90 - Unterwelt

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Julians Blick schnellte nach unten, sodass sich der Alte losreißen konnte. Innerhalb von Sekunden verpuffte sein Zorn.

„Du bist wach. Bei den Sternen, mach so etwas nie wieder."

Er ließ sich neben ihr auf die Steine sinken, ihre kaputte Hand wieder in seiner, seine andere an ihrer Wange. Die Erleichterung war ihm wohl ins Gesicht geschrieben.

„Ach wie schön", kommentierte der Alte und Julian fauchte irgendetwas in die angrenzende Zelle hinüber. Cress blinzelte langsam, immer noch verwirrt.

„Was ist passiert?"

Julian schüttelte nur den Kopf.

Zu viel.

Er wusste gar nicht, ob er es alles zusammenfassen konnte.

Ihm waren ihre Augen noch nie aufgefallen.

Blau, aber ganz anders, als seine eigenen.

Nicht perfekt, nicht einheitlich.

So viele verschieden Farbtöne, Sprenkel, Tupfer und helle, winzige Punkte.

Er hätte sich küssen können, hätte sich hinunterlehnen und sie küssen können.

Aber er tat es nicht.

Vielleicht, weil er Angst hatte.

Weil er nach all den Wirren, Intrigen, all dem Tod trotzdem Angst hatte vor so etwas Dummem.

Sie schloss die Augen, verzog den Mund, als ob sie versuchen würde nicht zu weinen.

Sie fluchte, aber es war mehr ein Wimmern.

Er hätte sie an sich gezogen, wollte ihr aber nicht weh tun.

Stundenlang hatte sie dort in der Luft gehangen.

Er wollte sich das nicht einmal vorstellen, konnte aber aus irgendwelchen Gründen nicht damit aufhören.

Oh bei den Sternen, sie tat ihm so leid. Es tat ihm leid, dass so etwas überhaupt passiert war.

„Cress", kam es aus der angrenzenden Zelle.

„Lass sie in Ruhe", kam es zurückgeschossen, aber die Diebin richtete sich ächzend auf.

Julian stützte sie, murmelte aber irgendetwas Missbilligendes.

Die Diebin spähte in das Dunkel der anderen Zelle hinüber.

Sie schluckte, aber als sie das Wort an den Alten richtete, war ihre Stimme fest.

„Du hast mich an Julian verraten."

Der Alte kicherte.

„Aye. Aber so schlecht scheint das ja für dich nicht ausgegangen zu sein, Schattenvogel."

Ihr Blick war unergründlich.

„Was machst du in einer Zelle? Wieso hat die Reana van Clyve angegriffen?", fragte Cress und ließ ihren unruhigen Blick über seine magere Gestalt flackern.

„Dasselbe könnte ich dich fragen. Aber wenn du es unbedingt wissen willst: Meuterei. Von deinem besten Freund Sam."

Die Diebin zuckte zusammen.

Cress Aufmersamkeit kehrte nach einem kurzen Moment zu Julian zurück.

Sie drehte vorsichtig den Kopf um ihn anzusehen.

„Wer hat uns hergebracht?"

Er musste seine Stimme erst wiederfinden.

„Eine Frau. Blass, viele helle Haare, grüne Augen, roter Strich im Gesicht."

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