Epilog

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Die Wüste war totenstill. Der Sand hatte die lange verfallenen Gebäude der lange vergangenen Stadt abgeschliffen. Architekten und Ingenieure hatten sie auf dem Reißbrett entworfen, Handwerker hatten sie errichtet, Familien sie bewohnt.
All die Arbeit, die Geschichten, die Hoffnungen, derer die alten Mauern gedachten, würden bald auf ein Neues vom gnadenlosen Sand verschluckt werden.

„Sie haben sich gefunden."

Die verhüllte Gestalt mit der Metallmaske war vor einer der Mauern auf ein Knie gesunken.
Sie hatte eine Hand ausgestreckt und mit dem Finger sacht über eine einzige weiße Blume gestrichen, die sich zwischen den Steinen hervorgekämpft hatte.
Minuten zuvor war nur ein Samen dort gelegen, der dazu verdammte gewesen wäre, noch Jahrhunderte ohne auch nur einen Tropfen Wasser dort zu ruhen. Missbilligung sprach aus der Stimme der zweiten Gestalt, als diese antwortete:
„Nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte."

Die zarte Pflanze schwankte sanft im Wind, als sich die Erste erhob und wandte sich zu der Zweiten um, die sie einmal mehr in der Einöde traf. Die Sonne stand so tief über dem Horizont, dass alles, was hinter der Mauer lag, in Schatten getaucht wurde.
Immer noch glühte der weiße Sand, der sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken schien, vor Hitze. Doch das Metall der Masken war nach wie vor kühl. Immer noch strahlte die kleine weiße Blume, die die Erste Gestalt aus der Mauer gelockt hatte, in der stickig heißen Dämmerung.

Die beiden Gestalten warfen selbst lange Schatten, als sie sich aus dem des Gebäudes lösten und hinaustraten in die letzten Strahlen der Sonne, die diesen Planeten lange vor der Geburt der ersten Menschen umkreist hatte und dies auch lange nach dem Tod des letzten Menschen tun würde.

„Er rührt sich nicht", sprach die Erste in ihrem fremdartigen Singsang, „Doch er muss fühlen, dass sie nahe sind."

„Spätestens, seit sich die Flammen offenbart haben", stimmte die Zweite zu. Tiefer und tiefer sank die Sonne, während sie unter den aufleuchtenden Sternen dahinzogen. Ihre Spuren im Sand würden schon bald für immer vom Wind verwischt werden.

„Es sieht aus, als würde sich die Waage in meine Richtung neigen", stellte die Erste flüsternd fest. Die Zweite hob den Kopf zum leise erglühenden Firmament, sodass sich das warme Licht der untergehenden Sonne und die fernen Sonnen in den Höhen im Metall ihrer Maske spiegelten.

„Noch ist nichts entschieden", entgegnete die Zweite, „Sie fangen gerade erst an, zu sehen."

Auch die erste Gestalt hob das Gesicht zum Himmel. Etwas wie Besorgnis hatte beide in Beschlag genommen.

„Hast du sie gut verborgen?", fragte die Zweite dann weiter, „Noch scheint Laureline blind zu sein für die Anomalien."

„Sie alle sind blind."

Immer länger wurden ihre Schatten, bis die Sonne nur noch ihre Stiefel umspülte und dann innerhalb von Sekunden verschwand.
Während der Himmel noch sanft nachglühte, die Kühle der Nacht langsam über die Dünen kam und die Fußspuren der beiden Fremden von einer sanften Brise verwischt wurden, schien die Welt den Atem anzuhalten. Fast als wüsste sie, dass sie nur den Anfang der unheimlichen Ereignisse erlebt hatte, die sich auf ihrem alten Boden abspielen würden.

In kalter Ferne funkelten die Sterne, stumme Zuschauer des Theaterspiels, nach dessen erstem Akt sich nun der Vorhang der Nacht geschlossen hatte. 






Ende
{von Band eins}

Die Geschichte geht weiter in Band zwei:
Smokehands

SkythiefWhere stories live. Discover now