44 - Spiel

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Schweigen, nur unterbrochen vom Knistern der Scheite im Kamin.

„Was für ein Spiel?"

„Oh, das Gefährlichste von allen. Die Suche nach der Wahrheit."

Konnte er sich nicht verständlich ausdrücken?

Der Kronprinz lehnte sich entspannt zurück.

„Du sollst etwas für mich stehlen."

Er machte eine dramatische Pause, in der er sogar damit aufhörte, mit den Fingern auf die Tischplatte zu trommeln, während ihr ein kalter Schauer den Rücken hinunter rieselte.

„Um genau zu sein, eine Formel. Das Rezept für einen Massenmord in der Samhainnacht."

Sie starrte ihn an.

Ein Massenmord? Ein Massenmord. Das Wort fegte durch ihre Gedanken wie ein Sturm durch einen Glockenturm und zog eine Spur aus warnendem Läuten hinter sich her.

Eine schreckliche Ahnung kroch ihr in die Gedanken.

Wenn sie ernsthaft an die Sterne geglaubt hätte, dann hätte sie jetzt angefangen zu beten.

Der Kronprinz musterte die Farblose, als wäre ihre Stirn aus Glas und er könnte jeden ihrer Gedanken mit bloßem Blick verfolgen.

„Noch ein Grund, mir zu helfen, Cress Cye: Wenn Ihr es nicht tut, werdet Ihr, wie jeder Farblose in dieser Stadt, in der Samhainnacht sterben."

Sie zwang sich, den Blick nicht abzuwenden, während sie ihre zitternden Hände zu Fäusten ballte.

Wenn sie wüsste, dass ihr zugehört habt, würde sie Euch umbringen, echoten die Worte der Adligen in Cress Ohren.

Die Welt begann sich zu drehen, als ich die Puzzleteile zusammensetzte.

Der blaue Adel plante einen Anschlag auf den farblosen Bezirk.

Cress wünschte, sie könnte sagen, dass sie Julian d'Alessandrini in diesem Moment nicht glauben konnte, aber die Wahrheit war, sie traute es den Adligen durchaus zu.

Es ging nicht um einen einzigen Assassinen, der erwischt worden war und exekutiert wurde. Es kniete nicht Owen vor dem Richtblock. Sie alle standen auf dem Spiel.

Marie. Chiby. Mike. Dice. Cryna.

"Wieso sollte ich euch das glauben?", fragte sie und hoffte, dass er nicht sah, wie panisch sie geworden war.

Vielleicht hatte er sie angelogen. Vielleicht machte es ihm einfach nur Spaß, sie zu schockieren, ein weiteres Mal mit ihr zu spielen.

Doch der Kronprinz schüttelte nur den Kopf und wirkte plötzlich müde.

„Was hätte ich davon, dich anzulügen, Cress Cye? Vielleicht ein bisschen Spaß, gut. Aber hier geht es nicht um meine Unterhaltung, sondern um ein raffiniert geplantes Verbrechen von grausamen Ausmaßen. Bring mir die Formel und du bekommst das Schwert, das erste goldene Ding, dass du hier findest und vielleicht noch eine kleine Geschichte zu diesem Zahnstocher. Ist das ein Angebot?"

Sie war wie vor den Kopf gestoßen. Sie fühlte sich, als hätte sie in einer Seifenblase gelebt, welche der Alessandrini Erbe mit der Spitze des gestohlenen Schwerts zum Platzen gebracht hätte.

Ein Massenmord.

„Habt ihr keine Spione, die ihr darauf ansetzen könnt?"

Sogar sie selbst konnte hören, wie belegt ihre Stimme klang.

Sterne, sie kannte den Tod schon ihr ganzes Leben lang, es war fast, als hätte er sie großgezogen. Doch dieses Vorhaben war so eiskalt geplant worden, so rational und gefühllos, dass sie froh war, bereits zu sitzen.

SkythiefWo Geschichten leben. Entdecke jetzt