Kapitel 10

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Es war ein schwarzes Kleid, ja, aber nicht das, welches ich haben wollte, sondern das mit der Spitze und den langen Ärmeln.

War das deren ernst? Deswegen hatte May so dämlich gegrinst die ganze Zeit über, nachdem ich aus der Umkleidekabine gekommen war. Das Kleid war hübsch, keine Frage, aber ich trug sowas nicht und hätte wesentlich lieber das andere getragen. Vielleicht konnte man das Kleid ja zurückgeben oder umtauschen. Allerdings bezweifelte ich, dass meine wirklich tollen Freundinnen das zulassen würden. Ihnen war klar gewesen, dass ich das andere Kleid wollte und deswegen hatten sie mir das hier heimlich statt dem anderen gekauft.

Ich stöhnte auf und drehte meinen Kopf halb herum, nur auf den Augenblick wartend, dass May runter kam und ich sie fragen konnte, was zur Hölle das sollte. Das Kleid lag über meinen Beinen, die verkreuzt im Schneidersitz auf der Couch lagen. Sonderlich angenehm war diese Pose mit dem halb verdrehten Kopf nicht, doch das war mir egal.

Ich hörte Mays kleine, leichte Schritte schon, bevor ich sie überhaupt sah. Aber gleich darauf erschien sie auch schon auf der Treppe und lächelte mich an. Da ich es nicht erwiderte, sah sie mich etwas verwirrt an und ließ sich dann neben mich aufs Sofa fallen. Als sie den schwarzen Stoff über meinen Beinen erblickte, klickte es bei ihr wohl, denn sie sah mich bittend an.

"Ach komm schon. In den Sachen in denen du am liebsten zu der Party gehen würdest, erregst du kein Ansehen. Aber das ist doch genau das, was wir wollen. Du musst mal endlich aus deinem kleinen Schneckenhaus da raus kommen, oder willst du etwa als einsame Jungfrau sterb.." Als sie das alles in einem Redeschwall sagte, ohne Luft zu holen, wie ich es von ihr kannte, unterbrach ich sie, indem ich abwehrend meine Hand hob. Sie verstummte und sah mich gespannt an.

"Beruhig dich mal! Und geht das vielleicht etwas leiser? Es sind andere Leute im Haus und nicht jeder muss unbedingt mein Sexleben mitbekommen, ja?" versuchte ich sie etwas zu beruhigen und wurde dabei leicht rot, wenn ich es nicht eh schon war. Ich war noch Jungfrau, was mir eigentlich nicht peinlich sein sollte, immerhin war ich erst siebzehn und manche zogen sowas nicht mal in Betracht vor einer Hochzeit. Aber May und Claire waren da anderer Meinung. Sie zogen mich immer wieder damit auf. Claire hatte es schon getan, wobei man dazu sagen musste, dass es noch nicht sehr lang her war und es mit einem Jungen war, mit dem sie über ein Jahr zusammen gewesen war. Sie dachte er würde sie ehrlich lieben und die beiden schliefen offenbar nicht nur einmal miteinander, sondern gleich mehrmals. Und dennoch hatte sie ihn einmal erwischt, wie er eine andere küsste und damit war die Beziehung dann den Bach runter gegangen. Claire konnte sich nie erklären, was sie falsch gemacht hatte und da sie eine starke Persönlichkeit hatte, hatte sie sich solang eingeredet, dass der Typ einfach ein Arsch war und sie froh war, dass es vorbei war. Sie war aber auch nicht sonderlich leicht zu halten für Männer denke ich, denn sie war so eine, die fast immer Action wollte. Jedenfalls war sie mittlerweile über ihn hinweg.

Und auch May hatte ihr erstes Mal bereits hinter sich. Sie war auf den Tag genau ein Jahr mit dem Jungen zusammen gewesen und alles wäre wunderbar ausgegangen, vielleicht wären die beiden sogar jetzt noch ein Paar. Aber er musste ziemlich weit wegziehen und hatte sich anfangs zwar noch gemeldet, allerdings hatten sowohl May als auch er eingesehen, dass diese Fernbeziehung auf Dauer niemals standhalten sollte. Der Typ war zwar niedlich gewesen, aber sogar ich fand ihn etwas sehr langweilig. Also wesentlich weniger tragisch wie bei Claire, aber auch nicht ganz ohne. Ich fand es viel zu früh. Selbst wenn ich mit einem so lange zusammen wäre, würde ich es wohl nicht so schnell tun. Ich war allerdings noch nie solang mit jemandem zusammen gewesen, also konnte ich das nicht wirklich beurteilen.

Aber angeblich war Sex etwas Normales und Claire behauptete felsenfest, dass es alle normalen Mädchen in unserem Alter schon getan hatten. Mit normal meinte sie so etwas, dass man keinen Augenkrebs bekam, wenn man sie ansah, dass sie keine streng gläubigen waren und dass sie keine wirklich wirklich gestörten Charaktere hatten. Wobei sogar manche von denen bereits ihr erstes Mal hinter sich hatten. Laut Claire. Ich fand das ja völlig übertrieben aber in diesen Sachen war sie nun mal ziemlich eigen.

My Best Friends BrotherWhere stories live. Discover now