Kapitel 48

2.8K 197 10
                                    

„Ich versteh nicht, wie du immer so spät sein kannst", tadelt Louis mich, als wir uns beeilen zu Bobs Büro zu kommen. „So spät sind wir auch nicht", versuche ich es herunterzuspielen, aber eigentlich weiß ich selber, dass ich hätte pünktlicher sein müssen.

„Was? Wir sind ne halbe Stunde zu spät. Ich dachte du hättest wenigstens ein bisschen was aus dem Benimm Unterricht gelernt."

Ich habe jetzt keine Lust zu streiten, weshalb ich die Sache auf sich beruhen lasse. Endlich erreichen wir Bobs Büro und treten ein. Alle Augen richten sich auf uns und ein Großteil scheint nicht sehr erfreut über die Verspätung.

„Da seid ihr ja endlich. Wir waren gerade dabei Truppen aufzustellen", führt Bob uns ein und ich nehme neben ihm Platz.

„Wie groß ist die Resonanz?", frage ich, da ich mir nach der Kritik von Jack und Louis nicht sicher war, ob überhaupt irgendjemand freiwillig teilnimmt.

„Überraschend groß, fast 80% der Rebellen beteiligen sich und wir rechnen mit weiteren Zusagen." Diese Nachricht ist sehr erfreulich und ich sehe, dass Louis sehr überrascht zu sein scheint.

„Aber es gibt ein anderes Problem. Von der anderen Seite gibt es nur Bewerbungen von der allgemeinen Bevölkerung." Von wem hat er denn sonst was erwartet.

„Das verstehe ich nicht. Wer sollte ich denn melden? Leute aus der Oberschicht?", hake ich nach. „Nein, andere Gruppierungen", erklärt Bob. Doch auch das hilft mir nicht weiter, sondern wirft eher noch mehr Fragen auf.

„Es gibt nicht nur die Rebellen, Keira. Aber von den anderen hörst du in der Oberschicht nicht, da sie alles zu den Rebellen fassen", erläutert Louis, als er meinen verwirrten Blick sieht.

„Und was für andere Gruppierungen?", will ich wissen. Mir war vorher nie bewusst, dass es noch etwas außer den Rebellen gab. Aber wenn es noch weitere Gruppe gab, mussten wir sie auf unsere Seite ziehen. Je mehr Leute desto besser.

„Nun ja, es gibt die religiösen Fanatiker. Die glaube, der Virus sei eine Strafe Gottes, da der Mensch der Schöpfung zu sehr geschadet hat", beginnt Bob. Das ist verwunderlich, da Religion in unserer Gesellschaft eher eine untergeordnete Rolle spielt und es viel mehr auf Geld ankommt.

„Dann gibt es noch diejenigen, die sich durch irgendwelche Stoffe über den Virus hinwegtrösten. Die sind ebenso unnütz wie die Fanatiker, da erste nicht für unsere Sache kämpfen würden und letztere es nicht könnten. Dann gibt es unzählige kleinere Rebellengruppen, die könnten unserer Sache dienen und stimmen größtenteils mit unseren Ansichten überein", zählt Louis weiter auf.

Ich verstehe nicht, warum Bob unbedingt will, dass die sich uns anschließen, wenn der Großteil uns nicht einmal helfen kann. „Du hast eine Gruppe vergessen", sagt Bob und Louis Blick verfinstert sich. Was ist denn jetzt los? Das letzte Mal als ich diesen Blick gesehen hatte, war, als Daniel noch hier war.

„Die verlorenen Kinder", ergänzt Bob. „Ein Zusammenschluss von Jugendlichen, deren Eltern stinkreich aber jung verstorben sind. Die Mitglieder dieser Gruppierung halten nichts von dem System und leben ihr Leben. Sie sind sich dem unausweichlichen Tod bewusst.

Daher kommt auch ihr Name. Er entstand in Anlehnung an Peter Pan und die verlorenen Jungs. Genauso wie die Kinder im Roman, werden sie nie erwachsen. Allerdings nimmt ihre Geschichte kein schönes Ende denn sie sterben."

