Kapitel 28

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Kapitel 28

Als ich an diesem Morgen aufwachte, war ich ganz allein im Zimmer. Weder Helen noch Balu waren irgendwo zu finden.

Da ich sowieso nicht wüsste, wo ich nach ihr suchen sollte, ging ich duschen und hoffte, dass ich Helen beim Frühstück sah.

Balu war wahrscheinlich schon beim Training, wenn Helen weg war, dann hatte sie ihn bestimmt vorbeigebracht.

Als ich mit dem duschen fertig war, betrachtete ich mein Spiegelbild, ich hatte schließlich Zeit.

Ich sah ein Mädchen mit definierten, aber dennoch weichen Gesichtszügen. Die großen blauen Augen stachen hervor und wirkten kühl und längst nicht mehr so weinerlich und wässrig wie früher.

Die dunklen Haare fielen leicht lockig neben meinen Wangen her und umrahmten das blasse Gesicht. In der Zeit, in der ich hier unten war, hatte die sowieso schon klägliche Bräune mein Gesicht komplett verlassen.

Ich strich mir eine Strähne hinters Ohr, die mir ins Gesicht gefallen war. Nur vage erkannte man das Mädchen das vor einem Monat noch mitten im Reichenviertel von London gelebt hatte.

Das Mädchen, das sich auf Daniel eingelassen hatte, das trotzig war, das Mädchen, das trotzdem keinerlei Chance hatte sich zu wehren.

Und jetzt ich dieses Mädchen im Spiegel, mich. Ein Mädchen, dass vollkommen in der Lage war Knochen zu brechen oder sich zu verteidigen.

Das Mädchen, dass nicht einem Jungen wie Daniel nachtrauern würde. Das Mädchen das einfach aufstand wenn es fiel und mit erhobenem Mittelfinger weiterging.

Genau dieses Mädchen sah mich jetzt im Spiegel an, dieses Mädchen war ich. Und diese Tatsache zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht.

Mit erhobenem Haupt schritt ich aus dem Badezimmer und zog mich vollständig an. Nachdem ich die Schuhe zugeschnürt hatte, lief ich in Richtung Speisesaal.

Kurze Zeit später und mit einem Tablett bewaffnet, ging ich zu unserem Stammtisch. Doch zu meiner Überraschung saß dort nur Louis.

"Wo ist Mino?", fragte ich ihn verwirrt und setzte mich ihm gegenüber. "Keine Ahnung, als ich ihn heute Morgen aus seinem Zimmer abholen wollte wie immer war er nicht da und sein Zimmernachbar meinte, er sei mit Helen abgehauen."

"Hm, komisch. Helen war heute Morgen auch nicht da. Was die beiden wohl vor haben", überlegte ich. Warum hatten sie weder mir noch Louis davon was erzählt?

"Das letzte Mal als die beiden irgendetwas verheimlicht haben, haben sie eine Geburtstagsparty für mich geplant. Du hast doch nicht demnächst Geburtstag oder?"

Ich schüttelte den Kopf. "Ich hatte vor zwei Monaten. Du etwa?" Auch er verneinte mit einem Kopfschütteln.

Plötzlich verfinsterte sich sein Blick und er sah an mir vorbei. "Ich war schonmal kurz davor dich zu töten, denk ja nicht, ich wäre jetzt nicht mehr in der Lage dazu."

Ich drehte mich um und sah Daniel hinter mir stehen. "Seit wann seid ihr denn beste Freunde?", knurrte er verärgert.

"Seitdem ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann, ganz im Gegensatz zu dir. Und jetzt verschwinde, sonst werde ich Louis bei der Erfüllung seiner Drohung gerne behilflich sein", antwortete ich ihm bedrohlich.

Dass ich mich heute im Spiegel betrachtet und meine Veränderung gesehen habe, hat mich selbstbewusster und stärker gemacht.

Daniel öffnete den Mund um etwas zu sagen, hielt es dann aber doch für besser nichts zu sagen und ging.

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