Kapitel 69

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Kapitel 69

Mein Spiegelbild hat sich stark verändert. Mein Gesicht ist kantiger geworden, einzelne Schrammen zeichnen sich auf meinen Wangen ab. Meine Haare sind streng zurückgebunden. Meine Augen sind matt und leer. Die Rebellion beginnt ihre Spuren zu hinterlassen.

Zwei Wochen schon läuft sie schon und bis jetzt sieht alles gut aus für uns. Selbstverständlich stoßen wir auf Widerstand, aber er stellt keine große Bedrohung für uns dar. Im Gegenteil, wir kommen sehr gut voran und dringen immer weiter zum Kern der Stadt vor.

Mittlerweile bin ich auch wieder psychisch stabil und kann auf Missionen gehen. Und das tue ich auch. Zwar habe ich keine weitere Person getötet, aber immerhin kann ich ohne Probleme dabei zu sehen. Was für mich ein bedeutender Schritt ist.

Louis klopft an die Tür zum Bad. „Kannst reinkommen", antworte ich und analysiere weiterhin mein Spiegelbild. Nicht einmal eine Sekunde nachdem ich das gesagt hatte, stürmt Louis herein und erbricht.

Angewidert sehe ich ihn an. Der Geruch steigt mir in die Nase. Ich muss sofort hier raus sonst ergeht es mir genauso wie ihm. Schnell flüchte ich ins Zimmer und warte, bis Louis das Bad verlässt.

„Was ist los?", frage ich ihn, denn er sieht noch immer sehr mitgenommen aus. „Ach es ist nichts, hab wahrscheinlich was Falsches gegessen", wimmelt er mich ab und setzt sich auf sein Bett.

Skeptisch sehe ich ihn an. Schon seit einigen Tagen geht es ihm nicht gut. Öfters ist ihm schwindelig oder er ist für wenige Sekunden vollkommen weggetreten. Aber wahrscheinlich sind das die Folgen der Rebellion, die an ihm zehren.

„Heute Morgen kam übrigens ein neuer Umschlag. Wir haben eine neue Mission. Ohne Jack und Mino", berichtet Louis. Verwirrt sehe ich ihn an. „Ohne Jack und Mino?", hake ich nach.

Er nickt. „Ja, die beiden haben eine andere. Bob will das Tempo anziehen. Es stehen nicht mehr allzu viele Leute auf seiner Liste und er will sie so schnell wie möglich abhaken", erklärt Louis.

Naja, solange ich nicht töten muss. Andererseits bin ich nicht ganz davon überzeugt, dass Louis dazu in der Lage ist. Nach dem was ich gerade gesehen hab, ist es vielleicht besser, wenn er gar nicht erst mitkommt, sondern sich ausruht.

Allerdings bezweifle ich, dass er das zulassen würde. Was das angeht, ist er genauso stur wie ich. Also werde ich ihn wohl oder übel mitnehmen müssen. Alleine würde ich es auch nicht schaffen, schließlich will ich es eigentlich vermeiden eine weitere Person zu töten.

„Dann sollten wir uns fertigmachen gehen", schlage ich vor und stehe auf. Louis folgt mir und zusammen gehen wir zu Pia. Diese stattet uns wie immer mit der Uniform aus und dann kann es auch schon losgehen.

Am Tatort angekommen, schleichen wir zum Zaun. Geübt durch die vorherigen Male, schaffen wir es mit Leichtigkeit über den Zaun. Auch der Wachtrupp ist schnell durch Elektroschocker ausgeschaltet.

Mit rohem Fleisch und starken Schlaftabletten werden auch die Wachhunde unschädlich gemacht. Louis und ich fungieren als eingespieltes Team.

Mithilfe der Armbänder machen wir den Sicherungskasten aus. Mit ein paar geschickten Handgriffen schaltet Louis den Strom ab und entzieht der Alarmanlage den Saft. Somit können wir unbemerkt durch die Vordertür eindringen.

Mithilfe des Grundrisses finden wir schnell das Schlafzimmer. Doch bevor Louis die Tat ausführt, sorge ich mit dem Elektroschocker dafür, dass weder seine Frau noch seine Tochter aufwachen können.

Zusammen mit Louis schaffe ich die Frau aus dem Zimmer und trage sie zu ihrer Tochter. Keine der beiden muss ihn tot sehen. Noch immer schläft Branson tief und fest, hat nichts von alledem gemerkt.

Mit der Zeit sind wir schneller und leiser geworden. Bei jeder neuen Mission war der Fortschritt erkennbar. Wir sind wie Schatten.

Mit üblicher Präzision schaltet Louis Branson aus. Wir verlassen das Zimmer und chließen die Tür. Ich befestige noch einen Zettel auf dem steht, dass er tot ist und sie das Zimmer nicht betreten sollen.

Wie gesagt, ich möchte nicht, dass sie es sehen. Jemanden umbringen ist die eine Sache, aber die Familie die Leiche sehen lassen eine ganz andere. Sie werden noch genug leiden.

Ebenso schnell wie wir gekommen sind, sind wir auch schon wieder draußen. Doch als wir den zaun überquert haben, hält Louis inne. „Alles okay?"; frage ich ihn.

Er antwortet nicht. Verdammt, ich hätte ihn nicht mitnehmen sollen. „Keira, hau ab", presst er zwischen den Zähnen hervor, er klingt angestrengt. Aber ich denke nicht daran abzuhauen. Im Gegenteil, ich gehe einen Schritt auf ihn zu.

Er hebt seinen Blick und schaut mich an. „Der Virus", wispere ich. Ohne jegliches medizinisches Fachwissen stelle ich das fest, ich sehe es in seinen Augen, seinem Blick.

„Wie ist das möglich?", frage ich ihn panisch. „Die Impfungen sind leer, schon seit ner Weile." Louis atmet immer schwerer. Daher die Symptome in den letzten Tagen. Es ist nicht die Rebellion, es ist der Virus.

Ich sehe den Schweiß auf seiner Stirn stehen, sein Atem wird immer hektischer, unkontrollierter. Plötzlich bricht er zusammen.

„Louis", schreie ich. Panik breitet sich in meinem Körper aus. Er braucht eine Impfung, jetzt. Sofort schießt mir ein Gedanke in den Kopf. Mithilfe meines Armbandes ordere ich einen Wagen hierher.

Dann hole ich aus meinem Rucksack das erste Hilfe Set. Aus meinem Gürtel nehme ich den kleinen Dolch heraus.

Okay, Keiry, das wird jetzt weh tun, aber es ist für Louis, rede ich mir selbst ein. Mit dem Dolch schneide ich mir den Unterarm auf. Da, wo ich meine Impfung vermute. Und tatsächlich, ich sehe das kleine Röhrchen mit der grünen Flüssigkeit.

Auch wenn es mich große Überwindung kosten, greife ich in die Wunde und entnehme mir selbst die Impfung. Dadurch verstärkt sich die Blutung allerdings noch und auch der Schmerz schwächt nicht ab.

Notdürftig verbinde ich die Wunde und binde mir den Unterarm ab, um die Blutung ein wenig zu stoppen. Dann nehme ich mir eine Spritze aus dem Erste Hilfe Koffer.

Ich öffne sie und zerbreche das Röhrchen. Vorsichtig tröpfle ich das Serum in die Spritze. Ohne das Adrenalin, das gerade durch meine Adern schießt, wäre ich wahrscheinlich unfähig mich vor Schmerzen zu bewegen, doch jetzt schaffe ich es, sie zu ignorieren.

Der Verband an meinem Arm ist mittlerweile blutdurchtränkt, doch Louis hat nun oberste Priorität. Was habe ich bei diesem Medizinseminar noch gelernt, wie man Venen findet?

Ich binde Louis Unterarm ebenfalls ab. Verdammt das dauert zu lange, wenn Louis seinen Arm nicht anspannen kann.

Ich glaube, eine Vene undeutlich erkennen zu können. Mir bleibt nicht viel Zeit. So langsam macht sich mein Blutverlust bemerkbar, denn mir wird schummerig.

Ich setze alles auf eine Karte und ramme ihm die Spritze in die vermeintliche Vene, dann drücke ich ab. Dann ziehe ich die Spritze heraus und werfe sie achtlos weg.

Ich schaue in Richtung Straße und kann Scheinwerferlicht erkennen. Mit letzter Kraft stemme ich mich hoch und ziehe Louis mit mir. Taumelnd bewege ich mich auf den Wagen zu.

Vor meinem Sichtfeld bilden sich schwarze Punkte, immer schwerer wird es, sich auf den Beinen zu halten. Als ich kurz vor dem Wagen stehe, kann ich fast gar nichts mehr sehen.

Ich höre, wie eine Wagentür sich öffnet und vernehme, wie jemand meinen Namen schreit. Doch beides klingt so unglaublich weit entfernt, als sei es surreal.

Ich spüre eine Hand an einem Arm und dann breche ich zusammen. Und auf einmal wir alles schwarz.





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