Das hört sich traurig an. Warum machen die sowas? Mit Geld könnten sie sich Medizin kaufen und lange Leben. Sogar glücklich, wenn ihre Eltern reich waren.

Eine weitere Frage brannte sich mir in den Kopf. Warum war Louis' Gesichtsausdruck so negativ? „Und wie überzeugen wir sie?", will ich von Bob wissen. Diese Gruppe klang nicht so, als würde sie mit uns kämpfen. Es hörte sich eher an als seien sie egoistisch und arrogant.

„Nun ja, ich habe das Gefühl, dass du in der Lage bist sie zu überzeugen", sagt Bob. Ich? Vor ein paar Minuten hatte ich nicht einmal etwas von dieser Gruppe gewusst.

„Ich glaube, das ist keine gute Idee", mischt sich Louis ein. Seine Stimme klang fest und hörte sich so an, als ließe sie keinen Widerspruch zu.

Doch das scheint Bob nicht sonderlich zu interessieren. „Und wer soll sonst mit ihnen reden? Du?" So langsam beschlich mich der Verdacht, das etwas zwischen Louis und diesen verlorenen Kindern vorgefallen war.

„Nein, aber nicht sie. Es gibt genug andere die mit Joe reden können." Louis schreit Bob fast an. Was ist sein Problem? So schlimm können die doch nicht sein?

„Warum nicht sie? Sie hat ihren Job bis jetzt sehr gut gemacht", verteidigt Bob seine Meinung. Mir reicht es, dass sie über mich reden, als sei ich nicht anwesend.

„Hört sofort auf damit. Ich bin kein kleines Kind mehr, ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen", fahre ich sie an und augenblicklich sind sie still.

„Ich habe zwar keine Ahnung, was dein Problem mit denen ist, aber soweit ich Bob vertrauen kann, brauchen wir sie für die Rebellion. Und wenn er glaubt ich könne sie überzeugen, ist es mir eine Ehre das zu versuchen.

Ich glaube ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen", schließe ich ihre Diskussion. „Na gut, aber ich komme mit", gibt Louis nach.

„Nein, wirst du nicht. Dann können wir es auch ganz sein lassen. Keira schafft das schon alleine", widerspricht Bob. Louis will protestieren, doch Bob bringt ihn mit einem Blick zum Schweigen.

„Schön, wenn meine Hilfe nicht benötigt wird, dann gehe ich", fährt Louis Bob eingeschnappt an und stürmt raus. „Louis, warte", rufe ich und laufe ihm nach.

Ich habe Schwierigkeiten ihn einzuholen. „Louis, jetzt warte doch Mal", schreie ich. „Warum?", fährt er mich an. Dazu hat er absolut kein Recht. Er ist sauer auf Bob und nicht auf mich. Außerdem hab ich überhaupt nichts mit seinen Problemen mit den verlorenen Kindern zu tun.

„Was ist dein Problem?" Mittlerweile bin ich auch sauer. Er benimmt sich wie ein Kleinkind. „Es interessiert doch eh keinen, wenn ich etwas sage."

So langsam geht er mir auf die Nerven, kann er sich nicht einfach wie eine erwachsene Person verhalten? „Natürlich interessiert es mich. Also los, sag mir was dein Problem ist. Ich verstehe nicht warum du so einen Hass auf die Gruppe hast", versuche ich eine Antwort von ihm zu bekommen.

„Warum kannst du mir nicht einfach beistehen und mich nicht in Frage stellen? Wenn du wirklich wissen willst, was los ist, dann frag doch Joe, wenn du bei ihm bist. Aber wunder dich dann nicht, wenn du deine Entscheidung bereust." Louis dreht sich ohne eine zufriedenstellende Antwort um und stürmt davon.

Diesmal laufe ich ihm nicht hinterher. Er ist derjenige der sich kindisch verhält, nicht. Bevor er sich nicht beruhigt hat, werde ich auch nicht mit ihm reden.



RebellionWhere stories live. Discover now