend an, von ihm kommt ein kurzes Mundwinkelzucken nach oben und sein Blick wandert Richtung Tür. Schnell zieht er sein Oberteil doch wieder an, ich helfe ihm, es ist ihm wahrscheinlich unangenehm, doch ich hätte nichts gegen den Anblick gehabt.

Nach einiger Zeit betritt eine lächelnde, junge Frau den Raum: "Was gibt's?" fragt sie und ihre Stimme klingt genauso freundlich, wie ihre Gesichtszüge aussehen.
Ich schaue Felix weiterhin an, halte seine linke Hand und möchte ihm das Sprechen überlassen, da es ja um ihn geht. Sein Blick wandert ohne ein Lächeln von ihr zu mir und er schaut mich unsicher an, setzt unsicher zum Sprechen an und murmelt "Ick bräuchte 'n Schmerzmittel.." unsicher.
So viel Unsicherheit bei einem Menschen habe ich noch nie gesehen, vor allem nicht bei Felix. Sogar ich auf der Bühne bin weniger unsicher.

Die Schwester nickt freundlich und verlässt den Raum mit "Bin gleich wieder da.". Mein Blick verfolgt sie kurz, dann wende ich mich sofort wieder Felix zu. Seine Augen sind rot und ich meine, feuchte Wasserlinien zu erkennen.
"Ick gloob, ick leg mich doch gleich hin..". Mit zusammengekniffenen Augen und verzerrter Miene legt er sich wieder neben mich, mein Arm liegt um ihn und ich greife nach seiner rechten Hand, weil er so liegt, dass er links die Infusion bekommt. "Drück einfach, wenn dus brauchst." sage ich und streichle dabei mit meinem Daumen über seine Hand. Er nickt und dreht seinen Kopf sofort zu mir, als die Schwester mit jeglichem Equipment den Raum erneut betritt. Sein Gesicht drückt er gegen mich, ich hebe aber vorsichtig sein Kinn an.

Felix' Arm ist bereits in Position und ich schaue tief in seine Augen, fixiere ihn mit meinem Blick, sodass er keine Chance hat, nach links zu schauen. Ich starre förmlich in seine Augen, kann meinen Blick nicht abwenden, blende alles Visuelle um uns herum aus und inspiziere jeden Millimeter seiner tiefblauen Augen. Unsere Gesichter sind sich erstaunlich nah, so ist es einfacher, alles zu beobachten.

Nur wie gedämpft höre ich das Zischen der Desinfektionsmittelflasche und die Folie, aus der die Nadel geholt wird.
Nur leicht spüre ich, wie Felix zusammenzuckt, weil die Warnung "Achtung, jetzt wird's ein bisschen kalt." ausbleibt und drücke daraufhin seine Hand etwas stärker, was er erwidert.
Wir beide wissen, dass es gleich losgeht und als weitere Vorsichtsmaßnahme lege ich meine freie Hand an seine Wange, streichle mit dem Daumen darüber und verhindere mit leichtem Druck, dass er hinschaut. Unkontrolliert hat dieser Druck auch Folgen auf den Abstand zwischen unseren Gesichtern: Sein Kopf nähert sich meinem und aufgrund der Situation und meiner Motivation, Felix abzulenken, lege ich einfach meine Lippen auf seine und bewege sie leicht.

Das Lippenpaar, auf das ich treffe, ist wie Felix' restliche Haut unfassbar weich und geschmeidig. Glücklicherweise erwidert er und bringt ausschließlich enorm positive Gefühle rüber. Ich hoffe,dass das nicht nur aus der Situation entstanden ist, denn es fühlt sich wirklich gut und richtig an. Unsere Augen sind geschlossen und der Druck zwischen unseren Lippen wird größer und größer, damit auch die Gefühle. Als ich nach einigen Sekunden die sich schließende Tür höre, werde ich Stück für Stück weniger intensiv und verringere auch die Geschwindigkeit, streichle aber auch mit meinem Daumen über Felix' Schläfe und danach seinen Hals hinab, meine Hand findet Platz an seiner Brust. Eigentlich will ich mich über ihn lehnen und nie mehr aufhören, doch ich kann mich noch zurückhalten und langsam aber sicher trennen sich unsere Lippen, verharren aber noch für einen Augenblick mit einer Distanz, in die kein Haar mehr gepasst hätte. Irgendwie muss ich lächeln.

Unsere Augen öffnen sich gleichzeitig und sehen sich an, doch ich kann seinen Blick nicht deuten. Entweder sagt er nicht viel aus oder ich bin überfordert mit der Situation.
Ich bin aber zufrieden: Kein panisches aus dem Bett aufspringen und mit "Sorry" den Raum verlassen. Einfach in die Augen schauen und zufrieden lächeln.
"Ich...hoffe, das hat irgendwie zu deiner Ablenkung beigetragen." sage ich leise und obwohl wir beide genau wissen, was passiert ist, verwende ich als Umschreibung trotzdem "das".

Ich lasse meinen Oberkörper wieder neben ihn fallen, meine Hand gleitet dabei über seinen Bauch und ich nehme mir vor, das, was gerade passiert ist, von mir aus nicht mehr anzusprechen. Keineswegs, weil ich es vergessen will, sondern einfach, weil ich komische Situationen vermeiden will, die irgendetwas zerstören könnten. Ich glaube, ich habe verhindern können, dass er eine Panikattacke erleidet und beziehungsweise oder weiter mit den Schmerzen auskommen muss.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Felix links neben mir als Antwort auf meine Frage nickt und dann seinen Kopf auf meine Brust legt. Mit der rechten Hand fahre ich durch seine Haare, die eh sowieso total zerstört sind und kraule sanft seine Kopfhaut. Meiner Wahrnehmung nach hat er noch nicht die Nadel und die Infusion betrachtet, was wahrscheinlich besser so ist. Ich hoffe, das Schmerzmittel wirkt bald und kann ihn ablenken. Er sieht zufrieden aus. "Danke, Tommi."

Knv!

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