Kapitel 27

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Ich spürte den fragenden Blick von May auf mir und drehte mich in ihre Richtung.

"Was denn?" Ich musste wohl ziemlich lallen, denn nun zog sie die Stirn kraus.

"Bist du etwa betrunken? Und wo ist deine Jacke hin?"

Ich schüttelte heftig den Kopf, als sie mich fragte, ob ich betrunken sei. Sie nickte nur wissend und schien nicht recht zu wissen, was sie davon halten sollte.

"Weiß nicht, Davie hat sie mir vorhin geklaut." beantwortete ich ihr ihre andere Frage schulterzuckend.

"Davie? Ach, mein Bruder." May nickte zufrieden. Warum freute sie das jetzt? Oh nein, natürlich, vorher hatte sie David so geheimniskrämerisch etwas zugeflüstert. Bestimmt hatte die ihm befohlen mir die Jacke abzunehmen!

Aber mir konnte es egal sein, im Moment glühte ich sowieso, weil mir so warm war.

Ich sah mich etwas in diesem Sitzkreis um und entdeckte auch noch Jacob, der übrigens neben May saß. Claire fand ich schließlich auch und das auf dem Schoss eines jungen Mannes. Wer das wohl war? Dieser M..., ach, keine Ahnung, ich meinte jedenfalls diesen mysteriösen Typen, von dem sie erzählt hatte. Ich konnte noch ein paar andere bekannte Gesichter finden, aber auch völlig unbekannte. Sonderlich groß war die Runde jedoch nicht.

Die Flasche wurde gedreht. Anfangs war sie so schnell, dass ich ihr nicht folgen konnte, aber sie wurde immer langsamer und stoppte dann genau bei einem Mädchen, das ich nicht kannte.

Ich sagte erst mal nichts, da ich gar nicht wusste was für ein Flaschendrehen das war. Ich spielte sowas eigentlich nie. Aber es gab ja Wahrheit oder Pflicht oder die Version, dass man jemanden Küssen musste oder so was.

"May, was muss man da jetzt machen?" fragte ich meine Freundin neben mir leise.

"Wir machen einfach nur Pflicht." erklärte sie mir.

"Du musst eine Flasche Bier auf Ex trinken." meinte einer sehr einfallsreich und da niemandem was Besseres einfiel, blieb es auch dabei. Für mich wäre das keine einfache Aufgabe, aber das Mädchen schien so was schon viel zu oft gemacht zu haben und hatte nicht die geringsten Probleme damit.

Das unbekannte Mädchen war nun an der Reihe und drehte die Flasche.

Mein Herz setzte beinahe aus, als sie gefährlich langsam in meiner Nähe wurde, doch sie blieb dann vor Finn stehen.

Ein paar diskutierten darüber, was er machen sollte. Scheinbar durfte sich jeder was überlegen, nicht nur der, der vorher dran war.

"Verpass deiner hübschen Sitznachbarin einen Knutschfleck."

Ich machte große Augen. Neben Finn saß ein Typ. Oh, dann war wohl ich gemeint. Trotz meines hohen Alkoholpegels - besonders für meine Verhältnisse - war ich ein bisschen geschockt.

Ich wusste nicht von wem der Vorschlag kam, aber wäre ich gerade nüchtern gewesen, hätte ich denjenigen direkt ins Grab gebracht. Hatte der ein Glück, dass ich eben nicht nüchtern war.

Das würde jetzt peinlich werden. Allein, wenn er mir einen Knutschfleck machen würde, wäre das komisch, aber vor all den Leuten hier?

Finn schien das aber nicht zu stören und er beugte sich zu mir rüber.

Ich schloss meine Augen. Und kniff sie leicht zusammen, als Finn anfing an meinem Hals zu saugen.

Das war mehr als peinlich, aber ich musste zugeben, der Alkohol machte einiges besser und irgendwie war das angenehm.

Ich drückte meine Lippen zusammen, bevor ich jetzt hier auch noch anfing vor versammelter Gemeinde zu stöhnen.

Die Sache war schnell wieder vorbei und Finn hauchte mir noch einen Kuss auf die Stelle, die jetzt etwas brannte.

Das Spiel ging weiter und ich achtete nicht mehr wirklich auf den Verlauf.

Finn stupste mich an und ich drehte mich zu ihm. "Willst du meine Nummer?" fragte er mich zwinkernd und grinste frech.

Ich nickte nun ebenfalls grinsend und zog mein Handy aus meiner kleinen Tasche.

Ich erstellte einen neuen Kontakt und tippte die Nummer ein, die mir Finn nun diktierte. Als seinen Kontaktnamen schrieb ich einfach Hottest Boy .

Er sah ja wirklich nicht schlecht aus. Schwarze Haare, die mir einen Tick zu lang waren, aber auch nur minimal. Dazu besonders dunkle, fast schwarze Augen. Markante Gesichtszüge und ein glatt rasiertes Kinn.

Er nahm mir mein Handy aus der Hand und ich wollte schon protestieren, merkte dann aber, dass er nur ein Foto von uns zwei machte, was jetzt sein Kontaktfoto war.

Er steckte mir das Handy zurück in meine Tasche und widmete sich dann wieder dem Spiel.

Die Flasche drehte sich gerade mal wieder und hielt schließlich genau vor David.

Ich wurde langsam müde und beschloss bald zu gehen. Falls man es gehen nennen konnte, wahrscheinlich würde ich auf dem nach Hause Weg einfach zusammenbrechen.

Ich hatte Glück, dass ich nicht dran kam, aber das mit dem Knutschfleck zählte schon als drankommen.

Die Leute diskutierten wieder, was seine Pflicht war, als plötzlich jemand einfach ein paar Handschellen, die von pinken Plüsch umgeben waren, in die Mitte des Kreises warf und Ruhe einkehrte.

"An wen sollen wir dich ketten?" fragte der Besitzer der Handschellen und grinste David amüsiert an.

David grinste ebenfalls, zog aber seine Augenbrauen hoch.

Wer bitte besaß solche Handschellen?! Mir war durchaus bewusst, dass sie nicht dafür da waren jemanden in den Knast zu bringen, sondern viel mehr ein einfaches Sexspielz...

Ich konnte nicht mal zu Emde denken, als ich meinen Namen hörte. Ich sah mich verwirrt um.

Ein Mädchen aus meiner Klasse, das mich ganz offenbar nicht mochte, sah ganz eindeutig zu mir und grinste fies.

Oh shit, ich konnte mir denken, was das sollte.

Ich fluchte eindeutig zu viel, aber das konnte doch nicht wahr sein.

Wäre ich an diesem Abend nüchtern gewesen, hätte ich bereits drei Morde auf meinem Gewissen.

Der erste wäre der an dem, der den Vorschlag hatte, dass Finn mir einen Knutschfleck verpassen solle.

Den zweiten Mord hätte ich an dem Besitzer der Plüsch-Handschellen ausgeübt.

Und den dritten Mord hatte sich meine Mitschülerin verdient, die es mittlerweile geschafft hatte die anderen davon zu überzeugen, dass ich die Unglückliche war, die an David gekettet wurde.

Jetzt durfte ich aber fluchen, oder? Fuck, das durfte verdammt noch mal nicht die Wirklichkeit sein! Irgendjemand spielte mir hier doch einen grausamen Scherz!

Doch es war kein Scherz.

Ohne dass ich mich wehren konnte, wurde mein Handgelenk an das von David gekettet, der nicht wirklich mehr erfreut zu sein schien, wie ich.

My Best Friends BrotherWhere stories live. Discover now