Kapitel 60

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Kapitel 60

Nervös schaue ich zwischen den umherschwirrenden Leuten hin und her. Alle lauen durcheinander, üben ein letztes Mal ein paar Griffe und Würfe. Einige Rebellen verteilen Waffen und Ausrüstung.

In ungefähr zwei Stunden geht es los. Während Louis, Mino, Jack und ich in einer Limousine zum Bankett fahren, machen sich die restlichen Truppen auf den zu unseren Angriffspunkten. Alles ist genau durchgeplant.

Wir haben eine halbe Stunde auf dem Bankett. Dann startet die Rebellion. Meine Aufgabe ist es, sich so nah wie möglich an den Vizebürgermeister zu setzen und dann zuzugreifen. Unter meinem Kleid steckt eine Waffe, die ich ihm dann an die Schläfe halten soll.

Danach eine kurze Ankündigung und dann verschwinden wir. Mit dem Vizebürgermeister als Geisel sichern wir uns den Weg nach draußen. Louis steht die ganze Zeit in Kontakt zu Bob, sodass sofort ein Wagen bereitsteht.

Kurz vor diesem wechsle ich die Position mit Jack. Wenn dann alle außer ihm und dem Bürgermeister im Wagen sind wird er ihn erschießen, so schnell wie möglich in den Wagen steigen und abhauen. Dann sind die anderen dran.

Sie werden angreifen und hoffentlich schnell die Orte einnehmen. Wir werden währenddessen zum nächstgelegenen Punkt fahren um dort zu helfen.

Gestern Nacht war ich die Schritte so oft durchgegangen. Ich habe Angst etwas falsch zu machen, jemanden in Gefahr zu bringen. Mit Bob ist vereinbart, dass er auch ohne uns angreift. Sollten wir scheitern findet die Rebellion dennoch statt. Allerdings nicht mit uns.

„Nervös?", reißt mich Louis Stimme aus meinen Gedanken. Er hatte ebenso wenig geschlafen wie ich. Wir hatten zusammen wach gesessen und über alle möglichen Ausgänge nachgedacht. Leider überwogen die negativen.

„Ja, aber ich will das durchziehen", antworte ich ihm. „Ich weiß wie du dich fühlst", sagt er. Auch er wirft einen Blick durch die Menge.

„Glaubst du sie haben eine Chance?" Ich wende meinen Blick von der Menge ab und schaue nun zu Louis. „Ich hoffe es. Denn ohne sie haben wir keine Chance."

Missmutig sieht er mich an. Er hat eine andere, eine überzeugtere Antwort erwartet. Aber die kann ich ihm nicht geben. Ich halte nicht viel davon Menschen falsche Hoffnungen zu machen, wenn es nicht nötig ist.

Louis ist sich der Gefahr und der Siegchancen sehr wohl bewusst. „Wir sollten zu Pia gehen, uns langsam auch fertig machen", meint Louis und ich nicke. „Geh du schon vor, ich will noch mit Joe reden."

Ein wenig skeptisch sieht Louis mich an, verkneift sich aber einen Kommentar und geht. Inmitten der Menge kann ich Joe ausfindig machen, de nervös auf und ab geht.

„Bereit für deinen ersten großen Kampf?", frage ich ihn mit einem halbherzigen Lächeln. „Nicht wirklich. Ich weiß nicht ob ich mich vorbereitet fühle." Er sieht äußerst beunruhigt aus, in seinem Blick erkenne ich Angst.

„Wenn es dich beruhigt, auf meinen ersten Kampf war ich auch nicht vorbereitet. Trotzdem habe ich Louis mit einer Vase fast K.O. geschlagen." Ein leises Lachen entfährt ihm, doch seine Laune bessert sich nicht wirklich.

„Bist du noch immer zu 100 Prozent von dieser Rebellion überzeugt?", fragt Joe zweifelnd. Diese Frage hatte ich mir gestern auch immer wieder gestellt. Und die Antwort war immer die gleiche.

„Zu 101 Prozent." Mit einem Nicken nimmt er meine Antwort zur Kenntnis. „Dann lass uns das hier durchziehen." Auf seinem Gesicht kann ich sogar ein kleines Lächeln erkennen.

Zuversichtlich lächle ich ihn an und verabschiede mich dann. Louis hat Recht, wir sollten uns fertig machen. Ich verlasse also den Versammlungsraum und laufe zu Pias Atelier.

„Keira, da bist du ja endlich", tadelt Pia mich und bevor ich etwas zu meiner Verteidigung sagen kann, packt sie mich und drückt mich auf einen Stuhl. Sofort hat sie einen Pinsel in der Hand und beginnt mich zu schminken.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hört sie endlich auf und macht bei meinen Haaren weiter. Sie steckt sie vollkommen zurück und achtet darauf, dass nicht eine einzige Strähne herausfällt. Dann holt sie eine blonde Perücke und setzt sie mir auf.

Zum Schluss hilft sie mir noch in ein kurzes rotes Kleid. Als ich mich im Spiegel betrachte, traue ich meinen Augen nicht. Das Mädchen vor mir kann nicht ich sein. Ich erkenne nicht einmal einen einzigen meiner Gesichtszüge wieder und meine Haare sehen nicht ansatzweise wie eine Perücke aus, sondern wie meine richtigen Haare.

„Pia du bist eine Künstlerin", lobe ich sie. Sie winkt das ganze lässig ab und verschwindet hinter einem der Regale. „Wer ist denn diese blonde Schönheit?" Ich höre Louis Stimme doch erkenne ihn nicht in seiner Verkleidung.

Statt dunklen braunen Haaren, trägt er jetzt eine rote Perücke. Hinter ihm stehen Mino und Jack. Mino kann man nicht einmal mehr ansehen, dass er asiatisch ist. Er trägt eine blonde Perücke und Pia hat mit Make-up ganze Arbeit geleistet und seine Augen größer wirken lassen.

Nur Jack ist nicht in Verkleidung, da ihn keiner kennt. Pia kommt wieder hinter einem der Regale hervor und drückt mir eine Tasche in die Hand. Ich spüre das Gewicht der Waffe, welche mir ein Gefühl von Sicherheit gibt.

„Okay, Keira. Wenn es soweit ist, kannst du ganz einfach deine Perücke runterreißen. Man sollte dich erkennen, aber erwähne zur Sicherheit noch einmal deinen Namen. Mach deutlich, wer uns anführt", erklärt Pia mir.

Wer uns anführt. Diese Worte waren immer so fern für mich, waren nicht greifbar. Doch heute würde sich das ändern. Heute würde ich die Rebellen anführen.

„Wir sollten los", meldet sich Jack zu Wort. Mir ist gar nicht aufgefallen wie weit die Zeit bereits fortgeschritten ist. Pia hatte sich wirklich Zeit gelassen für mein Make-up.

Durch den Ausgang in Pias Atelier machen wir uns auf dem Weg zum Wagen. Jack hält gefälschte Einladungen in der Hand. Mein Name ist auf dem Papier Helena Carter, als Gedenken an Helen, der das ganze hier irgendwie gewidmet ist.

Ein Chauffeur bringt uns zum Ort des Geschehens. Ein letztes Mal sehe ich die drei an. „Bereit?"; frage ich und alle nicken. Vorfreudig lächle ich sie an.

„Dann lasst die Rebellion beginnen."




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