Kapitel 73

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Kapitel 73

„Keira, du musst sofort mitkommen", fordert Mino als er in unser Zimmer stürmt. Etwas verwirrt stehe ich vom Bett auf, folge ihm aber.

Gehetzt sieht er mich an und nötigt mich somit schneller zu laufen. „Wo gehen wir hin?", will ich wissen. Ich hatte Mino noch nie so aufgeregt gesehen. Was war denn nur los?

„Infozentrale", antwortet er kurz. Infozentrale? Wieso das? Normalerweise werden da nur Livebilder der Rebellion übertragen, aber die sind nicht sonderlich wichtig für mich. Bob informiert mich ja über alles separat.

Aus einem Seitengang kommt Louis. „Oh gut, du hast Keira schon gefunden", sagt er. Ich bin nur noch verwirrter. Warum muss ich denn unbedingt dahin?

Während wir laufen nimmt Louis meine Hand und sieht mich besorgt an. So langsam bekomme ich ein ungutes Gefühl. Aber was passiert?

Von ganz alleine fange ich jetzt an zu rennen, überhole sogar Mino. Die beiden machen mich wahnsinnig. Warum sagt mir denn keiner was?

Als ich endlich die Infozentrale betrete, richten sich alle Blicke auf mich. Ich werde immer unruhiger. Was geht hier vor?

„Hier setz dich, das ist wahrscheinlich besser", höre ich Joe neben mir und merke wie er einen Stuhl neben mich stellt. Sanft drückt Louis mich runter und zwingt mich somit zum Sitzen.

„Aber was...?", setze ich an, doch da werde ich unterbrochen. Der Bildschirm ein paar Meter vor mir springt auf einmal an. Das Gesicht des Bürgermeisters ist zu sehen. das ist merkwürdig, warum sollte man ihn zeigen?

„Ich hoffe, Keira sitzt nun vor einem der Bildschirme, wie von mir aufgetragen", beginnt er. Verwirrt sehe ich zu Louis, doch er schenkt mir keine Beachtung, sondern starrt nur auf den Bildschirm.

Ich wende meinen Blick ebenfalls wieder auf den Bürgermeister. „Ich habe nämlich eine wichtige Botschaft für sie. Also wenn du da bist, Keira, merk dir meine Worte gut.

Deine dämliche Rebellion ist weitergekommen, als ich vermutete. Doch sie wird nicht ohne Konsequenzen bleiben. Weißt du, Verräter sind bei uns nicht gerade beliebt."

Verräter? Pah, das ich nicht lache. Er verrät die Menschen seiner Stadt, ich helfe ihnen nur. Wütend starre ich weiter auf den Bildschirm.

„Aber ich bin ja kein Unmensch, also habe ich dir die Chance gegeben reue zu zeigen und diese Rebellion abzuwenden. Doch auf keine meiner Angebote hast du reagiert, hast jegliche Kompromisse abgelehnt."

Was für Kompromisse? Er hat nie welche gemacht. Zumindest nicht mit mir. Außerdem steht er in keiner Position irgendetwas zu fordern. Kapitulation ist seine einzige Möglichkeit.

„Ich gebe zu, am Anfang habe ich dich nicht ernst genommen. Du bist ja schließlich noch ein kleines Gör. Doch du hast dich zu einer realen Bedrohung entwickelt. Aber ich glaube nicht, dass du dir der Reichweite bewusst bist.

Im Gegenteil, vielmehr denke ich, du bist einfach nur das hübsche Gesicht für einen Haufen skrupelloser Mörder. Und deshalb möchte ich dich an deine Position erinnern.

Denn eine Führungsrolle geht mit einigen Opfern einher. Und ich glaube nicht, dass du eines bringen musstest. Bis jetzt."

Auf einmal wechselt das Bild. Nun ist nicht mehr der Bürgermeister zu sehen, sondern mein Vater. Er sieht vollkommen erschöpft aus. Er hat unzählige blaue Flecken im Gesicht.

Zusammengesunken kniet er auf dem Boden, die Hände am Rücken gefesselt. Er ist nicht einmal in der Lage aufzusehen. Hinter ihm stehen zwei Wachmänner.

Panik steigt in mir auf. Reflexartig greife ich Louis Arm. Was hat er vor? Er kann doch nicht?

