#37 Chemnitz und Jan Ullrich

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10:22 Uhr

Perspektive Felix Manuel Lobrecht

"Alles klar, danke, man. Hau rein." verabschiede ich mich von meinem Bruder und stehe langsam auf. Als ich mit meinem leeren Teller in der Hand in die Küche trotte, spüre ich, wie befreiend es ist, wenn Schmerztabletten wirken.

"Du solltest zum Profikoch umschulen, Tommi. Die ist verdammt lecker." kommentiere ich den Fakt, dass ich während des Gehens schon esse. Erst, als ich wieder von meinem Teller aufschaue, sehe ich, dass Thomas Schmitt vor mir auf dem Bauch liegt. Dass seine Hose am Hintern ziemlich eng sitzt, fällt mir jetzt erst auf und ich kann nicht anders, als einige Sekunden regungslos dazustehen und ihn zu betrachten, bevor er sich bewegt und zu mir umdreht. "Danke." lächelt er bescheiden und scheint wohl glücklicherweise meine Faszination nicht bemerkt zu haben.

Halb professionell die unangenehme Situation überspielend, klettere ich noch etwas unbeholfen neben ihn wieder auf das Bett, um zu sehen, was er auf seinem Handy tut:

der Standbildschirm einer Folge "Was machen Sachen?" springt mir ins Auge und ich muss grinsen.
Als würde ich das Format nicht kennen, frage ich mit ironischem Unterton "Was schaust du dir denn an?".
"Die witzigste Video-Reihe ever." antwortet er stolz und dreht seinen Kopf zu mir.
"Wir war'n da aber auch albern drauf an dem Tag." erinnere ich mich und muss lächeln. Den "Alles albern"-Kommentar verdrücke ich mir, weil ich ihn ausgesprochen etwas unpassend finde.
"Und verdammt touchy. Vor Allem du." ergänzt er und leider muss ich ihm zustimmen.
Das Gefühl verschwindet nicht, als wir am Ende der neunten Folge sind und Tommi grinsend "Also ich versteh' die Kommentare." sagt.

Fast wie beiläufig gähnt er daraufhin und reibt sich mit der linken Hand über das Gesicht. Das Handy fällt dabei in die Bettdecke und ich beobachte ihn bei seinen nächsten Worten genau.
"Ey, wir müssen unseren Rhythmus wieder in den Griff kriegen. Selina will am Ersten gegen Mittag los."

Eigentlich konzentriere ich mich nur darauf, dass er in meiner Anwesenheit so noch nie lag. Und, dass ich es mutterheiß finde.
Dass er seine Freundin erwähnt, drückt meine Stimmung enorm.
Zu meiner Überraschung schluckt er und sieht traurig aus.

Fast, als wäre er von mir und ihr zwiegespalten.
Fast, als würde er Selina unbedingt haben wollen.
Fast, als würde er gleichzeitig aber auch bei mir bleiben wollen.
Fast, als könne er sich zwischen uns nicht entscheiden.
Fast, als müsse er das.
Sicher bin ich mir keinesfalls.

Stumm schauen wir aus Spaß die restlichen Folgen, nebenbei esse ich zwei Teller Suppe, da mich auf einmal der Heißhunger gepackt hat und ich kann nicht anders, als permanent auf Tommi zu schauen: sowohl auf dem Bildschirm, als auch direkt neben mir.

Meinen Blick abzuwenden gelingt mir nur, indem ich seufze und mir mit den Händen über das Gesicht streife, nachdem ich den ausgeputzten Teller weggestellt habe.

Trotzdem muss ich etwas sagen, zumindest leise kommentieren, weil mir ohne in Tommis unabdingbar fortwährender Anwesenheit sonst der Kopf platzt:

"Du bist so ein verdammt schöner Mensch".

Leicht verwirrt schaut Tommi mich an, lacht aber dann nach einigen Sekunden kurz verlegen auf und fährt sich durch die Haare. Wie sinnlos das ist, merkt er selbst nicht und ich überlege noch, was ich denken soll: dass seine verwuschelten Haare katastrophal aussehen oder, dass sie perfekt sitzen. Vielleicht auch beides. Auf jeden Fall sieht es verdammt gut aus.

"Sorry, ich hab' so meine Momente." murmele ich zur Rechtfertigung meiner Bewunderung.

Ich werde schüchtern und schaue weg, versuche, seinem Blick auszuweichen. Solche Gefühle zuzugeben fällt mir extrem schwer und jedes Mal, nachdem ich mich emotional jemandem auch nur ein Stück geöffnet habe, fühle ich mich komisch und befremdlich. Tommi schien das nie so zu gehen und er scheint meine Unsicherheit auch nicht zu bemerken.
Stattdessen fährt er mir sanft durch die Haare und lächelt gediegen. "Die haben wir doch alle."

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