75 - Schmerz verlangt Schmerz

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Der König war gefesselt worden, wie ein gewöhnlicher Verbrecher.

Caz Kristalle wanden sich wie blasse Tentakeln um seine Arme und Beine.

Auch um seine Stirn war ein solches Band geschlungen, sodass sein Kopf straff an die Kopflehne gedrückt wurde.

Die eisigen Augen von Julians Vater starrten die neue Hohe an, ohne sie überhaupt zu sehen.

Sie deutete auf ihren Vater, der mit leeren Augen zu ihnen herauf starrte.

Sie hatten seine Realität mit den Wahrheitssteinen manipuliert. Wahrscheinlich saß er in seiner Traumwelt mit einem kleinen Kind auf dem Schoß in einem Rosenhain, während er in der Realität hier in Fesseln lag.

Er war so still.

Hätte sich sein Brustkorb nicht leicht gehoben und gesenkt, dann wäre Julian sich sicher gewesen, dass Miaserus tot war.

Äußerlich ruhig musterte der Kronprinz seinen Vater. Innerlich musste er sich dazu zwingen, nicht in Panik zu verfallen. Das Ganze nahm eine dramatische Wendung, denn anscheinend meinte Dominique es ernster, als er gedacht hatte. Er musst aufpassen, dass er über Wasser blieb.

"Oh. Ein Familientreffen", sagte Julian nur trocken, bevor er seinen Vater links liegen ließ und die Stufen zu seiner Schwester hinaufstieg.

Ihm war nicht entgangen, wie sich sämtliche Wachen angespannt hatten. "Und ich habe mich schon gefragt, wo der Gute nach dem kleinen Rechenfehler abgeblieben ist.", hängte er noch an.

Dominique hob halb anerkennend, halb gespielt verwundert eine Augenbraue.

„Ach was."

Eine Traube löste sich von einer der Etageren und rollte die Treppen hinunter, die Ophelia jetzt hinaufstieg, um sich sehr unzeremoniell an den Richtertisch zu lehnen.

"Darf ich fragen, warum er so ... weggetreten ist?", fragte Julian.

"Er hätte Probleme gemacht", seine ältere Schwester warf einen so kurzen, kühlen Blick zu ihrem Vater hinüber, dass man denken könnte, sie betrachte eine sterbende Spinne.

Sie ließ ihre Finger tanzen und die Caz Kristalle der Wände leuchteten grell auf.

Julian riss reflexartig die Arme vor das Gesicht, um sich vor dem Licht zu schützen.

Das Biest hatte wirklich die Kräfte der Hohen erhalten.

Sein Kopf schwirrte.

Das war unmöglich.

Wenn die Sterne wirklich seine Schwester als neue Hohe erwählt hatten, dann hatten sie das hier gewollt, vorherbestimmt.

Wieso sollten sie das tun?

Hatten die Menschen es jetzt auch geschafft noch die letzten Götter gegen sich aufzubringen?

„Dominique, was auch immer du vorhast, sei dir bewusst, dass alles Konsequenzen haben wird", warnte er seine Schwester. Ihre Augen waren wie dunkle Seen unter deren Oberfläche sich Monster mit viele spitzen Zähnen versteckten.

„Du weißt doch noch gar nicht, was ich will, oder?", säuselte sie.

Er schluckte. Nein, das wusste er nicht. Es gefiel ihm gar nicht, dass sie etwas Größeres vorhatte und anscheinend so brilliant darauf vorbereitet war, dass sie es sich leisten konnte, Sicherheit auszustrahlen.

„Domi", warnte er noch einmal, aber sie schnippte ihm nur eine Erdbeere entgegen.

Die Tür am anderen Ende des Saals flog auf und zwei Eiserne schleiften Dominiques Ehemann in den Raum. Walter war übel zugerichtet worden. Anscheinend war er nicht so klug wie Julian gewesen und hatte sich gegen seine Eskorte gewehrt. Sie warfen ihn auf den Boden und der riesige Mann hielt sich die gebrochene Nase, während er begann, wüste Beschimpfungen auszustoßen.

SkythiefWhere stories live. Discover now