68 - Furcht

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Die Unterwelt war in Aufruhr. Während Hades treue Ritter die Knochenschwestern in die Zellen der Stadt verfrachteten, wo auch der Kronprinz seine Zeit abgesessen hatte, versammelten sich die Valeria in der streng bewachten Villa ihrer Familie.

Die Gesellschaft war so groß geworden, dass sie einmal mehr an der langen Tafel im eigentlichen Esszimmer Platz nehmen mussten. Das letzte Mal waren sie in dieser Runde versammelt gewesen, um über Julian d'Alessandrini-Casaneras Urteil zu beraten. Damals hatten sie ihn trotz seiner Unschuld zum Tode verurteilen müssen – nun saß er mitten unter ihnen.

Auch die Diebin hatte sich auf einem zusätzlichen Stuhl niedergelassen. Sie war die Einzige, die in Anwesenheit des Halbsterns entspannt wirkte, obwohl man ihr vor Betreten des Raumes sage und schreibe acht Messer abgenommen hatte. Achill zweifelte trotzdem nicht daran, dass sie die meisten in ihrer Umgebung in einem fairen Kampf mit Leichtigkeit besiegen könnte.

Daedalus, der jüngste Valeria Bruder, starrte die beiden mit so unverhohlener Bewunderung an, dass Achill sich sicher war, dass er gerade in Gedanken eine Ballade über den Flammenmann und den Schattenvogel komponierte, während sie alle auf Hades warteten.

„Er hat Mutter in die Festung sperren lassen, nicht in die Verließe", raunte Theseus Achill zu, als er mit wehendem Umhang in den Raum kam und die Lederhandschuhe vor sich auf den Tisch pfefferte.

„Nobel von ihm", knurrte Orpheus, der rechts von Achill an der Wand lehnte, „Das letzte, was er je wollte, ist ein Krieg mit der Oberfläche und genau das hat sie ihm jetzt beschert."

Trotz der Zeit, die seit der Nacht in der Arena vergangen war, hatte sich die Verbrennung auf Orpheus Haut noch nicht regeneriert. Im Gegenteil, die Haut war immer noch rot und schorfig unter der Kapuze, die er nun immer trug, um vor der Welt zu verbergen, was das Feuer ihm angetan hatte.

Achill wusste nicht, was zwischen dem Alessandrini Erben und seinem Bruder vorgefallen war. Keiner von den beiden sprach darüber und Orpheus hatte weder geklagt, noch hatte er den Kronprinzen konfrontiert. Doch er war der einzige Mensch gewesen, dem das Feuer weh getan hatte.
Orpheus bemerkte Achills nachdenklichen Blick und verspannte sich. Sie hatten ganz andere Probleme.

„Sie hat uns die Klinge an den Hals gesetzt", stimmte Aeneas in diesem Moment grimmig zu.

„Noch sind keine Schüsse getauscht worden", beruhigte Achill seine Brüder, „Vater wird alles tun, damit das nicht geschieht. Reißt euch zusammen und verbreitet keine Panik, wo keine angebracht ist."

Doch Achills scheinbar unerschütterliche Ruhe war düster. Er stand im engsten Kreis seines Vaters und schwieg, während um ihn her rege diskutiert wurde. Die einen wollten Verhandeln, die anderen schrien nach Blut. Helena von Avescus war nicht anwesend, doch ihr Name fiel in jedem zweiten Satz. Die Berglöwin, die Herrin der Gladiatoren, die gefallene Persephone, die letzte Kaiserin, Mutter der Valeria Erben.
Ketzerin. Mörderin.

Als Hades in den Raum rauschte, sprangen sie alle auf die Füße. Doch der Herr der Unterwelt hob nur die Hand, um sämtliche Diskussionen zum Schweigen zu bringen, während er sich ans Kopfende des Tisch begab.

„Die Frau, die Helena heute in der Arena hinrichten ließ, trug den Namen Cheleste Silencia", begann der Herr der Unterwelt, „Sie gehört zu den sogenannten Knochenschwestern, den drei tödlichsten Soldaten der Hohen, Dominique Alessandrini-Casanera. Das bedeutet, wir befinden uns ab diesem Moment in einer hoch kritischen Situation, die auf keinen Fall eskalieren darf. Eine der meistgefürchteten Kriegerinnen der oberen Stadt starb heute auf unserem Boden. Ihre beiden Schwestern haben wir dank Julian Alessandrini und Cress Cye in unserer Gewalt, doch das ändert nichts daran, dass Helena durch ihre Unbedachtheit eine schwere Krise heraufbeschworen hat. Wir sind alle in Gefahr. Deswegen habe ich Euch im engsten Kreis hergebeten. Fragen?"

Smokehands (Skythief pt. 2)Where stories live. Discover now