Kapitel 33

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Kapitel 33

Der Wald durch den ich gehe ist dunkel und still. Friedlich erstreckt er sich um mich herum und gibt mir das Gefühl geborgen zu sein. Ich kann eine Eule kreischen hören, weit über meinem Kopf und es bringt mich zum Lächeln. Friedlich und still. Wie eine Decke hüllt mich die Dunkelheit ein und trägt mich fort an einem Ort an dem ich geborgen bin.

Doch dann höre ich die Schritte. Schwere, laute Schritte, bei deren Klang sich meine Nackenhaare aufstellen. Unausweichlich kommen sie näher. Die Friedlichkeit verschwindet. Stattdessen knistert Gefahr in der Luft, prickelt um mich herum und liebkost meine Haut mit einer Bedrohung, die sich in meinen Körper krallt. Irgendetwas in mir sagt mir, dass ich besser laufen sollte. Rennen um mein Leben. Und ich widerspreche nicht, sondern laufe los.

Die Dunkelheit, die mich gerade noch in Geborgenheit gehüllt hat, sorgt nun dafür, dass ich nicht sehen kann, wo ich hinlaufe, sodass andauernd Sträucher mein Gesicht zerkratzen. Obwohl ich renne, kommen die Schritte immer näher.

Sie sind das einzige was ich hören kann, ansonsten ist alles still. Meine Beine fühlen sich immer schwerer an und mein Atem ist hektisch. Und dann wird es gefährlich still um mich herum. So als mache sich das Raubtier bereit, sich auf sein Opfer zu stürzen. Von der Angst getrieben setzte ich noch ein Zahn zu, obwohl mein Körper schon völlig erschöpft ist.

Und auf einmal reißt mich etwas zu Boden. Etwas Schweres liegt auf mir. Und weil ich zu schwach bin um wieder aufzustehen, werde ich gezwungen liegen bleiben. Jemand sitzt auf mir, ich kann aber nicht erkennen wer es ist, da diese Person mein Gesicht in den Boden drückt, so dass Erde und Sand in meinen Mund und meine Nase gelangen.

Ich versuche mich zu befreien, werfe mich nach links, werfe mich nach rechts, doch alles ist wirkungslos. Das Gewicht verschwindet von meinem Körper, so dass es mir gelingt den Kopf zu heben und keuchend nach Luft zu schnappen. Hände legen sich um mich, wie Schraubstöcke, dann werde ich auf den Rücken gedreht. Ich blicke in ein vertrautes Gesicht. Erleichtert erkenne ich Louis der sich über mich beugt. Das alles ist sicher nur eine Übung.

Doch dann fällt mir plötzlichen ein kleines Detail auf. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. In seinen Augen kann ich denselben Wahnsinn erkennen, wie in denen des Mannes. "Louis...", wispere ich kaum hörbar.

Doch er grinst mich nur irre an und holt etwas hinter seinem Rücken her. Vor mir sehe ich ein Messer aufblitzen. Ich beginne zu schreien, doch niemand kann mich hören, wir sind allein. "Nein, Louis, bitte nicht", flehe ich, doch er zeigt keine Regung. Stattdessen holt er aus und schon rast die Klinge auf mich zu. Das letzte was ich sehe ist das kalte aufblitzen von Metall, bevor sich die Klinge in meine Brust bohrt.

Schreiend und vollgeschwitzt sitze ich aufrecht im Bett. Es war nur ein Traum, versuche ich mich zu beruhigen. Mein Körper zittert und ein Kreischen gellt in meinen Ohren. Panisch schaue ich mich nach der Person um, bis ich begreife, dass ich es bin, die so kreischt.

"Was ist los?", ruft Helen panisch, die mittlerweile auch aufrecht sitzt. Sie knippst das Nachtlicht an ihrem Bett an und das grelle Licht zwingt mich dazu, die Augen zusammen zu kneifen.

Ich schließe den Mund und schon verstummt mein Schrei. Zitternd atme ich tief ein und aus und das so lange, bis ich mich so weit beruhigt habe, dass ich meiner Stimme wieder traue. "Ich hab nur schlecht geträumt, tut mir Leid", murmel ich und starre die hell erleuchtete Wand vor mir an. Schlaftrunken brummt Helen irgendwas und legt sich wieder hin.

Ich hingegen kann nicht mehr schlafen. Der Blick des Mannes geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Dieser Wahnsinn, der in seinen Augen brannte wie Flammen. Dieser Gesichtsausdruck, der zeigte, dass er uns am liebsten mit der Faust den Kopf spalten wollte. Um mich zu beruhigen winkle ich die Beine an, presse die Hände vors Gesicht und nach vorne übergebeugt lausche ich Helens Atemzüge, die nach ein paar Minuten wieder gleichmäßig werden.

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