61 - Spiele - II

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„Was habt Ihr nur getan."

Julians Stimme brach, als Cheleste das stumpfe Schwert in ihrer Hand fester fasste und zwei Schritte zurückwich. Hatte Julian sie jemals zurückweichen sehen?

„Vater wird dich umbringen."

Es war das erste Mal, dass Julian Theseus sprechen hörte. Helena ließ ihren Blick auf der Arena ruhen, während der Gladiator und die Knochenschwester einander umkreisten und ignorierte beide. Cheleste trug die weiße Hightec Rüstung, in der man sie aufgegriffen hatte, doch bei dem schrecklichen Zustand würde selbst die Technologie des Kernbezirks sie nicht ausreichend schützen. Sie blutete aus dem Mundwinkel, als hätte man sie bereits schwer verletzt.
Das war kein fairer Kampf. Es war eine Hinrichtung.

„Dann soll er es versuchen", schmunzelte Helena.
Ihre Wächterinnen waren nähergetreten. Sie blockten die Liege, auf der die Löwin residierte, sodass Julian, Cress und May rein körperlich keine Gefahr für sie darstellten.

Julian wusste, dass er nur Momente hatte, um sich zu entscheiden, auf welcher Seite er stand. Helena hatte nicht nur Hades in eine prekäre Lage gebracht, sie hatte auch Julian vor eine unmögliche Wahl gestellt. Sie hatte May hierhergebracht, um sämtliche Brücken hinter ihm abzubrennen, wenn er sich so entschied, wie er musste. Vielleicht auch, um zu sehen, ob May ihr Leben für das der Knochenschwester geben würde.

Die Hohe sagte kein Wort.
Sie starrte hinunter auf die Arena, die Hände um die Brüstung gekrallt, während der heilige Stein in ihrer Brust schneller pulsierte, als ein Herzschlag sein sollte. May zuckte zusammen, als der Gladiator auf Cheleste zu rannte und einen Treffer gegen ihren Arm landete. Helles But strömte aus einer langen Schnittwunde.

Julians Magen verkrampfte sich, als er die Schritte wieder erkannte. Hyppollita hatte ihn ebenfalls in dieser Manier bluten lassen, hatte ihn gereizt und die Illusion aufrecht erhalten, damit die Menge schreien konnte und der Kampf nicht innerhalb von Minuten vorbei war. Er spürte Cress Hand auf seinem Rücken.

„Atmen", flüsterte sie ihm zu, so leise, dass es niemand anderes hören konnte, „Weiteratmen. Sie können dir nicht weh tun. Das lasse ich nicht zu."

Helena leckte sich über die Lippen, als würde das Gemetzel ihren Appetit anregen.

„Wo habt ihr sie gefunden?", fragte Cress. Sie schien als einzige völlig unbeeindruckt von der politischen Katastrophe, die sich gerade auf dem Sand der Arena entfaltete. Helena zuckte nicht einmal mit der Wimper, doch die Frage war auch gar nicht an sie gerichtet gewesen.

„In den Tunneln zur Oberfläche", antwortete Orpheus nach einer langen Pause, in der die Menge ein weiteres Mal jubelte und May ein Geräusch von sich gab, als hätte man sie getreten.

Julian zwang sich, den Blick abzuwenden. May sah sprachlos zu ihm, erhoffte sich wohl Unterstützung, doch die Augen des Kronprinzen waren dunkel. Auch Helena hatte ihren Blick auf ihn gerichtet, den Kopf leicht schief gelegt. Sie sah aus wie eine der mächtigen Frauen von Elysion, deren Bilder Achill ihnen gezeigt hatte. Golden, gefährlich, fast göttlich. Wie perfide sie sowohl Hades als auch Julian ausgespielt hatte.

Die ganze Welt ist nur ein Spielzeug für sie, hatte er zu Cress gesagt.
Diese Mentalität – er kannte sie nur zu gut. Manipulation, Intelligenz, Hochmut und Grausamkeit. Die vier Zacken der Krone, die er hätte erben sollen. Doch nicht alle Tyrannen mussten gekrönt werden, um Schrecken zu verbreiten.

May presste sich eine schlanke Hand auf die Lippen. Tränen standen in den Augen der Hohen, als sie zusah, wie eine Ordensdame auf den Sand blutete. Chelestes Schrei hallte tausendfach zwischen den Tribünen nieder. Nur ihr Stolz hielt die beiden Silbernen an diesem dunklen Ort, so weit entfernt von ihren geliebten Sternen, noch aufrecht. Als May sich auf Helena stürzen wollte, packten die Amazonen sie grob an den Armen. Die Schreie der Hohen ertranken in den Schreien der Menge.

Smokehands (Skythief pt. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt