#62 Mobber sind Opfer

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Perspektive Felix Manuel Lobrecht 

Als ich aufwache, riecht es noch nach Pizza und ist bereits 11 Uhr.
Langsam bewege ich meinen linken Arm, den ich um meinen Freund gelegt habe- er schläft noch, was ich an seiner ruhigen, gleichmäßigen Atmung erkenne. Zufrorden lächle ich, betrachte ihn noch kurz und greife dann über seinen Körper hinweg vorsichtig zu meinem Handy und entsperre es.
Juju hat mir ein Video geschickt. Ich lade es herunter und schaue es an, man sieht sie feiern, grelle Stroboskoplichter im Hintergrund, irgendwas ruft sie, was ich aber nicht höre, weil ich den Ton ausgestellt habe. 
Ehrlich gesagt warte ich nur darauf, dass sie verkatert aufwacht, merkt, was sie rumgeschickt hat und sich peinlich berührt entschuldigt.
Ich schmunzle und antworte ihr mit einem Lachsmiley.

"muss dir was erzählen. Kannst du später telefonieren?" schreibe ich in einer separaten Nachricht und merke dann, wie Tommi sich zu bewegen beginnt.
"Guten Morgen." flüstere ich und streiche über seine Wange. Verschlafen streckt er sich und dreht sich zu mir um. "Morgen." sagt er mit kratziger Stimme, ich gebe ihm einen Kuss auf die Schläfe.
"Gut geschlafen?"
Er nickt und setzt sich auf.
"Wie spät ist es?"
"Um 11.". Ich grinse.

Sein zerknittertes Gesicht schreit nach einem Wachmacher, er sagt aber nichts.
Im Gegensatz zu ihm bin ich ziemlich energiegeladen und motiviert und erhebe mich von unserem Schlafgemach.
"Verzichte meinetwegen bitte weder auf Kaffee, noch auf Alkohol, wenn du es brauchst oder Lust drauf hast. Das soll nicht zwischen und stehen. Ich mach' dir einen, okay?"
Dankbar nickt er und lächelt mich an, bevor er sich mit den Händen über das Gesicht fährt. Ich wusste, dass er einen braucht.

Mit einem Glas Wasser in der einen und einer Tasse Kaffee in der anderen Hand setze ich mich wieder zu ihm, die Ellbogen hat er auf die Knie gestürtzt und sich nach vorn gelehnt. Sein verträumter Blick geht geradeaus. 
Mit einem leisen "Hier." hole ich ihn sanft wieder aus seiner Trance heraus.
"Danke. Wirklich."
"Kein Problem. Wirklich." sage ich und gebe ihm einen Kuss.
"Du schmeckst noch nach Pizza." stelle ich fest und muss grinsen. Kurz denke ich darüber nach, lecke mir über die Lippen, Tommi lacht nur verpeilt und dusslig. Ich habe es extra gemacht, bevor er den ersten Schluck Kaffee trinkt.

Die unausgesprochene Frage "Wer soll eigentlich davon wissen?" hängt seit gestern Nachmittag über Allem und wir beide scheinen das Gefühl zu haben, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um darüber zu reden.
"Wir sollten es Julian sagen. Ihn beschäftigt das wahrscheinlich genauso." beginne ich.
Er nickt zustimmend.
"Meinem Bruder werde ich es wohl erstmal nicht sagen. Keine Ahnung, aber das passt gerade irgendwie nicht. Und meinen Eltern sowieso nicht."
Diesmal nicke ich. Es ist seine Entscheidung und ich akzeptiere sie. Ich lege die Hand auf seinen Rücken und streiche zu seinem Nacken hinauf, massiere kurz die Stelle seines Haaransatzes, weil ich sehe, wie sehr die Situation an ihm nagt.

"Julian können wir per FaceTime anrufen. Und Paul werde ich es schreiben."
Ich greife nach meinem Handy, lehne mich zurück und lege den Kopf auf seine Schulter, als er es mir gleich tut. Während ich einige Benachrichtigungen aussortiere, erzähle ich in der Kurzfassung von Paul und begründe damit, warum ich es auch ihm mitteilen will.

Unter Geschwistern fragen wir uns nie, ob der andere Zeit hat. Wir rufen einfach an.
Nach drei Mal Tuten nimmt Julian ab, sieht uns und grinst breit. "Jungs, ihr wollt mir was sagen, oder?" lacht er und in seiner Bewegung erkenne ich, dass er auch auf der Couch lungert.
Auf dem Bildschirm sehe ich Tommi schmunzeln und schiele zu ihm nach oben.
"Ja. Wir haben's geschafft. Wir sind zusammen."
Tommi nickt und beginnt, mir durch die kurzen Haare zu kraueln und Julians Mundwinkel entfernen sich immer weiter voneinander.
Mein Bruder stellt sein Handy ab und fängt einfach an, zu klatschen.
Wir lachen zu dritt , dann fragt Julian "Und, was habt ihr beide heute noch vor?"
Tommi und ich schauen uns kurz an, bevor ich er für meine Blicke spricht: "Nichts."
Bekräftigend nickt er. "Das macht ihr richtig. Ich hab' heute noch was geplant." und er zwinkert, was ich als Anlass dafür deute, das Gespräch zu beenden.
"Alles klar, hau rein, Bruderherz." Ich hebe meine Hand und wir verabschieden uns.

Platzierte, verkopfte, elegalante Gemischtes Hack Story Where stories live. Discover now