24 - Masken

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Maries Gesicht war heiß von dem Dampf, der aus dem verbeulten Topf vor ihr aufstieg. Sie kickte einen Stuhl beiseite und ließ sich neben dem Namenlosen nieder. Schweiß stand auf seiner Stirn.

Er fieberte, befand sich nun aber näher am Bewusstsein, als an der Bewusstlosigkeit. Die Heilerin fütterte ihn mit der Brühe, sah ihn dabei aber so verächtlich an, dass die Geste eher beleidigend als zärtlich war. Klappernd stellte sie die Schüssel auf den Tisch, während er sich stöhnend aufrichtete.

Muskeln spielten im Licht der Flamme, als er sich auf einen Ellenbogen stützte. Die Heilerin der Clubs musterte ihn.

Glasige braune Augen blinzelten sie an, immer noch nicht ganz klar von dem Schmerzmittel, das sie an ihn verschwendet hatte.

Doch weder gefärbte Haare, noch farbige Kontaktlinsen oder die Maske konnten ihn zu weniger machen, als er war. Sollte der Mann seine Wunden überleben, wären diese die ersten Narben auf der viel zu glatten Haut seines muskulösen Oberkörpers. Er war gebaut wie ein Krieger, doch trug er nicht die Zeichen einer einzigen Schlacht. Nur das grobe Gesicht mit den Pockennarben passte nicht in das Bild.

Marie streckte vorsichtig die Hand aus und griff nach seinem Gesicht. Sie fuhr mit einem Fingernagel über seinen geschwollenen Wangenknochen. Ihr anderer Zeigefinger wanderte an seine rechte Wange. Fein wie Spinnenweben und bläulich schimmernd wie Libellenflügel löste sich das Plasma von der perfekten Haut, die es verborgen hatte.

Das brachte Bewegung in den Mann, aber mehr als ein Zucken brachte er nicht zustande, bevor er vor Schmerz aufstöhnte und mit einer Hand über der Naht zurücksank. Die Heilerin war zurückgezuckt, ihr Mund aufgeklappt vor Überraschung. Der Mann, den der Schattenvogel zu ihr gebracht hatte, war kein grüner Soldat, wie sie vermutet hatte. Sie presste sich mit von einer Sekunde auf die andere panisch rasendem Herzen gegen die Ablage hinter sich und konnte einige Momente nicht mehr tun, als zu starren. Er war ein Adliger, mit so unverkennbar schönen Gesichtszügen, dass Maries Augen automatisch nach einem Bruch in der Illusion, nach einem Fehler in diesem seltsamen Traum, suchten. Sie wachte nicht auf, als sie sich die Nägel in die Handfläche drückte.

Der Kronprinz der letzten Stadt hustete trocken und krümmte sich dann vor Schmerz auf ihren Laken zusammen. Erst als sein Kopf wieder zurücksank, löste sie sich aus ihrer Starre, um das einzig Richtige zu tun: Cress oder am besten direkt den Kreuzbuben zu informieren. Sie würden wissen, was zu tun war. Sie eilte gerade zur Tür, als diese von außen aufgerissen wurde.

Marie erwartete den Schatten des Kreuzbuben, oder vielleicht ein anderes Mitglied der Clubs. Sie hatte schon den Mund geöffnet und einen Arm in Richtung des regungslosen Körpers auf ihrem Tisch ausgestreckt, als sie sich einer geladenen Plasmawaffe gegenübersah.

„Weg von ihm", fauchte die junge Frau, die aus dem Nichts im Türrahmen aufgetaucht war. Ihr Haar war genauso mausbraun, wie das des verkleideten Kronprinzen, ihre Züge unauffällig, doch der Körper unter der schwarzen Funktionskleidung war zu gesund und gut ernährt, um in den Außenbezirken zuhause zu sein. Mit versteinertem Gesicht ließ die Heilerin ihren Lappen sinken und hob langsam die Hände, während hinter der Frau mit der Waffe drei Männer den Raum betraten. Man hätte ihnen im Gegensatz zu ihr in Anbetracht der viel zu teuren Waffe ohne weiteres abgekauft, dass sie nur gewöhnliche farblose Verbrecher waren.

Marie stand im Schein ihrer Kerzen da, schwer atmend, während die vermeintlich grüne Eskorte des Alessandrini Erben in den Raum kam. Die Frau an der Spitze senkte ihre Waffe erst, nachdem zwei ihrer Begleiter die Farblose gepackt hatten. Diese hatte versucht zu schreien und sich mit einer behandschuhten Hand auf ihrem Mund wiedergefunden. Der Soldat presste seinen Körper an sie, erstickte jede Bewegung und jeden Laut, während die Frau sich zu Kronprinz Julian d'Alessandrini-Casanera hinunter beugte und leichenblass wurde, als sie die Wunde sah. Sie wandte den Kopf zur Seite, als wäre ihr übel und nickte einem ihrer Begleiter zu, bevor sie sich abwandte und würgte, ohne irgendetwas zu erbrechen. Ein blonder Soldat, der ein wenig älter als der Kronprinz schien, zog eine Art Kapsel aus der Tasche und zerbrach diese in seiner Hand. Ein blau fluoreszierendes Tuch entfaltete sich auf der Hand des Mannes. Marie schnappte durch die Finger des Soldaten, der sie festhielt, nach Luft, als sie das Plasma sah.

SkythiefWhere stories live. Discover now