„Also Keira, ich werde dir jetzt genau zeigen was passiert, wenn man meine Friedensangebote ablehnt", höre ich die Stimme des Bürgermeisters.

Darauf folgt ein Knall. In Sekundenbruchteilen fällt mein Vater zu Boden, unter ihm bildet sich eine Blutlache. Einer der Wachmänner hält die Pistole noch in der Hand.

Nein, das darf nicht wahr sein. Mir ist es unmöglich den Blick abzuwenden. Ich kann nicht anders als meinen toten Vater anzustarren. Mein Griff um Louis Arm verstärk sich, ich kralle mich regelrecht an ihm fest.

Es erscheint wieder das Bild des Bürgermeisters. „Ich hoffe das war dir eine Lektion", sagt er mit einem spöttischen Grinsen.

Der erste Schock legt sich und weicht einer unbändigen Wut. Ich springe auf, schmeiße dabei den Stuhl um. Alle Blicke liegen auf mir.

„Ich bringe ihn um, ich bringe diesen Bastard um", murmle ich zu mir selbst. Ich lasse Louis Arm los und stürme aus dem Raum.

Denn mir treten seine Worte noch einmal klar in den Sinn. Wenn man meine Friedensangebote ablehnt. Angebote, die nie bei mir angekommen sind.

Folglich können sie nur bei einer Person gelandet sein, Bob. Wie eine Furie stürme ich in sein Zimmer. Überrascht sieht er mich an.

Er steht auf und kommt mir entgegen, doch bevor er etwas sagen kann, schlage ich mit der flachen Hand auf seine Wange. Der Knall unterbricht die Stille und meine Hand hinterlässt einen roten Abdruck.

Bob sieht mich mit offenem Mund an, sprachlos. „Das ist alles deine Schuld", schreie ich ihn an und will erneut zuschlagen. Doch diesmal ist er vorbereiteter und fängt meine Hand ab.

„Was ist denn los?", fragt er vollkommen verwirrt. „Mein Vater, sie haben ihn ermordet", brülle ich ihn an. Schockiert sieht er mich an, unschlüssig was er sagen soll.

„Es ist deine Schuld. Du hast keines der Angebote des Bürgermeisters weitergeleitet. Deswegen musste er sterben", mache ich ihm Vorwürfe. Ich höre wie die Tür hinter mir aufgeht.

Ohne mich umdrehen, weiß ich, dass es Louis, Mino und Joe sind. Möglicherweise auch Jack, aber ich bin ihm ja eigentlich egal.

„Keira, auch du hättest die Angebote nicht angenommen. Er hat unsere bedingungslose Kapitulation gefordert", versucht Bob sich zu erklären.

„Wenn mein Vater dann noch am Leben wäre, wäre es mir scheißegal"; schreie ich ihn an. Tränen steigen in meine Augen. Das kann doch alles nicht wahr sein.

„Davon war nie ein Wort, das schwöre ich dir. Ich hätte sonst was unternommen, das weißt du", redet Bob weiter auf mich ein.

So langsam klingt meine Wut auf ihn ab. Er hat vielleicht Recht. Ich hätte mich schlechter gefühlt, hätte ich die Angebote selbst abgelehnt. Die Wut weicht der Trauer. Auf einmal bricht alles in mir zusammen.

Heulend sinke ich zu Boden. Sofort nimmt jemand mich in den Arm. Der vetraute Geruch sagt mir, dass es Louis ist. „Ich bin alleine. Ich habe sie alle verloren. Meine ganze Familie, sie ist tot", schluchze ich.

Louis presst mich an sich. „Hör auf sowas zu sagen. Du bist nicht alleine. Du hast mich, du hast Mino, du hast Joe. Egal was passiert, wir sind immer für dich da."

Auch wenn seine Worte tröstend sind, fühle ich mich kaum besser. Der Verlust meines Vaters zieht eine zu tiefe Wunde. Doch das würde nicht ungestraft bleiben. Ich würde mich rächen.

Mit tränenunterlaufenen Augen sehe ich Bob an. „Ich will diejenige sein, die dieses Schwein umbringt. Wenn wir das Rathaus stürmen, will ich ihn zu meinen Füßen betteln sehen, nur um ihn dann zu töten."

Bob nickt. „Selbstverständlich." Diesmal war mir das Töten egal, das einzige, was ich wirklich will, ist Vergeltung. Rache für meinen Vater, für meine Mutter, für Helen.


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