Kapitel 52

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Kapitel 52

„Hey Tinkerbell, warte", höre ich eine weibliche Stimme hinter mir. Verwirrt drehe ich mich um und sehe das Mädchen von vorhin aus der Küche. Verdammt, ich habe schon wieder ihren Namen vergessen.

Hoffentlich brauche ich ihn jetzt nicht. Sie rennt auf mich zu und ich bleibe stehen. Was will sie von mir? „Ich bin's Stephanie. Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, aber wir haben uns heute Morgen schon gesehen. Und du liefst hier gerade so alleine und da dachte ich mir, ich leiste dir ein bisschen Gesellschaft. Ich kann dich rumführen, wenn du willst."

Die Worte liefen auf ihr heraus wie ein Wasserfall. Es war unglaublich wie viele Worte sie in einer Sekunde sagen konnte. Man musste schon aufpassen um alles zu erfassen was sie sagt.

„Oh, ja ich erinnere mich. Joe hat mich schon rumgeführt", antworte ich ihr und hoffe, dass sie mich in Ruhe lässt. Sie scheint zwar ganz nett zu sein, aber für meinen Geschmack redet sie zu viel. Aber ich würde sie niemals wegschicken, immerhin will ich nicht unhöflich sein.

„Oh, okay. Joe scheint dich echt zu mögen. Dein Spitzname ist übrigens wirklich süß. Aber ich finde er passt zu dir. Du siehst aus wie eine kleine Fee. Du bist wirklich ausgesprochen hübsch. Und deine Haare. Ich hätte so gerne solche Locken."

Verdammt, ich werd sie wohl so schnell nicht los. „Dankeschön", sage ich und vermeide es, das Gespräch weiter zu führen.

„Weißt du was, ich zeig dir mein Zimmer. Das hat Peter Pan dir noch nicht gezeigt. Ich hab es persönlich gestaltet. Du wirst es lieben, versprochen. Ich habe mir so viel Mühe gegeben. Kannst du dir vorstellen, dass jeder hier sein eigenes Zimmer gestalten darf? Ich meine, wir bezahlen nichts um hier zu sein und haben trotzdem so viele Freiheiten."

Kann man das irgendwie abstellen? So langsam nervt ihr Gerede. Ihre Stimme trägt dazu bei, denn sie ist sehr hoch und wenn sie schnell redet, dann verschluckt sie einzelne Silben. Als wäre sie auf Drogen oder so.

Bevor ich die Chance habe, mir irgendeine Ausrede zu überlegen um von hier zu verschwinden, hat sie schon meinen Arm gepackt und zieht mich in Richtung der Zimmer.

Na toll, so habe ich mir das nicht vorgestellt. Warum musste Joe gerade jetzt unbedingt weg? Hätte er mich nicht wenigstens zu meinem Zimmer begleiten können?

Was rede ich da nur, er kann auch nichts dafür, dass Stephanie hier so aufgedreht ist. Also werde ich es wohl oder übel über mich ergehen lassen müssen und darauf hoffen, dass es so spät ist, dass sie mich wieder wegschickt, weil sie schlafen will.

Ich meine, wer so energetisch ist, muss sicher früh schlafen. Aber ich habe die Befürchtung, dass das eher nicht der Fall ist. Außerdem bezweifle ich, dass es schon so spät ist.

„Tada!", ruft sie, als sie übermütig die Zimmertür aufstößt. Überall wo ich hinschaue ist es pink und flauschig. Ihr Zimmer sieht so unglaublich kitschig aus.

Wie kann sie nur hier drin schlafen ohne verrückt zu werden? Ich meine, es ist so pink. Ich stehe nicht einmal in ihrem Zimmer und ertrage das pink kaum.

Nun ja, ich bin auch sehr empfindlich was pink angeht, da ich es überhaupt nicht mag, aber trotzdem. Auf ihrem Bett stapeln sich unzählige Kissen und Kuscheltiere. E sieht aus als lebe hier eine 4-jährige.

„Und wie gefällt es dir?", fragt Stephanie mich aufgeregt. „Ich bin sprachlos", bringe ich nach einer kurzen Bedenkzeit raus.

„Das sagen viele", quietscht sie erfreut und zieht mich mit ins Zimmer. Ich kann mir vorstellen, dass viele dasselbe sagen. So nervig sie auch ist, ich glaube nicht, dass ich gemein zu ihr sein könnte. Sie wirkt so, als würde es sie am Boden zerstören.

„Okay, Tinkerbell. Du musst mir alles über dich erzählen. Wir können die allerbesten Freunde werden für immer." Wow, das hört sich nicht ansprechend an, aber ich kann wohl kaum nein sagen.

„Naja, ich bin 16 Jahre und ein richtiger Name ist Keira"; fange ich etwas zögerlich an. Eigentlich würde ich nur ungern zu viel private Informationen über mich herausgeben.

Da fiel mir meine Mission wieder ein. Ich hatte seit meiner Ankunft ehrlich gesagt nicht mehr daran gedacht. Aber ich arbeite ja dran, irgendwie zumindest. immerhin Freunde ich mich mit Joe an und das ist doch gut oder?

„Oh, Keira ist so ein hübscher Name. Aber kommen wir zu den interessanten Dingen. Hast du schon einmal einen Jungen geküsst?" Erwartungsvoll sieht sie mich an.

Sie ist wirklich nicht jemand, mit dem ich meine Jungsgeschichten besprechen möchte. Ich kenne sie ja kaum, geschweige denn weiß ich etwas über sie. Aber mir bleibt wohl nichts übrig.

„Ja hab ich", gebe ich also zu. Aufgeregt sieht sie mich an. „Wow, das ist ja unglaublich. Ich habe noch nie einen Jungen geküsst. Aber es gibt da einen Jungen in den ich verliebt bin. Warte ich hab ein Bild."

Sie springt auf und rennt zu einer Kommode. Heraus kommt sie mit dem Bild eines blonden Jungen. Er sieht ein wenig älter aus als wir. Das Bild ist eingerahmt und der Rahmen ist verziert mit unzähligen Herzen und mit viel Glitzer. Passend zum Rest des Raumes.

„Aber er bemerkt mich einfach nicht", seufzt sie. Wow, wie er das schafft ist mir ein Rätsel. Ich wette, sie fällt auf.

„Und du? Bist du auch in wen verliebt?", fragt sie. Louis, schießt e mir durch den Kopf. Sofort steigt die Wut in mir wieder auf. Dieses Thema würde ich aber lieber vermeiden.

„Nein", antworte ich und bin verwundert wie leicht es mir über die Lippen kommt. Ich würde lieber das Thema wechseln und beschließe sie deshalb etwas zu fragen, was mich schon den ganzen Tag beschäftigt.

„Du hast heute Morgen von einer Wendy gesprochen, die Joe nahesteht. Wer ist das? Ich habe sie noch nicht kennen gelernt." Stephanie beißt sich auf die Lippe und weicht meinem Blick aus. Das Thema scheint ihr nicht zu gefallen.

„Nun ja, du wirst sie auch nicht mehr kennen lernen können. Wendy ist Joe's Schwester. Sie hat das alles mit ihm zusammen aufgebaut. Aber vor einigen Monaten ist sie verstorben. Keiner weiß warum. Er hat das alles sehr geheim gehalten. Es gab eine kurze Trauerfeier und danach wurde das Thema totgeschwiegen. Er hat nicht darüber geredet und es missfiel ihm, wenn irgendjemand darüber geredet hat.

Er hat einfach getan, als sei nichts passiert. Aber wenn du wissen willst, wie sie gestorben ist, musst du ihn fragen. Ich weiß nur, dass sie eines Tages für immer verschwunden war. Und Peter Pan sich danach verändert hat", erzählte sie mir alles.

Wow, damit hätte ich nicht gerechnet. Joe wirkte so fröhlich, als gäbe es keine Trauer in seinem Leben, als wäre alles ein Spaziergang.

„Aber erzähl ihm nicht, dass du es vor mir weißt. Ich weiß nicht, ob irgendeiner von den Neuen was davon wissen soll", bittet sie mich.

Ich nicke. „Ich glaube, ich sollte gehen", sage ich und Stephanie nickt, ohne ein Wort zu sagen. Sie begleitet mich zur Tür und ich mache mich auf den Weg zu meinem Zimmer. Über diese Information muss ich erst einmal nachdenken.



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