42 - Der Kronprinz

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Zwei große, männliche Silhouetten hoben sich gegen das Rot und Orange der Flammen ab.

Eine der Personen stand absolut kerzengerade da, während die andere mit einer funkelnden Klinge in der Hand zurückschnellte.

Nicht mit irgendeiner Klinge. Das Schwert, wegen dem sie sich in tödliche Gefahr begab, blitzte auf, als würde es Cress ein spöttisches Grinsen zuwerfen, als der Mann vor dem Feuer einen Ausfallschritt machte.

Cress Körper reagierte instinktiv auf den Kampf, der gerade stattfand und schwemmte ihre Blutbahnen mit Adrenalin.

Der Rhythmus ihres Atems ging einen Moment lang verloren und verdreifachte sich dann.

Sie konnte jedes Tappen der teuren Schuhe auf dem Glasboden hören, als der Angreifer ausholte. Konnte über die süßen Klaviermelodien hinweg sein Keuchen wahrnehmen.

Trotz der Flammen im Kamin, deren Licht das gesamte Zimmer erfüllten, fühlte sie sich, als hätte ihr jemand einen Eiszapfen in die Wirbelsäule gerammt.

Denn er musste es sein. Der Fremde, dem sie das Leben gerettet hatte.

Der Sohn des Mannes, der sie mit acht Jahren verurteilt hatte.

Julian Alessandrini-Casanera, der Kronprinz der letzten Stadt, stand nur ein paar Meter von ihr entfernt.

Nein, er stand nicht, er drosch kunstvoll auf sein Gegenüber ein, während die Töne des Waltzers sich immer weiter in die Höhe schraubten und der Dreiviertel Takt das Holz unter Cress Fingern zum Erbeben brachte.

Wie ein tanzender Schattenschnitt wirkte er, aber gleichzeitig viel zu echt und plastisch für einen solchen.

Jeder Hieb sollte sein Gegenüber niederbringen, aber dieses gab nicht einmal die Andeutung eines Schmerzensschreis von sich.

Er schoss nach vorne und versenkte den Stahl im Brustkorb des zweiten Mannes vor dem Feuer.

Immer noch keine Reaktion.

Als der Alessandrini Erbe dem anderen Mann einen so heftigen Stoß verpasste, dass dieser sich so sehr hintenüber beugte, dass sein Kopf auf den Glasboden donnerte, bevor er wieder in die Höhe schnellte, hätte sie fast gelacht.

Eine Puppe.

Natürlich war es eine Puppe.

Diese Erleichterung konnte das Zittern ihrer eiskalten Hände allerdings nicht ganz stillen.

Sie fühlte sich, als würde sie auf so dünnem Eis entlanggehen, dass sie bei jedem Schritt einbrechen könnte. Als ob jeder Atemzug, jedes Pochen ihres Pulses, das Geräusch ihrer Stoffschuhe auf dem Glas bei jedem Schritt rückwärts, seinen Kopf zu mir herumschnellen lassen könnte.

Mit der blanken Klinge in der Hand.

Und das wollte sie unter allen Umständen vermeiden, denn er könnte sie nicht nur verraten, er war auch nicht ungeschickt mit dieser Waffe, obwohl sie viel zu kurz für ihn war, während sie nur diesen einen, mickrigen Dolch hatte.

In einem fairen Kampf, wer von uns würde wohl gewinnen, Prinz?

Eine Krone aus Papier segelte vom Kopf der Puppe, während der Prinz um seine eigene Achse wirbelte, um nicht von seinem leblosen Trainingspartner niedergeschlagen zu werden.

Er riss das Rapier zurück.

Einen Moment schien er sich wie in Zeitlupe zu bewegen, bevor er den Stahl präzise wie ein Chirurg niedersausen ließ und der Puppe mit einem Streich den Kopf abtrennte.

Die ganze Zeit über passte jede seiner Bewegungen in den Takt der Musik, fast als ob er tanzen würde.

Sie konnte sein Gesicht in den tanzenden Schatten des Feuers nicht klar sehen, aber das Licht reichte, um die Anspannung in jedem einzelnen Muskel zu erkennen.

SkythiefWhere stories live. Discover now