60 - Spiele - I

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Der ehemals weiße Stein der Arena war nun pechschwarz. Auch wenn Julian die Menschen geschont hatte, hatten die Flammen ein ewiges Mal hinterlassen. Sie alle mussten Angst gehabt haben, wieder hierher zu kommen, dachte er, während er neben Cress die Stufen zur Loge der Valeria hinaufstieg.

Er erinnerte sich an den Geschmack von Asche und Blut, das Brodeln der uralten Kraft und an den Moment, in dem seine Beherrschung brach und sich die Flammen wie eine Flutwelle über den Sand wälzten. Die Schmerzen waren so schlimm gewesen, dass die Erinnerung ihn bis ins Mark erzittern ließ.
Er bezweifelte, dass er je wieder einatmen würde, ohne dieses Stechen in seiner Brust zu fühlen und an die Klinge der Cyborg Gladiatorin erinnert zu werden.
Auch Prinzen werden zu Asche.

Er war fast zusammengeklappt, als eine der Amazonen, mit denen Helena sich umgab ihm die Einladung übermittelte.
Die Narbe, die sich quer über seine Brust zog, hatte angefangen zu brennen, als wäre seit diesem schrecklichen Kampf nicht Monate, sondern erst Minuten vergangen. Als würde er wieder blutend auf dem Sand der Arena knien und schreien vor Qual, während alle im zusahen und niemand einen Finger rührte. Während sich die Menschen an seinem Leid ergötzten und ihre blau bemalten Finger in Richtung des steinernen Himmels streckten, bis dieser in Flammen aufging. Bis die Flügel der Gladiatorin schmolzen und die Schreie begannen.

Jetzt verteilten Verkäufer Zuckergebäck auf den Rängen.
Wie viel Helena wohl bezahlt hatte, um die halbe Stadt in diesen Bau zu bekommen? Er bezweifelte nicht, dass sie alle in Panik verfallen würden, wenn jemand sein Gesicht in der Valeria Loge erspähte.

Helena von Avescus rauchte Pfeife, genau wie ihr Mann. Sie empfing den Kronprinzen und die Diebin in der Loge und winkte nachlässig in Richtung zweier Stühle, während eine der bewaffneten Frauen, mit denen sie sich umgab, ihr Wasser einschenkte.
Theseus, Achills Bruder und Kommandeur von Hades Geheimdienst, spielte mit seiner omnipräsenten Goldmünze. Er und Achill waren die einzig anderen Gäste. Niemand wäre so dumm die gesamte Familie mit Julian in eine Loge zu stecken, selbst nachdem seine Verhandlungen mit dem Herrn der Unterwelt in letzter Zeit gut verliefen. Doch dies war nicht Hades Werk.
Die Mutter der Valeria Brüder blies süßen Rauch in die Arena, wie zur Antwort auf die düsteren Mienen ihrer Gäste.

„Die Arena ist der älteste Teil der Stadt", sagte die Löwin und spähte hinunter auf den Sand, während ein Moderator die Menge begrüßte, "Menschen kommen und gehen, aber über Jahrtausende war nichts effektiver, um die Menge von etwas abzulenken, wie rohe Gewalt."

Julians Blick schweifte hinaus zu den schwarzen Rängen. Sie waren gefüllt mit Menschen, aber diese waren so viel stiller als an dem Tag von Julians Hinrichtung. Es lag eine Spannung über dem riesigen Amphitheater, als wäre die Todesangst der Menge in jenen Stunden in jede Ritze gesickert. Als wäre dieser Ort nicht schon von Tod und Grausamkeit gezeichnet gewesen, bevor seine Steine unter den Flammen eines Fremden schwarz wie die Nacht wurden.

„Wir mussten einen Teil des Sands abtransportieren", sagte Helena mit einem schiefen Blick zu Julian, „Ihr habt ihn zu Glas geschmolzen. Die Sekte, die man in Eurem Namen gegründet hat, war ganz scharf darauf."

„Hat es gereicht, um für Eure Schäden aufzukommen?"

Er spürte Cress Blick auf sich. Was würde er dafür geben, weit weg von diesem schrecklichen Ort allein mit ihr zu sein.
Helena stellte ihr Glas ab. Ihre Flechtfrisur war mit einigen scharfen Nadeln versehen, wie Julian auffiel, als sie sich in Richtung Licht wandte, um ihn anzusehen:

„Nicht einmal annähernd."

Theseus Valeria hatte aufgehört seine Münze in die Luft zu werfen und taxierte seine Mutter, als erwarte er, dass sie sich auf Julian stürzen würde. Doch Helena sah erneut mit der Arroganz eines römischen Kaisers auf die Arena hinunter, wo nun ein junges Reh über den Sand stolperte. Mitleid regte sich in Julians Brust, während das Tier schnupperte und sich verwirrt umsah.
Unschuldige braune Augen schweiften über die Menschen. Auf den Bildschirmen, die das Geschehen hundertfach vergrößerten, blitzte ein blaues Halsband auf. Julian beschlich zunehmend das unangenehme Gefühl, dass diese ganze Inszenierung nicht nur dazu gedacht war, die Menge zu unterhalten.

Smokehands (Skythief pt. 2)Where stories live. Discover now