Kapitel 12

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"Du findest raus, oder? Vergiss deine Sachen nicht." meinte sie noch lächelnd. "Begleite sie mit raus!" befahl sie David. Der verdrehte nur die Augen. "Aber klar, für dich immer doch, Schwesterherzchen." meinte er zuckersüß, stand aber doch auf und lief auf mich zu. Er machte das Licht wieder aus, wohl wissend, dass May das so wollte.

Ich hatte die Tüte mit meinen Sachen in der Hand, weil ich sie mir vorher noch genommen hatte. David schob mich leicht raus in den Gang und dann weiter in die Garderobe.

"Soll ich dich mit nach Hause begleiten oder gehst du allein?" fragte er und ich konnte sehen, dass er ein Gähnen unterdrückte.

"Mir egal." antwortete ich ihm mehr oder weniger ehrlich. Es war süß, dass er es mir anbot, aber das machte er doch eh nur, um dem Ärger seiner Schwester zu umgehen.

"Das gibt's nicht." widersprach mir David.

"Also wenn's dir nichts ausmachst, wäre es mir lieber, wenn du mitgehst, aber ich kann auch alleine gehen." meinte ich nun und senkte meinen Blick etwas. Es war nun mal so, dass es jetzt schon echt dunkel war und ich diese erschreckenden Stellen von dem Film vorher einfach nicht mehr aus dem Kopf bekam. Dennoch war es mir peinlich zuzugeben, dass ich mich nicht mal traute, das kurze Stückchen zu mir nach Hause zu gehen.

"Sag das Zauberwort!" meinte David, ohne wirklich auf meine Aussage einzugehen.

Ich hob meinen Blick nun wieder und sah ihn leicht grinsend und fragend zugleich an. "Hokuspokus?"

Zuerst sah mich David etwas verwirrt, nickte dann aber zufrieden, damit hatte er wohl nicht gerechnet. Jedoch ließ er es sich nicht wirklich ansehen. "Okay, ich bring dich zu deiner Mami heim, Angsthäschen." Er konnte diese Verniedlichungs-Formen aber auch nie weglassen.

"Und jetzt sag schon mal Danke!" befahl er wieder. "Abrakadabra, Meister." antwortete ich nur augenverdrehend. "So ist's Recht." entgegnete mir David. Sprachen wir jetzt die Zaubersprache, oder was? Na ja, mir sollte es recht sein.

David schlüpfte in seine Schuhe und seine schwarze Lederjacke. Ich hatte meine Sachen schon angezogen und glücklicherweise waren sie bereits getrocknet. Meine alten Klamotten hingen immer noch im Bad, aber das war ja egal, ich würde sie schon wiederbekommen und May dann gleich ihre zurückgeben.

Der Junge, mit dem ich wahrscheinlich am meisten redete, auch wenn es größtenteils Beleidigungen oder schwachsinnige Aussagen waren, öffnete mir die Tür und trat vor mir in die kühle Abend- oder fast schon Nachtluft. So spät war es nicht, aber um diese Jahreszeit war es draußen schon dunkel. Ich ging hinter David hinaus, ignorierend, dass es eigentlich hätte andersrum sein müssen. David verstand nun mal nicht viel von typischen Verhaltensregeln und dachte auch nicht an das gute alte Sprichwort 'Ladies First'.

Ich schloss hinter mir die Tür und ging dann, ohne David ein weiteres Mal anzusehen, die Einfahrt hinunter bis zum Gehsteig. Es verlief hier nur eine kleine Seitenstraße, weswegen auch kein fahrendes Auto in Sicht war.

"Wenn du sowieso von mir davon läufst, kann ich auch wieder zurückgehen." brummte eine Stimme hinter mir. Nicht wirklich weit entfernt, aber doch hinter mir. Da ich ihn nicht verärgern wollte, wenn er schon mal was Nettes zu mir tat, blieb ich stehen, drehte mich jedoch nicht um.

Plötzlich spürte ich einen warmen Atem in meinem Nacken und zwei Hände vor meinen Augen, sodass ich noch weniger wie zuvor sah.

"Lass das!" beschwerte ich mich.

"Schon gut, Häschen." murmelte er und ließ von mir ab. Kurz danach spürte ich die Wärme, die von ihm ausging, neben mir. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und blickte geradewegs in Davids Gesicht.

My Best Friends BrotherWhere stories live. Discover now