10 - Der Tänzer

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Kurze Vorbemerkung:
Ich mag dieses Kapitel. Und es ist seeehr lang. Viel Spaß.

Er träumte von einer Klinge, die durch Schneeflocken auf den König der letzten Stadt zu raste.
Von der Sekunde, in der er seine Schwester so aus der Fassung brachte, dass sie für den Bruchteil eines Moments die Kontrolle über ihre Kräfte verlor.
Dunkles Blut, das dampfend den Schnee schmolz, der sich auf dem Boden um den Angeklagtensessel angesammelt hatte.
Frostige Luft in seiner Kehle. Dominiques Aufschrei.

Nach und nach, als würde man zusehen, wie die Polarsonne nach unzähligen Monaten schließlich hinter dem Horizont verschwand, um langsam die lange Nacht über den Himmel fluten zu lassen, erstarb das Licht in den Augen seines Vaters.
Der Dolch fiel aus der Hand des sterbenden Königs, klackerte auf dem Steinboden.
Der Mann, der sich so weit von Julian entfernt hatte, gegen dessen eiserne Faust er sich immer wieder gesträubt hatte, der ihn mit zehn Jahren gezwungen hatte, einer Hinrichtung beizuwohnen.
Knapp drei Jahre, nachdem er seinem Sohn unter welkenden Rosen die ersten Italienischen Vokablen beigebracht hatte, starb Miaserus d'Alessandrini-Casanera durch den Dolch, den er seinem Erben in der selben Stunde und im selben verbotenen Garten geschenkt hatte.

„Ein furchtloses Herz, ein klarer Kopf und eine starke Hand. Das braucht es, um König zu sein. Krone, Schwert und Buch", tiefblaue Augen sahen auf Julian herab, beruhigend und weniger gezeichnet von der Zeit und der Plasmakrone.
Der junge Prinz verstand nicht ganz, was sein Vater meinte und rechnete damit, dass er ihn jeden Moment nach den Vokabeln fragen würde, aber Miaserus sah ihn weiter so schwermütig an.
Schwermütig, aber stolz.

„Du wurdest gezeichnet, als man dir deine Farbe gab", lächelte der König viel milder, als er es je wieder sein würde, „Das hier", er sah auf den tintenblauen Umriss des Vogels am Handgelenk seines Sohnes hinab, „haben nur sehr wenige Menschen. Man sagt, dass Vespar der Retter diesen Vogel trug.
Der erste König der Stadt war gezeichnet wie du."

„Was heißt das?"

Der damals blutjunge König hatte gelacht.

„Es bedeutet, dass die Sterne dich gesegnet haben, sagt der hohe Orden. Dass du die Welt für immer verändern wirst. Damit", er stupste seinem Sohn in die Brust und dieser quietschte auf, „und damit", Miaserus hob Julian in die Luft, umfasste eine seiner kleinen Hände mit seiner riesigen und stieß sie gen Himmel.

„Weil du mein Sohn bist, Julian. Mein Sohn, hörst du? Mit Herz, Kopf und Hand wirst du König werden."

„Ich weiß schon", hatte der Prinz ein bisschen verwirrt erwidert, während ihn Miaerus wieder auf die eigenen Beine stellte.

Julian blinzelte die Erinnerung weg. Das warme Gefühl im seiner Brust wurde zu nichts als kühlem Nebel.
Schritte näherten sich, begleitet von Kimmys gedämpfter, fast unterwürfiger Stimme.
Der Tonfall ließ Julian aufmerken. Wer auch immer bei dem Wärter war, war anscheinend wichtig genug, um den alten Sadisten die Samthandschuhe auspacken zu lassen.
Sie blieben vor seiner Zelle stehen. Kimmy und ein größerer Gast mit einer schwarzen Kapuze, die sein Gesicht verbarg.

„Da ist er", das Lächeln, das die Worte des Kerkermeisters begleitete, war breit und so erzwungen, dass Julian damit rechnete, Kimmys Gesichtszüge unter der Last zerbrechen zu sehen.

Julian schoss in die Höhe, als der alte Mann mit einem Ächzen das klemmende Schloss der Zelle öffnete. Was wollten sie von ihm?
Wurde er jetzt hingerichtet? Sofort?

Als der Fremde in die Zelle schwebte, wie ein Phantom, und Kimmy hinter ihm die Tür verschlossen hatte, war dem Kronprinz der kalte Schweiß ausgebrochen.
Das hier war ein Trick, da war er sich sicher. Nur was wollten sie noch von ihm?
Er war ihnen schon ausgeliefert, saß in einer Zelle, ohne Hoffnung darauf, je wieder das Sonnenlicht zu fühlen.

Smokehands (Skythief pt. 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt