Kapitel 62

2.2K 182 25
                                    


Kapitel 62

Schon von weitem kann ich die Schüsse hören. Wir nähern uns dem Kampfgebiet, doch noch kann ich nichts erkennen. Auf einmal hält unser Wagen an.

„Was ist los? Warum fahren wir nicht weiter?", frage ich verwirrt nach. „Wir können nicht ganz heranfahren, wir würden entdeckt werden. Wir müssen uns außen rumschleichen", erklärt Louis und steigt aus. Die anderen verlassen ebenfalls den Wagen, also folge ich ihnen.

Als wir alle ausgestiegen sind, dreht unser Fahrer um. „Müssen wir denn noch weit laufen?", will ich wissen. Genervt sieht Jack mich an. „Willst du jetzt die ganze Zeit so nervige Fragen stellen?" Patzig schaue ich ihn an.

Am liebsten würde ich es, nur um ihn zu nerven. Aber mir scheint die Situation eher unangebracht. „In ungefähr einem Kilometer erreichen wir den Zaun. Dann müssen wir dort drüber und noch einen weiteren Kilometer bis zum Kampfort", antwortet mir Louis ohne auf Jacks Bemerkung einzugehen.

Warum müssen wir denn hinter den Zaun? Unser Ziel ist doch innerhalb des Zaunes. aber ich will nicht weiter nachfragen, da ich ja eigentlich informiert sein sollte. Bis jetzt hatte ich auch gedacht, ich sei informiert, aber allem Anschein nach war das nicht der Fall.

Also beginne ich zu laufen. Ein Kilometer ist ja nicht so lang. Da täusche ich mich allerdings, denn mit voller Ausrüstung ist der Weg wirklich anstrengend. „Wie lange müssen wir denn noch gehen bis zum Zaun?", frage ich erschöpft und wechsle zum einhundertstenmal die Hand mit der ich die Waffe trage.

Doch Sekunden später bereue ich diese Frage, denn Jack wirft mir einen missbilligenden Blick zu. „Mich würde das auch interessieren", pflichtet Mino mir bei du ich lächle ihm dankbar zu.

„Nicht mehr weit. Seht ihr? Da vorne ist der Zaun", sagt Louis und deutet auf einen Umriss. Ich sehe etwas genauer hin und kann ihn dann auch erkennen. Erleichtert erhöhe ich mein Schritttempo und übernehme die Führung.

Die anderen passen sich meinem Tempo an und endlich erreichen wir den Zaun. Freudig und erschöpft lasse ich mich auf den Po fallen. Mit einem Grinsen sieht Louis mich an. „Du weißt schon, dass wir da noch rüber und dann einen weiteren Kilometer laufen müssen?"

Sofort fällt mir die Kinnlade runter. Nein, das kann doch nicht wahr sein. Stöhnend lasse ich mich zurückfallen. „Lasst mich einfach hier, ihr könnt mich später holen."

„Du glaubst nicht was ich dafür geben würde, dir diesen Wunsch zu erfüllen. Aber leider besteht Bob darauf, dass ich dich bis zum Ende mitschleppe", knurrt Jack bitter.

Böse sehe ich ihn an und rapple mich auf. Ihm würde ich sicher nicht die Genugtuung geben, indem ich liegen bleibe.

Mit neuem Elan sehe ich die anderen an. „Und wie kommen wir jetzt rüber?" Statt einer Antwort nimmt Louis einen Enterhaken aus seiner Tasche und wirft ihn über den Zaun. Der Haken bleibt oben hängen und das Seil baumelt auf unserer Seite des Zaunes.

Da soll ich hochklettern? Mit der Ausrüstung? Schon wieder will ich aufstöhnen, doch besinne mich eines Besseren. Jack werde ichs schon zeigen.

Entschlossen greife ich das Seil und beginne mich hochzuziehen. Doch es ist noch schwerer als es aussieht. Dennoch habe ich nicht vor aufzugeben und kämpfe mich weiter nach oben.

Verdammt, warum ist dieser Zaun so hoch? So langsam werden meine Hände schwitzig und mein Atem schwerer. Trotzdem beiße ich die Zähne zusammen und ziehe mich weiter hoch.

Ich spüre den Schmerz in meinen Oberarmen und weiß, dass ich auf jeden Fall nicht mehr lange durchhalte. Warum trainiert man nicht sowas bei den Rebellen?

Von unten höre ich Jacks amüsiertes Lachen, als ich eine kurze Pause einlege. Na warte, du wirst schon sehen wie stark ich bin.

Mit aller Kraft erklimme ich die letzten Meter und sitze nun oben auf dem Zaun. Stolz und überglücklich schaue ich auf die Jungs hinunter. Louis zeigt mir unauffällig einen Daumen hoch.

„Wie schön, Prinzessin hat es hoch geschafft. Soll ich dir jetzt ein Eis holen? Habe ich bei meiner fünfjährigen Nicht auch gemacht", versucht Jack meinen Triumph nieder zu machen, doch das lasse ich nicht zu. Immerhin weiß ich, dass das eine Lüge ist.

Seit Jahren hat er seinen Bruder nicht mehr gesehen. Selbst wenn er eine fünfjährige Nichte hat, kennt er sie nicht. Also mache ich mir nichts aus seinem Kommentar, sondern lasse ich mich auf die andere Seite fallen.

Elegant lande ich auf meinen Füßen und sehe die Jungs abwartend an. Jack ergreift als nächster das Seil und schafft es in kurzer Zeit nach oben. War ja klar, dass er wieder angeben muss.

Auch Louis und Mino folgen ihm und dann setzen wir unseren Weg fort. Der letzte Kilometer ist sogar noch schlimmer als der erste, aber ich kämpfe mich voran. Gleich sind wir da, sage ich mir selbst, gleich kannst du etwas bewirken.

Und endlich, ich sehe ein Zelt der Rebellen und dort wartet auch schon Bob auf uns. „Das habt ihr sehr gut gemacht", lobt er uns. Zufrieden lächle ich ihn an. „Was können wir tun?", frage ich und er scheint kurz zu überlegen.

„Fürs erste könntest du bei der Verletztenversorgung mithelfen", schlägt er vor und ich nicke. Ich lege meine Waffe ab und erkundige mich bei jemandem aus dem medizinischen Trupp, wobei ich helfen kann.

„Du kannst mir aus der Kiste dahinten Watte bringen", weist sie mich an und widmet sich wieder der Wunde des Soldaten vor ihr zu. Ich folge ihrer Anweisung und hol die Watte. Ich erwarte eine weitere Aufgabe, doch sie sagt mir, für mich gäbe es nichts zu tun hier, da ich nicht ausgebildet sei.

Da hat sie ja auch recht, ich bin Soldatin. Ich sehe mich nach en anderen um, doch kann sie nicht entdecken. Wo sind die denn nur hin? Auch Bob kann ich nicht finden. Gerade als ich zurück ins Verletztenzelt gehe, wird jemand auf einer Trage reingebracht.

An seinem Oberschenkel klafft eine große Schusswunde. Unwillkürlich wird mir übel, doch ich scaffe es den Brechreiz zu unterdrücken. Doch dann sehe ich genauer hin und stelle fest, dass ir das Gesicht nur allzu bekannt vorkommt, Joe.

RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt