56 - Verraten

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Cress Körper schien vor Schmerzen zu vibrieren. Das war das erste, was sie wahrnahm, noch bevor sie durch die langen Schatten ihrer Wimpern verschwommen das Tageslicht sah. Hinter ihrer Stirn dröhnte es. Minuten, vielleicht auch Stunden oder Tage, blieb sie einfach so liegen, mehr schlafend als wach. Dann irgendwann, war ihr Gehirn wach genug, um festzustellen, dass man ihr irgendwelche starken Schmerzmittel gegeben haben musste. Und dann, ganz langsam, tauchte sie aus der Dämmerung auf. Es dauerte einige Momente, bis die schwarzen Flecken vor ihren Augen verschwanden und ihr Atem von einem gehetzten Hecheln zu seinem normalen, fließenden Rhythmus zurückfand. Lichtpunkte brachten sie zum Blinzeln und es schien Jahrhunderte zu dauern, bis sie es schaffte, eine Hand zu heben und ihre Augen abzuschirmen. Man hatte sie an eine Infusion gehängt und Elektroden auf ihre Brust geklebt. Cress Augen glitten nach links, wo mein Herzschlag in grünen Linien über einen Monitor tanzte.

Als ihre fünf Sinne sich wieder sortiert hatten, lag sie in einem Raum, der ihr wage bekannt vorkam. Wasser prasselte von unten gegen den gläsernen Boden, Feuer brannte in einem Kamin hinter einer leicht geschwärzten Glasscheibe.

Wie ein Peitschenschlag jagte der Schmerz ihre Wirbelsäule hinauf und sorgte dafür, dass sie sich fast die Zunge abbiss, während sie aufstöhnte und dann in die Kissen zurücksank.

Es dauerte einige Momente, bis die schwarzen Flecken vor ihren Augen verschwanden und ihr Atem von einem gehetzten Hecheln zu seinem normalen, fließenden Rhythmus zurückfand.

Sie unterbrach ihre Gedanken. Denn das ungeheuerlichste an der ganzen Situation war ihr noch gar nicht aufgefallen:

Sie lebte.

Immer noch.

Sie ging in ihrem dröhnenden Kopf die Ereignisse durch, bis zu der Stelle, wo sie sich Hals über Kopf in den sicheren Tod gestürzt hatte.

Sie war wohl ohnmächtig geworden, hatte angefangen zu halluzinieren.

Hinter ihren Augen setzte ein dumpfer Schmerz ein. Sie fuhr sich mit den Fingerspitzen über die geschlossenen Augenlider.

Was auch immer in dem See passiert war, was auch immer sie davor bewahrt hatte zu sterben, Cress war dankbar dafür.

Dann hatte sie sich aus dem Wasser gekämpft, was zur Abwechslung unmöglich war, und hatte ein paar Soldaten auf die Schuhe gespuckt. Cress verzog das Gesicht, vor allem, als ihr aufging, dass Julian d'Alessandrini mich getragen hatte, nachdem sie zusammengeklappt war.

Es wäre absoluter Unsinn zu sagen, dass er sie gerettet hatte - das hatte was auch immer sie davor bewahrt hatte zu sterben, vielleicht war es einfach unverschämtes Glück.

Aber er hatte geholfen.

Hatte sie getragen.

Sie stand in seiner Schuld.

Und das machte ihr mehr zu schaffen als diese Halluzinationen.

Cress Finger fuhren über das saubere Laken. Zu allem Überfluss lag sie dem Aussehen des Raums nach zu urteilen im Bett des Kronprinzen, dem letzten Ort, an dem sie sich je finden wollte.

Langsam stieß Cress die Luft aus.

Sie wollte gar nicht wissen, was auf dieser Matratze schon alles geschehen war.

Wirbel für Wirbel richtete sie sich auf und zuckte immer wieder unter den kleinen Stromstößen zusammen, die ihren Rücken hinunter jagten. Ganz davon abgesehen, dass es sie unangenehm weit in die Privatsphäre des Königssohns eindringen ließ, war es eine viel zu nette Geste, dass er sie in dieses Bett gelegt hatte.

Es gab Couchen, den Boden.

Cress schob ihre Hand unter ihr Nachthemd und zupfte sich die Elektroden von der Haut. Der Monitor gab einen durchdringenden Alarmton von sich, als das Auf und Ab der darauf abgebildeten Kurve sich in eine gerade Linie verwandelte.

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