Kapitel 80

122K 4.7K 248
                                    

Der Rest der Herbstferien verging im Schneckentempo, trotzdem wusste ich dann, als es Sonntag war nicht mehr, was ich eigentlich die ganze Zeit gemacht hatte.

Heute Abend würden die Blacks wieder zurück kommen und ich wusste immer noch nicht, wie ich genau reagieren sollte.

Wenn David das Thema über seinen Status und sein Profilbild bei WhatsApp nicht anschnitt, würde ich es tun. Die Frage war, ob ich ihn dann gleich heute noch damit überfallen sollte, morgen oder doch eher nächste Woche? Und wie genau sollte ich damit beginnen? Ich würde mich wohl einfach überraschen lassen müssen und spontan handeln. Dann konnte ich auch sehen, ob sich David anders verhielt oder ob er irgendwelche Bemerkungen dazu machte. Ehrlich gesagt war ich sogar ein kleines bisschen nervös wegen dem Wiedersehen mit David.

Ich hatte May versprochen sie bei ihrer Ankunft zu empfangen. Sie hatte nicht genau gewusst, wann sie ankommen würden, aber May hatte gemeint, dass es ungefähr 9 Uhr werden würde. Und da es mittlerweile schon kurz nach neun war, verließ ich das Haus und ging zu dem Blacks.

Obwohl ich über eine Viertelstunde zu spät war, waren die Blacks noch nicht da. Ich hoffte nur, dass sie nicht im Stau standen und ich hier Stunden auf ihre Ankunft warten würde. Aber sicherlich hatte May ihr Handy wieder bekommen, um bei der langen Fahrt damit Musik hören zu können und dann hätte sie mir ja wohl Bescheid gegeben, dass es noch länger dauern würde.

Da ich müde war - wahrscheinlich weil ich gestern Nacht noch ewig lang Filme geschaut hatte und danach nicht richtig einschlafen konnte wegen all der Gedanken über David -  setzte ich mich einfach auf den gepflasterten Boden vor der Haustüre von der Familie Black und lehnte mich an die Tür. Sollten die Leute doch denken was sie wollten, wenn sie an mir vorbei gingen.

Ich schloss meine Augen leicht und wäre wahrscheinlich gleich eingeschlafen, wäre nicht gerade dann ein Auto um die Ecke gekommen. Die Scheinwerfer leuchteten hell, denn mittlerweile war es schon kurz nach halb zehn und da bald Winter war, war es auch schon ziemlich dunkel.

Ich sprang auf, als ich erkannte, dass sich in dem Auto meine beste Freundin, ihr Bruder - der viel mehr als nur der Bruder meiner besten Freundin für mich war - und deren Eltern.

Fast schon bevor das Auto zum Stehen kam, öffnete May ihre Türe, hüpfte hinaus und umarmte mich.

"Heeey, Süße! Tut mir leid, dass du auf uns warten musstest, aber danke, dass du gekommen bist." grinste sie und ließ mich wieder los. "Ich sag's dir; Ein Urlaub ganz ohne Handy kann ganz schön langweilig werden, vor allem, wenn du die Sprache des Landes nicht kannst, deine Eltern immer irgendwo sind und dein Bruder lieber mit anderen als mit seiner eigenen Schwester abhängt." stöhnte sie. Ich hätte sie ja etwas ausgelacht und dann bemitleidet, aber mir gefiel es wirklich nicht, dass David laut ihr nichts mit May gemacht hatte und er stattdessen mit anderen (Mädchen?) abgehangen hatte. Wie auch immer man das jetzt definieren konnte. Freundschaftlich oder sexuell? Ich hoffte stark auf ersteres, aber ich kannte David und würde ihm auch das zweite zutrauen, obwohl er in letzter Zeit wirklich unglaublich süß zu mir gewesen war.

"Morgen ist wieder Schule." stöhnte May und verzog das Gesicht. "Willst du trotzdem noch etwas bleiben? Sonst hat es sich gar nicht richtig gelohnt, dass du extra hergekommen bist." fragte mich May.

"Ja, ein bisschen bleibe ich noch." Immerhin hatte ich drei Wochen lang nichts mehr mit May gemacht, da zuerst ich und dann sie weg gewesen war. Außerdem wollte ich wissen, wie sie zu Jacob stand, der hoffentlich bald ihr fester Freund war.

Ich vernahm ein Räuspern und drehte mich halb um, um David zu sehen. Er trug ein weißes Shirt mit V-Ausschnitt und dazu hatte er eine lockere graue Jogginghose an, die ihm bis knapp über die Knie ging. Seine Haare waren ziemlich verwuschelt und er sah etwas verschlafen aus, wahrscheinlich hatte er auch im Auto geschlafen.

"Hi." sagte ich knapp, lächelte leicht und hielt ihm nur die Hand hin. Ich umarmte ihn nicht, weil ich erstens nicht wusste ob das eine so gute Idee vor May und ihren Eltern wäre und zweitens war ich immer noch etwas unschlüssig darüber, wie ich mich David gegenüber verhalten sollte.

Zuerst dachte ich, dass David meine Hand nur schütteln wollte, da er sie ergriff, aber dann zog er mich daran an sich und schlang die Arme um mich.

"Ich hab dich vermisst, Kleine." flüsterte er in mein Ohr und küsste kurz die zarte Haut unter meinem Ohr.

Die Umarmung erwiderte ich zwar, aber nur leicht. Das brachte ihn wohl dazu, dass er mich doch relativ schnell wieder los ließ. Besorgt sah er mich an, wandte dann aber seinen Blick ab.

"Ich bin verdammt müde und lege mich jetzt gleich hin." entschuldigte er sich und gähnte kurz danach passenderweise. Dabei hielt er sich sogar die Hand vor den Mund, Respekt, vielleicht besaß er doch ein paar Manieren. Allerdings wollte ich gar nicht wissen, warum er im Gegensatz zu seiner Schwester so müde war. Ich tippte darauf, dass er entweder die ganzen Nächte durchgefeiert hatte oder er sich mit italienischen Mädchen vergnügt hatte. Eigentlich sollte ich ihm das nicht unterstellen, denn ich wusste es überhaupt nicht. Aber es war stark auffällig, dass er ein Profilbild mit einem anderen Mädchen und sich von einem Fast-Kuss hatte, dass sein Status In Love war, er an seinem Handy war und mir trotzdem nicht geschrieben hatte und er jetzt so müde war, während May nicht hätte aktiver sein können. Okay, hätte sie schon, auch sie sah eher erschöpft aus, aber sie schien nicht das Bedürfnis nach Schlaf zu haben.

David nahm sich noch zwei der Koffer (in jede Hand einen) aus dem Kofferraum und hievte sich dann mit ihnen ins Innere des Hauses.

Ich sah ihm sehnsüchtig nach und wünschte mir, alles wäre wieder so einfach wie in London.

My Best Friends BrotherWhere stories live. Discover now