31 - Aufatmen

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 Achill stand auf einem der Balkone des Valeria Anwesens und wartete.
Er hatte sich vergewissert, dass es seinem Vater gut ging und auch, dass man sich um seinen Bruder kümmerte. Jetzt, wo Hades wieder hier war, lastete die Verantwortung nicht mehr auf seinen Schultern. Doch eine neue Figur war auf dem Spielbrett erschienen.
Keine Dame, kein Bauer, kein Springer.
Eine Löwin. Seine Mutter.
Helena von Avescus war hier.
Sie hatte ihren ehemaligen Mann und ihren Sohn vor Nanas Assassinen und einer unabhängigen Söldnergruppe gerettet.

Noch wusste niemand, wer diese angeheuert hatte. Achill würde diejenigen verhören, die seine Mutter gefangen genommen hatte, wenn sich die Wogen etwas geglättet hatten. Momentan würde es mehr schaden als nützen, die jeweilige Familie damit zu konfrontieren. Sein Vater war sicher. Da war das wichtigste.

„Du wolltest mich loswerden?"

Hinter ihm löste sich eine Gestalt aus den Schatten. Groß, aschblond, geschmeidig und mühelos elegant. Tänzer, Krieger, Spion. Unglaublich schöner Mann. Gabriel Walsh hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben. Die Goldkettchen um seinen Hals funkelten, wie seine Augen.
Aus irgendeinem Grund amüsierte ihn die Situation.

„Du hast eine von Nanas Assassinen versenkt. Die waren nicht billig", erwiderte der Valeria kühl.

Der Tänzer legte den Kopf schief.
„Ich dachte, sie wollten mich umbringen. Da kann sowas schon mal passieren. Normalerweise setzt nämlich niemand Mörder auf mich an, um mich in Sicherheit zu bringen."

Achill überhörte die scharfe Kante in der Stimme des Tänzers.

„Wie hast du sie überhaupt dazu bekommen, mitzuspielen? Die rote Mutter hasst mich", fragte Walsh weiter. Stützte sich mit den Ellenbogen auf der Balkonbrüstung ab und gähnte.

„Sie war mir noch etwas schuldig."

Ein scharfer Blick war Achills Antwort, doch der Valeria winkte Walshs Entsetzen mit einer einzigen Geste davon.

„Willst du etwas trinken?"

„Nein, nicht in Stimmung."

Sie sahen sich an.

„Danke, dass du meinen Vater und Orpheus gerettet hast", setzte Achill an, „Ich weiß, dass sie es ohne dich nicht geschafft hätten."

Walsh hielt seinem Blick stand. Lächelte.

„Es war mir eine Freude."

„Wirklich?"

„Ich werde die nächsten Wochen nach schimmligen Geheimgängen und dem Styx riechen."

„Hätte mich auch sehr gewundert."

Walsh trat näher, zog Achill sanft an sich.

„Du und ich sind die Einzigen, die das merken werden. Also betrachte es als deine persönliche Strafe."

Der Blonde grummelte vor sich hin.

„Wir müssen dringend etwas gegen die Verschmutzung dieses Flusses unternehmen", hustete er, als er an Walshs Locken schnupperte.
Sie sahen sich an. Achills ernste Augen im Gegensatz zu Walshs Grinsen.

„Hör' auf so glücklich darüber zu sein, dass du Nana eins auswischen konntest", verlangte der Valeria.

„Aber natürlich, mein Lieber. Jetzt bin ich nur noch froh darüber, dass ich dir eins auswischen konnte."

Achill wandte den Blick ab, starrte düster die Wand an. Walsh seufzte.

„Mir geht es gut. Sei nicht sauer."

Der Valeria schnaubte, was den Tänzer nur wieder zum Schmunzeln brachte. Das hatte der Sohn des Hades von ihm übernommen.

„Du wirst die Stadt nicht verlassen, auch wenn ich dich darum bitte, oder?", fragte er, ohne seinen Geliebten anzusehen.

Dieser schwieg einen Moment. Nahm sich die Zeit, Achills Wangenknochen mit dem Daumen nachzufahren und seinen Kopf sanft zu drehen, sodass er ihn ansehen musste.

„Nein. Das kann ich nicht. Und dazu wirst auch du mich nicht bringen können."

Stirn an Stirn standen sie da, so vertraut, wie man es nur nach Jahren zusammen sein konnte.

„Du kannst mich nicht beschützen, Achill", wisperte der Tänzer, „Ich lebe ein gefährliches Leben. Ich habe dieses Leben gewählt."

Stille, durchbrochen von dem Schlagen der alten Standuhr, die Achill in seinem Zimmer stehen hatte.

„Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn du gestorben wärst."

Der Tänzer schwieg.
Die rohe Wahrheit vor ihm ausgebreitet, wie die Karte einer fremden Welt. Vielleicht hatte er sich deswegen in Achill verliebt. Weil der Valeria in einem Meer aus lügenden Adligen schwamm, ohne selbst einer von ihnen zu sein. Er schwieg für die Familie, doch sein Schwiegen zerbrach ihn fast. Bei ihm konnte Walsh ehrlich sein.
Keine Lügen.
Das war ihre einzige Regel.
Keine Lügen, niemals.

„Du weißt, dass ich es weiter versuchen werde."

Walsh lächelte.

„Ich wäre enttäuscht, wenn du es nicht tun würdest."

Smokehands (Skythief pt. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt