#124 1Live Krone Spezial

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!!!TW/CN Tod!!!

"Diegoleiiiin!" ruft Tommi freudig, als er, noch halb verschlafen, seinen Weg zum Hundekorb findet. Er will mit ihm spielen, aber das Tier ist noch gar nicht wach. Tommi versucht ihn zu wecken, seine Atmung ist ungewöhnlich flach. "Mama, Diego will heute nicht aufstehen." sagt er traurig. Sie sehr hinter den beiden, tritt zu ihnen, kniet sich hin und legt eine Hand flach auf den Bauch des Hundes. Dann wandert sie an seinen Oberschenkel, umfasst ihn. Der Daumen, der um den Oberschenkel liegt, fixiert die Position. Mit zwei Fingern drückt sie an der Innenseite vom Oberschenkel zu.
"Da ist kein Puls." stellt sie fest und macht eine kurze Pause, in der sie ihren Sohn bedeutungsvoll anschaut.
"Diego ist heute Nacht gestorben." sagt sie und streichelt über das weiche Fell des Tieres.
Tommi kippt ungläubig aus seinem Schneidersitz nach hinten und legt sich flach auf den Boden. Sofort wird sein Kopf heiß und die Tränen schießen ihm in die Augen. Kurz hat seine Mutter Angst, dass er in Ohnmacht gefallen ist. Dabei ist er hellwach.
"Kannst du ihn auf mich legen?" fragt er leise und schließt die Augen. Seine Mutter hebt den schlaffen Körper hoch und lässt ihn vorsichtig auf Tommis Oberkörper wieder ab. Tommi legt die Arme um das tote Tier und streichelt sein Fell. Dabei führt er die gleiche Pulsmessung durch, wie seine Mutter es schon getan hat. Leider bestätigt sich ihre Feststellung und Tommi hat mit jedem Atemzug, den er für das Tier tut, das Gefühl, dass sein Körper kälter wird. Als entweiche die Energie daraus, gleichzeitig scheint Diego noch mehr zu wiegen als je zuvor.

"Du weißt ja, dass er alt war. Fünfzehn Jahre. Und er hatte Krebs. Es war abzusehen, dass er bald stirbt." sagt sie nach einigen Minuten. "Ich wollte es dir nicht erzählen, weil ihr euch so gut verstanden habt und du eh schon Sorgen hattest. Es war so schön zu sehen, wie sehr ihr die Zeit in den letzten Tagen genossen habt. Als hättet ihr etwas geahnt."
"Ist das dein Ernst?" fragt Tommi tonlos. Er liegt zwar auf dem harten Boden und spürt das auch im Rücken, fühlt sich aber trotzdem, als würde er aus allen Wolken ins Nichts fallen. Seine Mutter verstummt.

Unzählige Male lagen sie so auf irgendeinem Boden, in dem Haus, in dem sie aufgewachsen sind, auf Feldern, in Büros, in Vereinshäusern.
Ihnen war immer egal, was um sie herum passierte, solange sie sich gegenseitig hatten. Tommi hat dann immer eine Hand auf Diego gelegt und ihn ganz vorsichtig gestreichelt. Dann hat der Hund seine feuchte Nase an seinem Herrchen gerieben und alles war gut.
"Nein." sagt er jetzt trotzig, weil er noch gar nicht richtig realisiert hat, was passiert ist.
"Diego!" ruft er laut, es kommt aber keine Antwort. Kein Bellen, kein Schwanzwedeln, kein Jaulen, nichts.
"Felix!" ruft Tommi statttdessen, in der Hoffnung, dass wenigstens von ihm irgendeine Reaktion kommt, die von Leben zeugt.
Der Neuköllner hatte noch geschlafen, als Tommi aufgestanden war, hat von der Aufregung im Nebenraum aber mittlerweile mitbekommen und steht jetzt in der Tür.

"Hey, was ist denn..." setzt er an, wird aber von Tommis Schluchzen unterbrochen. "Komm her, bitte." sagt er weinerlich und streckt die Hand nach Felix aus. Dieser steigt über den am Boden liegenden Mann mit dem Hund auf dem Bauch und setzt sich im Schneidersitz hinter seinem Kopf zu ihnen. Behutsam bettet Tommi seinen Kopf auf Felix' Beine und spürt, wie die kurzen Finger ihren Weg in seine Haare finden und ihn ganz leicht kraulen. Er zeichnet eine Krone auf seine Kopfhaut. Eine 1 Live Krone, Spezial.
"Ich bin hier." flüstert der Neuköllner nach einiger Zeit und beugt sich dazu über Tommis Gesicht. Dieser hält die Augen geschlossen, seine Wangen sind tränennass, seine Hände streicheln unaufhörlich das Fell des Hundes. Manchmal vergisst er, dass er tot ist und es fühlt sich an, als würde er einfach nur auf ihm schlafen.

Felix gibt Tommi einen sanften Kuss auf die Stirn. Gerade will er sich wieder aufrichten, um ihm nicht das Licht und seine Freiheiten zu nehmen, da löst er seine Hand von Diego und hält Felix' Kopf fest.
"Warte." sagt er weinerlich und muss noch einmal schlucken. "Geh nicht, nicht du auch noch, okay?" fährt er fort, öffnet die feuchten Augen und schaut dem Neuköllner tief in die Seele. Felix hat wirklich Mühe, ihn zu verstehen, nickt dann aber. Er greift nach Tommis Hand, führt sie in eine bequeme Position und hält sie fest. "Ich bleibe hier, versprochen." antwortet er, nicht weniger leise. Wenig befriedigt schließt er die Augen wieder und atmet schwer ein.

Es vergehen noch einige Sekunden, bevor er den schlaffen Hundekörper auf sich hochhebt und sich aufsetzt. Eigentlich hatte er sich fest vorgenommen, jetzt aufzustehen und weiterzumachen. Stattdessen fällt er wieder in sich und über dem Tier zusammen und umarmt es.
"Ich liebe dich so." flüstert er leise, während er sein Gesicht ganz tief in sein Fell drückt. Dabei spürt er, wie sehr er die ganze Zeit schwitzt. Die linke Hand legt er an den wohlgeformten Kopf, dessen Schädelknochen er noch nachfühlen kann. Dessen Augen ihn schon so oft so unwiderstehlich angeschaut haben. Dessen Zunge schon so oft erschöpft aus dem Maul herausging, wenn sie gemeinsam stundenlang irgendwo rumgetollt sind. Dessen feine Nase sein Herrchen schon immer aus weiter Entfernung riechen konnte. Dessen Zähne er so oft im Spiel schon gefletscht hatte, um dann über Tommi herzufallen und als sich windendes Mensch-Hund-Knäuel auf dem Boden zu landen.

Während Tommi Diego einen bis unendlich sanfte, fast schon unschuldige Küsse gibt, schauen sich seine Mutter und Felix, die vor und hinter ihm stehen, an und kommunizieren nur über Blicke, obwohl sie sich erst seit wenigen Stunden kennen. In seinem Gesichtsausdruck liegt eine Beileidsbekundung, in ihrem eine überwundene Vulnerabilität. Sie lächeln einander verhalten an.

"Sag mal, Mama, bist du denn eigentlich gar nicht traurig?" will Tommi wissen, nachdem er einmal geschnauft hat und vom Boden nach oben schaut wie ein kleines Kind aus dem Sandkasten. "Doch, natürlich." beginnt sie und hockt sich nach unten zu den zwei der wichtigsten Lebewesen ihres Lebens sind. Fürsorglich streicht sie über Diegos Kopf, Tommi löst sich langsam von ihm. Ihre Hände berühren sich.
"Aber ich habe schon so viele kommen und gehen sehen. Man lernt, damit umzugehen. Außerdem wird Diego nicht der letzte Hund unserer Familie sein, versprochen."
Felix meint, einen Blitz der Hoffnung in Tommis Augen ausmachen zu können.

"Den kann ich euch doch dann bestimmt mal vorbeibringen, wenn ich wieder verreisen will, oder?" schlägt Tommis Mutter vor und schaut Felix fragend an. Dieser gibt keine wirklich aufschlussreiche Reaktion, da er nicht weiß, was er von dieser Verpflichtung halten soll. Will er einen Hund in seiner Wohnung? Ist das überhaupt erlaubt? Wobei, für Tommi? Sein Blick fällt wieder auf den Detmolder, der gegen die Wand gelehnt sitzt wie ein Sportler nach einem Marathon.
"Erstmal müssen wir mit Diego abschließen, bevor wir an einen neuen Hund denken." äußert er bestimmt, lässt dabei den Körper aber los und überlässt ihn seiner Mutter.

Intuitiv setzt sich Felix zu Tommi gegen die Wand und legt den rechten Arm um ihn. Sofort lässt sich der Größere mit all seinem Gewicht gegen ihn fallen und schließt wieder die Augen. Wenigstens ist seine Atmung nun regelmäßiger.
"Ich bin bei dir, ich bleib hier. Wenn du einen eigenen Hund willst, können wir das machen, wir suchen einen aus, ich klär das mit dem Vermieter. Berlin hat auch wunderschöne Hundewiesen. Ich bin für euch da, wir machen das gemeinsam. Versprochen.

Platzierte, verkopfte, elegalante Gemischtes Hack Story Where stories live. Discover now