Kapitel 55

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Kapitel 55

Noch immer sitze ich draußen, starre hinauf zu den Sternen, unschlüssig was ich nun machen sollte. Natürlich ist das System scheiße, aber lohnt es sich deswegen zu kämpfen?

Die Bilder von vorhin haben sich in mein Gedächtnis gebrannt. Lohnt es sich tausende zu Opfern, wenn es am Ende doch nicht besser wird?

Falls wir gewinnen haben wir London unter Kontrolle, doch was bringt es dem Rest? Gar nichts. Außerhalb des zweiten Zaunes sterben die Menschen weiter an dem Virus.

Und auch innerhalb des Zaunes können wir den Virus nicht besiegen. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, hätte sie doch schon sicher jemand gefunden.

Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt mit dem auseinandergesetzt, was nach der Rebellion sein soll. Wer regiert? Wie soll das neue System aussehen? Was genau wollen wir ändern?

Fragen auf die ich keine Antwort kenne. Vielleicht kennt Bob sie. Doch sind seine Antworten zufriedenstellend?

Die Menschheit geht vor die Hunde. Mit oder ohne Rebellion. Der Virus ist unaufhaltsam, die Apokalypse unabwendbar. Unsere Mittel sind begrenzt. Aus diesem Grund ist die Impfung den Reichen vorbehalten.

Wie wollen wir sie danach verteilen? Es werden nie im Leben alle etwas abbekommen, nicht einmal alle in London.

Erneut müssten wir selektieren, aber wonach? Vielleicht ist unser Ende ja verdient. Immerhin waren wir diejenigen die den Virus geschaffen haben. Wir haben unseren eigenen Untergang erschaffen.

„Es tut mir leid", reißt Louis Stimme mich aus meinen Gedanken. „Ich hätte dich nicht anschreien sollen. Ich hätte dir vertrauen sollen. Und vor allem hätte ich dich verabschieden sollen."

Er setzt sich neben mich. Unser Streit kommt mir so nichtig vor, nachdem ich die Menschen, oder das, was von ihnen übrig ist, gesehen hab. Ich lehne mich gegen seine Schulter.

„Warst du je außerhalb von London?", frage ich ihn. Verwirrt sieht er mich an. „Ja, jetzt zum Beispiel", antwortet er.

Ich richte mich wieder auf und schaue ihm direkt in die Augen. „Nein, ich meine wirklich außerhalb, weit weg vom Zaun."

Louis mustert mich, besonders meine Augen. Sein Gesichtsausdruck verdunkelt sich und er sieht mich besorgt an.

„Was hat Joe dir gezeigt?", will er wissen. Ich schlage die Augen nieder. „Ich habe gesehen was der Virus wirklich anrichtet", gebe ich kleinlaut zu.

Sofort schießt das Bild wieder in meinen Kopf. Ich spüre wie mir die Tränen in die Augen steigen, doch ich versuche sie zu unterdrücken.

Louis sieht das und zieht mich in seine Arme. „Hör zu. Ich weiß, dass das da draußen schrecklich ist, aber deswegen kämpfen wir", versucht er mich aufzumuntern.

Ich klammere mich an ihn wie ein kleines Kind. Meine Tränen kann ich nicht mehr zurückhalten. „Aber ist es das wert? Es werden unzählige Menschen bei der Rebellion sterben. Und wofür? Der Virus wird immer noch da sein."

Louis nimmt mein Gesicht in seine Hände und zwingt mich ihn direkt anzusehen. „Ja, der Virus wird immer noch da sein. Aber sobald wir es geschafft haben, werden wir dafür sorgen, dass er beseitigt wird. Ich glaube nicht, dass die Oberschicht alles versucht um den Virus aufzuhalten.

Ich glaube sie sitzen einfach da und tuen gar nichts, weil es ihnen gut geht. Ihnen sind die Menschen draußen egal, aber uns nicht. Verstehst du?

Wir werden ihnen helfen. Wir werden eine Lösung finden. Und wenn wir nur einen Weg finden, die Ausbreitung zu stoppen ist das ein Gewinn.

In zehn vielleicht auch erst in hundert Jahren werden die Menschen sich daran zurück erinnern, dass wir, dass du diesem Virus den Kampf angesagt hast und ihn gewonnen hast. Ich glaube daran das wir es schaffen können. Und wenn nicht, haben wir es wenigstens versucht."

Beeindruckt sehe ich Louis an. Mir war nie klar, dass er so gute Ansprachen halten konnte. „Du hast Recht", sage ich entschlossen. Ich weiß was ich tun muss, ich wusste es die ganze Zeit.

Aufgeben war nicht mein Stil. Meine Mutter hatte gesagt, ich könnte etwas verändern und das würde ich auch. Und wenn es nur das System ist, dann ist das auch okay. Ich habe es wenigstens versucht.

Ich stehe auf. „Wo willst du hin?", fragt Louis. Entschlossen sehe ich ihn an. „Ich werde diese beschissene Rebellion endlich anfangen. Ich hab mich bereits lange genug davor in dieser Halle versteckt."

Zielstrebig gehe ich zu Joes Zimmer und klopfe an. „Herein", höre ich von drinnen und betrete das Zimmer. Erwartungsvoll sieht Joe mich an.

„Ich werde kämpfen", teile ich ihm mit. Er nickt.

„Dann werde ich dir folgen."


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