0 - Prolog

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Die Sterne sahen zu, wie die Sonne über einer toten Welt aufging.
Sie schienen höhnisch zu funkeln, als würden sie sich im Geheimen über all die Zerstörung freuen, deren einzige Zeugen sie waren.
Wo gläserne Paläste gestanden hatten, wo Städte erblüht waren und Generationen gelebt hatten, war nur ödes Land zurückgeblieben, das sich leblos bis zum Horizont erstreckte.
Wenn die Erde eine Stimme gehabt hätte, hätte sie schon lange nicht mehr vor Schmerz schreien können.

Stumm wie das verbrannte Land um sie her, bewegte sich eine Gestalt durch die Ruinen. Sand wehte um den Saum ihres schweren Mantels.
Eine metallene Maske, in der sich das Licht der aufgehenden Sonne spiegelte, blitzte für einen Moment unter der Kapuze hervor, bevor sie wieder in den Schatten verschwand. Sie bewegte sich wie Rauch und Schatten durch den Sand einer jungen Wüste, über die ein rauer Wind fuhr.

Die Gestalt blieb auf einer Anhöhe stehen, während der aufkommende Sturm mit ihrem dunklen Mantel spielte, und hob langsam den Kopf, um sich in der Einöde umzusehen. Wie aus dem Wüstensand selbst geboren trat eine zweite Gestalt aus ockerfarbenen Schatten zu der Fremden in diesen Gefilden.

„Sie sind angekommen", flüsterte sie in die Kühle über dem Sand, die so bald vor Hitze flirren würde, „Sie haben sie in Empfang genommen."

Die Stimme war weder als weiblich, noch als männlich auszumachen. Sie war leise, hallte aber scheinbar kilometerweit durch die Stille. Regungslos standen die beiden auf der Düne, sahen zu, wie die Sonne über den Horizont kroch und die Minuten verstrichen.
Sie hatten einen Stein ins Rollen gebracht, der Stunden und Jahre brauchen würde, um eine Lawine auszulösen.
Doch es war bereits Bewegung in die Geschicke dieses einst so prachtvollen Planeten gekommen.

„Du weißt, was geschieht, wenn Laureline Verdacht schöpft", merkte die zweite Gestalt im gleichen fremdartigen Flüsterton an.

„Niemand wird Verdacht schöpfen", antwortete es unter der Metallmaske hervor, „Bis es zu spät ist."

Wäre Freude etwas gewesen, das diese beiden fühlen konnten, wäre diese Emotion sicher durch ihre Adern geströmt.

„Dann ist es getan", die Erste wandte sich der Zweiten zu, „Wir kehren zurück."

Der Sturm hatte an Fahrt gewonnen. Und hätten sie Schmerz gespürt, wären sie vor den Sandkörnern geflohen, die um sie her wehten und die Luft zunehmend trübten.

„Unsere Wette gilt nach wie vor?", war die letzte Frage der Ersten. Die Zweite hätte wohl gelacht, wenn sie dazu fähig gewesen wäre.

„Du wirst sehen, wie sie sich erheben."

„Ich fürchte, du wirst zusehen, wie sie fallen", entgegnete das Wesen unter der silbernen Maske.
Sie reichten sich inmitten der Wüste die Hände, um die Wette zu besiegeln, als ginge es um den Ausgang eines Kartenspiels.

Die beiden namenlosen Wesen sahen zu, wie der Sand sich blutig rot färbte, als würde der Planet selbst fühlen, dass etwas Unheilvolles über ihn kommen würde.
Langsam, aber unaufhaltsam, wie die den Himmel emporsteigende Sonne und das Verblassen der letzten Sterne in ihrem Licht. Kinderaugen sahen den ersten Sonnenaufgang ihres Lebens, unwissend, dass alte Mächte ihrerseits ein Auge auf sie gerichtet hatten.

SkythiefWhere stories live. Discover now