SSW 8 [1]

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Das grausame einsame Wochenende war vorbei. Ich musste nicht mehr den ganzen Tag nur im Bett liegen und weinen. Ich musste jetzt wieder ins Leben raus und konnte da weiterweinen. Yoongis Nachrichten habe ich hier wieder voll ignoriert und auch seine Anrufe habe ich auf lautlos gestellt. Ich konnte es nicht ertragen, etwas von ihm zu hören. Stattdessen aß ich tonnenweise Schokolade. 

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Meine Mutter begrüßte mich wie jeden Morgen. Seitdem ich da so etwas hatte, da benahm sie sich viel fürsorglicher. "Guten Morgen." Ja, das war kein guter Morgen. Mir war nämlich schon wieder schlecht. So unfassbar schlecht. "Eine Woche noch und du bist im dritten Monat." Ja, das wusste ich selbst! Das musste sie mir nicht sagen. "Hast du schon Yoongi Bescheid gesagt?" Yoongi? Was hatte er denn damit zu tun? "Nein. Das ist auch gar nicht nötig." Ich trank meinen Tee zu Ende. Ich werde die halbe Stunde zur Schule laufen, deswegen musste ich früher raus. "Wie?" Ja, wie wohl? "Ich will es abtreiben." Ein Kind in sich wachsen zu haben, war keine Aufgabe für einen Jungen. Ich war ein normaler Junge... Noch nicht, aber bald werde ich wieder normal sein. "Du solltest vorher mit Yoongi darüber reden." Yoongi? 

"Mama! Ich bin erst siebzehn Jahre alt, muss dieses Schuljahr noch zu Ende machen, bevor ich dann noch eins habe! Ich wollte studieren gehen und erst dann eine Arbeit finden! Ich kann das nicht!" Ich kann das nicht, weil ich kein Kind haben konnte. Das war nicht meines. Das war etwas, was ich ertragen musste, solange, bis es weg war. Ich musste nur noch kurz warten. "Es ist auch Yoongis Kind. Er hat ein Recht darauf, da mitzubestimmen." Ja, schön. "Aber er wird nie etwas davon erfahren!" 

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Der Weg zur Schule war verdammt, verdammt anstrengend. Ich bin schon oft zur Schule gelaufen, aber ich hatte mir das ganze leichter in Erinnerung. Ich musste zum Beispiel zwei Mal einfach anhalten, um tief durchzuatmen. Und als ich dann an der Schule angekommen bin, da fühlte ich mich, als wenn ich die restlichen paar Meter einfach gejoggt bin. Das war aber wirklich nicht schnell. Tatsächlich bin ich ziemlich langsam gelaufen und trotzdem keuchte ich mich die letzten Stufen hoch. Was? Klaust du mir jetzt auch noch die Luft? Du bist ein kleines Monster.

Gang zur Toilette und dann saß ich kurz vor Beginn des Unterrichtes im Klassenzimmer. Eines war sehr schön. Durch das Laufen fühlte ich mich besser. Die Übelkeit war nicht mehr so schlimm, wie zu Hause noch und eigentlich wurde das nicht so schnell besser. Der Tag war auch gut überstanden. Im Unterricht konnte ich soweit abschalten, dass ich ganz vergaß, welche Probleme ich eigentlich hatte. 

Naja, solange bis sich meine Blase wieder meldete und ich beschämt fragen musste, ob ich doch mitten im Unterricht schnell gehen kann. Das war so dermaßen peinlich. Ich versuchte mir da auch etwas einzureden. Das ist nur ein Druckgefühl. Du warst vor zwanzig Minuten schon auf der Toilette. Zweimal im selben Unterricht kannst du nicht fragen. Aber dann rannte ich nach der Stunde immer ganz panisch auf das nächste WC. Und das Rennen war anstrengend. Verdammt nochmal mega anstrengend. Das kleine Monster klaute mir doch tatsächlich die Luft! 

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"Jimin? Yoongi schon wieder." Ich sah von meinem Heft auf, dann entdeckte ich meinen Freund in der Tür. Ich musste jetzt aufstehen, oder? Er sah mich an und das war mir bewusst. Schnell zog ich mir das weite Shirt etwas weiter über meinen Bauch, dann stand ich ängstlich auf. "Wieso ignorierst du meine Nachrichten und nimmst meine Anrufe nicht an?" Wieso wohl? Er hatte keinen Plan und das machte mich fertig. Aber gleichzeitig wollte ich das ja auch. Ich konnte nicht damit leben, dass er es nicht wusste und ich könnte auch nicht damit leben, wenn er es wüsste. Ja, Jimin. Das Leben ist einfach nur unfair zu dir. 

Ich bin schwanger und das von dir. Aber das konnte ich nicht sagen. Es war viel zu schwer und deswegen schüttelte ich den Kopf. "Ich war am Wochenende wenig am Handy." Ja, sicher war das der Grund. Aber du hast wirklich auf gar keine seiner Nachrichten geantwortet. Yoongi lachte etwas auf, dann drehte er sich um und ging. Nein! Nicht gehen! Gehe nicht. Oh mein Gott. Genauso wird es sich anfühlen, wenn mich Yoongi verließ. Genauso und eigentlich noch viel schlimmer. Er wird mich einfach wegschmeißen, dabei hatte ich etwas von ihm in mir drin! ES IST AUCH DEINES! WIESO KÜMMERST DU DICH DANN NICHT DARUM?

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Der nächste Morgen begann mit einer Runde kotzen und weinen. Also hockte ich auf dem kalten Badezimmerboden, starrte in die Toilettenschüssel und weinte auch ein bisschen darein. "Jimin..." Nein, wirklich nicht. Ich schluchzte schwer auf, spülte schnell alles runter. "Ich will nicht in die Schule!" Dafür hatte ich verdammt schlecht geschlafen, dementsprechend müde war ich und ich konnte nicht mehr atmen, weil mir die Luft einfach genommen wurde. Ich atme einfach für zwei! Wer hat sich diese Scheiße ausgedacht? "Okay." Ja, danke.

Also kroch ich eine halbe Stunde später zurück in mein Bett, weinte dann solange weiter, bis ich dann wieder einschlief. Dann wachte ich etwas besser am Mittag auf, ging spät Frühstücken und setzte mich dann ans Lernen. Das lenkte mich ab. Es lenkte mich wirklich gut ab. Bis auf Mama, die mir Snacks brachte, meinen Tee immer wieder neu aufgoss und mich durchknuddelte. Und natürlich waren da die ätzenden Gänge auf die Toilette. Ich machte mir nicht mal mehr die Mühe richtig zu spülen. In zehn Minuten bin ich sowieso wieder hier.

Dann kam das späte Mittagessen, die weiteren Snacks und der Schlaf, der sich bis in den Abend zog. Erst dann sah ich auf mein Handy, nur um mit einer großen Enttäuschung festzustellen, dass mir Yoongi den ganzen Tag nichts geschrieben hatte. Natürlich würde ich die Nachrichten ignorieren, aber das war wie ein Schlag ins Gesicht. Er machte sich nicht mehr die Mühe... Ich weiß, ich war da zum Teil auch einfach selbst Schuld und diese Tatsache zusammen mit den Schmerzen in meiner Seele und im Herzen brachte mich wieder einmal zum Weinen. 

Am Abendessen herrschte ungewöhnliche Stille, dann seufzte meine Mutter auf. "Ich habe Yoongi für morgen Abend zum Essen eingeladen, dann werde ich das Haus verlassen und ihr werdet reden. Du wirst ihm gefälligst alles erklären." Nein! Nein, das konnte ich nicht. Ich konnte es ihm jetzt erst recht nicht beichten! Ich kann das einfach nicht! Wie stellte sich Mama so etwas vor!? Wie nur? "Nein." Sie lachte auf, nahm mir den leeren Teller weg. "Oh, und wie! Ich werde dir nicht mehr beim Weinen zuhören, nur weil du so dumm bist und es ihm nicht sagen willst!" Wieso bin ich jetzt dumm? Es war doch alles nicht mal ganz meine Schuld! Ich war nicht Schuld daran in diesem Körper geboren worden zu sein. Ich war eben ein ganz großer Fehler! Eine Missgeburt und dabei war ich ihr Kind! 

"Yoongi wird mich hassen!" Und wie er es wird. Er hatte sein ganzes Leben noch vor sich und dann komme ich mit meinem Geburtsfehler her und will ihm ein Kind aufdrücken, was wissenschaftlich noch nicht einmal existieren sollte! "Das weißt du nicht, Jimin. Er ist so ein lieber Junge!" Ja, Moment. Lieb war er und dann wird er aber nicht mehr lieb, wenn er erfahren sollte, dass ich ihm sein Leben kaputt gemacht hatte! Das Leben in mir machte es uns beiden einfach nur kaputt! "Und du wirst morgen alles sagen und ihr beide werden euch ausreden!" Na danke. Ich schluchzte wieder einmal auf, rannte die Treppen nach oben. Ich verfluchte die wenige Luft, die ich dadurch hatte und trotzdem knallte ich die Zimmertür zu. Alle hassen mich... 

Pregnancy || YoonminWhere stories live. Discover now