#115 Sex-Krieg

427 18 10
                                    

"Ach komm, Felix. Ein Glas ist kein Glas. Und eine Kippe ist keine Kippe. Deine Kontrollmami Tommi ist grad eh nicht da." sagt Hassan.
"Ja, wo ist der eigentlich? Habt ihr nen Sex-Krieg oder so? Der ist doch auch sonst immmer überall mit dabei." fügt Julian an.
"Äh ja, keine Ahnung." stammele ich. "Irgendwie im Restaurant mit seinen neuen Arbeitskollegen für sein neues Projekt oder so." antworte ich durch die laute Musik.

Währenddessen füllt Hassan vor meinen Augen ein elftes Glas, mein Glas, mit irgendeiner alkoholischen Substanz, die ich aufgrund meiner Abstinenz nicht mehr identifizieren kann. Ich weiß nur, dass er sehr hochprozentig sein muss, wenn ich die gute Laune meiner Kumpels beobachte. Die Cubanos, Kawus, Hassan, Matze, Sven und Julian besaufen sich seit vier Stunden ausgelassen in meiner Wohnung. Ich sitze mittendrin auf meinem Sofa, an meinem Körper wird regelmäßig und ohne Vorwarnung oder Grund gerüttelt. Die Stimmung ist aufgeheizt. Wer die Musik angemacht hat, weiß ich gar nicht. Der Geräuschpegel, der Alkoholpegel und die toxische Männlichkeit um mich herum sind mir viel zu viel. Deshalb gehe ich, ganz automatisch, dem nach, was ich so gut kann: in mir selbst und in meinen Gedanken versinken. Ich denke an den Urlaub, von dem Tommi und ich erst gestern wieder zurückgekommen sind. An den Strand, das Kuscheln, die Stadt, das Küssen, das Essen, den Sex. An ihn.
Die Jungs um mich herum und die Musik blende ich aus, bis dieses eine Wort, das eh schon in meinem Kopf widerhallt, von außen in mein Gehirn dringt: "Tommi".

"Was hast du grad gesagt?" frage ich, drehe mich zu Hassan. "Dicker, dass du hier nicht mitten zwischen uns wie ein emotionsloser Stein im Kochtopf sitzen kannst und mit uns anstoßen sollst, alter." erwidert der Deutsch-Libanese und hebt das Glas. "Sonst müssen wir dich auf den Balkon stellen." ergänzt José und schlägt mir freundschaftlich auf den Rücken. "Und da mit dir Eine rauchen." schlägt Sven vor. Die Anderen nicken zustimmend und da ist schon wieder eine Hand auf meiner Schulter.

Ohne viel zu zögern oder nachzudenken nehme ich das Glas in die Hand und trinke es in einem Zug aus. Ich verziehe kurz das Gesicht, meine Mundhöhle fühlt sich komisch an, meine Geschmackszellen müssen sich erst einmal wieder daran gewöhnen. Ich habe den starken Geschmack noch nicht einmal fertig mit Spucke neutralisiert, da steht die nächste Mische für mich schon bereit.
Langsam setzt dieses wohlige, warme Gefühl in meinem Bauch ein. Noch ein Schluck. Okay, noch einer. Den Rest hebe ich mir für später auf.

Unter den ausgelassenen Jubelrufen meiner Kumpels, die sich mir dem Soundtrack unserer Nacht vermischen, erhebe ich mich theatralisch, streiche mir mein T-Shirt zurecht und laufe zum Balkon. Sven und Julian folgen mir wie zwei Entenküken ihrer Mutter. Sobald die Tür geschlossen ist, klicken zwei Feuerzeuge neben mir. Ich bekomme auch eine Zigarette angeboten, eine der besseren Marken. Aus Reflex nehme ich sie zwischen Zeigefinger und Daume und nicke dankbar, bevor ich sie mir gekonnt zwischen die Lippen klemme. "Prost." sagt Sven, als er mit seinem Feuerzeug das Ende zum Glühen bringt und ich die wenigen Zentimeter vor meinem Mund mit den Händen gegen den Wind schütze.
Ich zögere nicht, denke nicht darüber nach, als ich den ersten Zug mache. Der Rauch füllt meine Lunge, ich spüre wieder diesen leichten, angenehmem Druck und muss lächeln. Ich höre die Musik von drinnen nur noch gedämpft, ihr Dröhnen ist trotzdem zu spüren. Ich atme aus, um anschließend direkt wieder einzuatmen. Es kratzt. Das tut verdammt gut.
Es folgen weitere Züge, weitere Zigaretten, wie ein Automatismus. Einige Minuten vergehen, bis uns kalt wird, bis unsere Körper wieder nach Alkohol schreien. Weil auch niemand von uns daran gedacht hat, eine Jacke anzuziehen.

Die Anderen haben Kurze auf dem Tisch stehen und spielen irgendein Spiel, das ich gerade nicht durchschaue. Ich greife nur kurz zwischen den angeheiterten Jungs vorbei, um an meinen Drink zu kommen. Er ist bereits wieder aufgefüllt, also leere ich ihn zur Hälfte. Da ich so lange keinen Alkohol mehr getrunken habe, wirkt er ziemlich schnell in meinem Körper und meine Laune hebt sich schlagartig.
"Ich will irgendwas zerstören." lege ich fest und sehe mich in meiner Wohnung um. Vielleicht kein guter Ort. Deshalb gehe ich wieder auf den Balkon und sehe mich dort um. Da steht der Koffer von Tommi, der mich ewig im Flur gestört hat. Den kann ich jetzt aber nicht einfach so runterwerfen, auch nicht, wenn ich in einer grundlosen Vandalismuslaune stecke.
Stattdessen atme ich tief ein und spüre die Nachtluft meine Lungen durchspülen. Das fühlt sich gut an, irgendwie frisch. Der Alkohol macht sich in meinem Kopf breit, der Nikotingeschmack belegt meine Zunge.
Ich drehe mich wieder um und sehe, wie José und Julian in der Balkontür stehen und mich erwartungsvoll ansehen.

Platzierte, verkopfte, elegalante Gemischtes Hack Story Όπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα